Vor einem Jahr ist das Wirtschaftsdezernat auf die Nase gefallen mit seinen gar nicht ausgefallenen Ideen für die künftige Nutzung des ehemaligen agra-Geländes in Dölitz. Die Vorlage wurde zurückgezogen. Der Stadtratsauftrag war wieder offen. Nun hat die Linksfraktion mal nachgefragt, wie die Pläne so stehen. Und mutig traut sich das Dezernat Stadtentwicklung und Bau in die Bresche.

Visionen hat man zwar dort auch nicht. Doch an der Vorlage werde trotzdem auftragsgemäß gearbeitet, bekommt die Linksfraktion nun als Antwort.

Inhalt dieser Vorlage sind eine Status-Quo Variante mit Nutzungserweiterungen wie Hotel und Campingplatz, die eine weitere Bespielung des Geländes mit “Events” zulässt und eine verbesserte Bewirtschaftung des Geländes erlaubt, und eine zweite Variante, die die langfristige bauliche Entwicklung ohne Veranstaltungsbetrieb mit Schwerpunkt Wohnungsbau auf der agra dargestellt.

Dieser Punkt ist ein recht brisanter Vorstoß, denn das agra-Gelände hat sich in den letzten Jahren als Veranstaltungsort für das Wave Gotic Treffen etabliert. Gerade das nun zu verbannen, bedeutet möglicherweise den sehr schnellen Komplettverlust des Festivals für Leipzig.

Die Vorlage zum weiteren Vorgehen auf der agra soll voraussichtlich nach der Sommerpause in den Stadtrat eingebracht werden. Damit beschäftigen müssen sich dann die neu gewählten Stadträte.

“Die aus dem Stadtrat formulierte Kritik an der Informationsvorlage DS V/2872 wird natürlich soweit möglich aufgenommen”, beschwichtigt das Planungsdezernat. “Jedoch macht die angemahnte Wirtschaftlichkeitsberechnung der entstehenden Kosten sowie die Gegenrechnung mit Einnahmen derzeit auf dieser ‘groben’ Zielplanungsebene ohne konkreten Investor im Hintergrund keinen Sinn.”
Und wo noch kein Investor “Hier!” schreit, da entwickelt eben die Stadt selbst unternehmerische Qualitäten. Das Gelände liegt schön ruhig. “Es ist allerdings offensichtlich, dass die Stadt mit Verpachtung/Verkauf von Flächen für z. B. ein Hotel und einen Campingplatz zusätzliche Einnahmen im Vergleich zum Status Quo generieren kann”, meint das Planungsdezernat im Einklang mit dem Wirtschaftsdezernat, das dafür in seinem Plan ja auch schon die benötigten Anfahrtsstraßen geplant hatte. Ganz so, als hätte mal kurz ein bekannter Hotelier an die Amtstür geklopft: “Kannst du mir da draußen mal ein Stück Gelände für ein Hotel besorgen?”

Muss nicht so gewesen sein. Aber wenn immer wieder dieselben Ideen derart hartnäckig aufploppen, dann fällt das auf.

Und genauso ist es mit der anderen Variante, die nun augenscheinlich in ihrer dritten Schönheitsoperation auf den Tisch soll. Schon zwei Mal hat der Stadtrat nun den Versuch abgelehnt, da wieder dicht am Überschwemmungsgebiet der Mühlpleiße teure Eigenheime hochzuziehen. Nur zur Erinnerung: Das Gelände ist noch immer nicht privat. Es gehört immer noch der Stadt.

Und die erzählt nun die alte Geschichte wieder neu: “Von einer positiven Bilanz in Millionenhöhe für das Langfristszenario mit Schwerpunkt Wohnungsbau bei Abriss der Hallen und Erneuerung der Infrastruktur ist auszugehen”, behauptet nun auch das Planungsdezernat forsch. Und schon im nächsten Satz muss es zugestehen: “Diese Variante kann aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht seriös mit Zahlen untersetzt werden, da je nach Zeitpunkt der Umsetzung und Bevölkerungsentwicklung, sich beispielsweise auch die Grundstückspreise verändern werden. Dabei ist begründet zu vermuten, dass bei einer späteren Umsetzung die Grundstückspreise höher sein werden.”

Als hätte der künftige Immobilienentwickler schon mit am Tisch gesessen, so klingt das. Und als hätte er auch gleich noch das mit dem Schallschutz angesprochen – und damit ist nicht die Musik eines Wave Gotic Festivals gemeint, sondern den Lärm der B2, die heute noch auf Stelzen durch den Markkleeberger Teil des Agra-Parks führt.

“Das Thema Schallschutz wird in der Langfristvariante im Rahmen der Bauleitplanung geprüft werden. Derzeit liegen keine neuen Erkenntnisse vor, zumal auch noch das Verfahren zum ‘Ausbau der B2 Leipzig-Böhlen/Ausbau südlich Leipzig mit Erneuerung des Bauwerks 33 über der agra’ auf Höhe des agra-Parks läuft. Die hier in Rede stehenden Varianten ‘gedeckelter Trog’ oder Brückenlösung haben erheblichen Einfluss auf die zukünftige Lärmbelastung der agra und damit auf mögliche Wohnbebauung und Grundstückspreise. Das zur Bestimmung der zu bauenden Variante notwendige Planfeststellungsverfahren des Freistaates beginnt voraussichtlich nicht vor 2016.”

Aber da war doch noch was. Der Linksfraktion war’s auch wieder eingefallen: Es gab auch zum agra-Gelände mal ein Nutzungskonzept. Das sah doch ein bisschen anders aus.

“Die Nutzungskonzepte (kurz-, mittel-, langfristig) der Firma Arcadis sahen für die agra eine Entwicklung als energetisch effizienten Standort für einen Campingplatz, eine Einzelhandelseinrichtung, ein Gründerzentrum sowie ein Naturkundemuseum vor. Der grüne Auenbereich der Mühlpleiße wurde erweitert”, bestätigt das Planungsdezernat nun in seiner Antwort. Ganz habe man es auch nicht weggetan. “Tragfähige Bausteine wie ein Campingplatz und die Erweiterung des Auenbereiches der Mühlpleiße werden auch in die aktuelle Vorlage einfließen. Verbindliche Abstimmungen mit der Stadt Markkleeberg gibt es zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht. Diese werden aber bei Konkretisierung einer Variante selbstverständlich erfolgen.”

Ansonsten habe man das Eigentum der Stadt vor Ort wie geplant arrondiert: “Das DAHG-Grundstück auf dem agra-Gelände wurde am 25.02.2010 durch die Stadt Leipzig erworben. Der Kaufvertrag ist vollständig vollzogen. Die Stadt Leipzig ist seit 17.06.2010 Eigentümerin des Grundstückes. Der im Ratsbeschluss V-124/09 empfohlene Abriss der DAHG-Hallen konnte noch nicht realisiert werden. Durch die permanente Haushaltssperre in den vergangenen Jahren war eine Bewilligung von Haushaltsmitteln für den Abriss der Gebäude nicht möglich, zumal wichtigere Vorhaben auf anderen Grundstücken anstanden. Wie bereits ausgeführt, wird zurzeit ein umfangreiches Konzept für die künftige Nutzung des gesamten ehemaligen Agra-Messeparkes erarbeitet. Bevor der Abriss der DAHG-Hallen weiter verfolgt wird, ist das Ergebnis der Studie abzuwarten. Eine spätere Verwendung der Hallen kann nicht ausgeschlossen werden. Die Hallen sind zum Teil vermietet, so dass momentan auch aus finanzieller und wirtschaftlicher Sicht kein akuter Handlungsbedarf zum Abriss besteht.”

Und auch ein Sparkassen-Terminal, wie von der Linksfraktion gewünscht, sei denkbar: “Ein SB-Terminal einer Sparkasse ist mit dem Nutzungskonzept problemlos vereinbar. Ob die Sparkasse auf der agra einen Terminal anbieten will, liegt nicht in der Entscheidung der Stadt.”

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