Auf dem Leipziger Wohnungsmarkt tut sich was. Der Neubau boomt. Die Verkaufspreise von unsanierten Mehrfamilienhäusern haben sich seit dem letzten Jahr um 20 Prozent erhöht. Wenn diese nicht gerade einstürzten, kommt es dazu, dass viele Altbestände in sogenannten Toplagen luxussaniert werden. Das hat zur Folge, dass Angebote im Niedrigpreissegment über kurz oder lang knapp werden könnten.Wie werden LWB, die vereinigten Wohnungsgenossenschaften und die Stadt auf diesen anhaltenden Trend reagieren? Die L-IZ hat nachgefragt.

Wenn die Prognosen des Netzwerks “Stadt für alle” stimmen, dann muss in zwei bis drei Jahren, bei einem jährlichen Zuzug von 10.000 Menschen und einem gleichbleibenden Sanierungs- und Neubauniveau mit einem angespannten Wohnungsmarkt in Leipzig gerechnet werden. Die 25.000 bis 30.000 Wohnungen, von denen viele zum jetzigen Zeitpunkt nicht marktaktiv sind, wären dann schnell vergriffen. Ebenso würden im Zuge der Verknappung die Mieten weiter steigen.

Was also tun? Momentan arbeitet die Stadt Leipzig zusammen mit Akteuren und BürgerInnen an den Grundlagen für eine neues Wohnungspolitisches Konzept, das 2015 dem Stadtrat vorgelegt werden soll. Vertreter des Akteurenkreises sind auch die Genossenschaften, welche sich bereits zu einer Vereinigung zusammengeschlossen haben und gemeinsam agieren. Deutlich zu erkennen auch auf der gemeinsamen Antwort auf die Fragen der L-IZ durch immerhin Martina Wilde, Steffen Foede (Vorstand UNITAS eG), Ulrich Dietel, Ralf Schädlich (Vorstand BGL eG), Michaela Kostov, Wolf?Rüdiger Kliebes (Vorstand VLW eG) und Tobias Luft, Béla Hambuch (Vorstand WOGETRA eG).

Längst sind sie damit zu einer beachtlichen Größe geworden. In Leipzig befinden sich (ca. 16 % des Wohnungsbestandes) ungefähr 55.000 Wohnungen im genossenschaftlichen Eigentum. 100.000 Bürger bewohnen demnach Wohnungen einer Genossenschaft. Was einem Fünftel der Gesamtbevölkerung entspricht.

Die städtische LWB verfügt über rund 35.500 Wohnungen in nahezu allen Stadtteilen Leipzigs. Davon stehen etwa sechs Prozent leer. “Derzeit gibt es fast 2.000 leere LWB-Wohnungen, nahezu alle im mietpreisgünstigsten Segment”, so LWB-Pressesprecherin Samira Sachse auf Nachfrage.

Die Plattform Leipziger Wohnungsbaugenossenschaften “Wohnen bei uns” (UNITAS, VLW, Wogetra, Baugenossenschaft Leipzig) spricht von insgesamt 3.170 leerstehenden Wohnungen in ihrem Bestand. Davon befanden sich nach Auskunft der Wohnungsgenossenschaften insgesamt 815 Wohnungen aufgrund des baulichen Zustandes im nicht marktaktiven Leerstand (Stand Dezember 2013). Nach Abzug dieser Kategorie stehen also noch über 8 % der Wohnungen leer.

Gesamtstädtisch unterstellt man allerdings eine deutlich höhere Leerstandsquote. Darüber, wie hoch der “nicht marktaktive” Leerstand in diesem Segment des Leipziger Altbaubestandes ist und in welchem Umfang diese Leerstände künftig wieder zur Vermietung zur Verfügung stehen werden, werde seit Monaten nur spekuliert, stellen die Wohnungsgenossenschaftler fest.
“Leider ist es ist den Verantwortlichen der Stadt Leipzig bisher nicht gelungen eine belastbare und vor allem aktuelle Datenbasis für die Gesamtstadt zu erarbeiten”, lautet die Kritik der Plattformgenossenschaften. Ein gemeinsames Grundverständnis für die Mechanismen des künftigen Handelns und die gemeinsamen Ziele für eine nachhaltige Stadtentwicklung fehlen derzeit noch.

In Sachen Mietpreisentwicklung sehen die Plattformgenossenschaften die Lage noch entspannt. Leipzig zähle nach wie vor zu den Städten im Bundesgebiet, die für Mieter die größte Zahl an verfügbaren Wohnungen zu den vergleichsweise niedrigsten Mieten ausweist. Die durchschnittliche Miethöhe bei den Plattformgenossenschaften liegt aktuell bei 4,70 Euro/qm und damit unter dem Leipziger Durchschnitt von 5,08 Euro/qm.

Auch bei der LWB ist man dieser Meinung. “Im Mietpreisvergleich deutscher Großstädte liegt Leipzig auf Platz 14 hinter Magdeburg”, so Samira Sachse. Die Mietpreisentwicklung sei insgesamt moderat, abgesehen freilich von sogenannten Luxusquartieren in Toplagen. Im Schnitt lag der Mietanstieg pro Jahr demnach in Leipzig bei 1,2 Prozent.

Bezogen auf die Leerstandsreserve und den bezahlbaren Wohnraum sind die Genossenschaften unisono einer Meinung. “Wir sind der Auffassung, dass es nach wie vor ausreichend bezahlbaren Wohnraum in Leipzig gibt und wir können und wollen eine Nachfrage in unterschiedlichsten Preissegmenten bedienen”, so die Plattformgenossenschaften.

Auch für die LWB existiert in Leipzig nach wie vor “eine nicht unbeträchtliche Leerstandsreserve. Zugleich gibt es in vielen Stadtteilen eine anziehende Neubautätigkeit im Mietwohnungsbereich beziehungsweise bei der Schaffung von Wohneigentum”, so Sachse. Der Wohnungsmarkt sei in Bewegung und auch innerhalb der Stadt gebe es starke Wanderungsbewegungen, so dass immer wieder Wohnungen zu niedrigen Kaltmieten frei würden.

Sollten sich die aktuelle Wanderungsgewinne als nachhaltig erweisen, werde man bei den Plattformgenossenschaften zuerst den derzeit “nicht marktaktiven Leerstand hinsichtlich vorhandener Entwicklungspotentiale beurteilen.” Auch Rück- oder Teilrückbau wird in diesem Zusammenhang als sinnvolles Instrument der Stadtentwicklung nicht ausgeschlossen. Ebenso werde man prüfen, “ob es auf den eigenen Grundstücken ein innerstädtisches Nachverdichtungspotential für die Errichtung von Ersatz – oder Ergänzungsbauten gibt.”

Und was ist eigentlich mit der 1990 zuletzt eingeführten Idee des sozialen Wohnungsbaus? Die Stadt lässt über das Referat Kommunikation im Namen des Baudezernates verlauten: “Im Zuge der Erarbeitung des Wohnungspolitischen Konzeptes werden Bedarfe, Möglichkeiten und Partner zum sozialen Wohnungsbau geprüft.” Da die entsprechende Fördermöglichkeiten für den sozialen Wohnungsbau im Freistaat Sachsen derzeit nicht gegeben sind, müssen erst die Ergebnisse des Erarbeitungsprozesses zum Wohnungspolitischen Konzept abgewartet werden.

Die Plattform “Wohnen bei uns” sieht aktuell keinen Handlungsbedarf in Bezug auf staatliche Eingriffe und Regulierungen am Leipziger Wohnungsmarkt. Der Ruf nach einer Neuauflage des sozialen Wohnungsbaus wird sehr kritisch gesehen. “Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte haben deutschlandweit gezeigt, dass der soziale Wohnungsbau nicht unbedingt eine dämpfende Wirkung auf die Baupreisentwicklung hat.? Oftmals ist sogar das Gegenteil der Fall.”.

Eine Reformierung der Wohngeldregelungen, eine angemessene Ausgestaltung der KdU-Sätze und ein qualifizierter Mietspiegel sind für die Plattform geeignetere Steuerungsinstrumente als der soziale Wohnungsbau. Aus LWB Sicht werden “die Entwicklung und der Neubau befördert, wenn die Stadtverwaltung die schnelle Schaffung von öffentlichem Baurecht und die zügige Baugenehmigungsvergabe unterstützt.” Die Innenstadtlagen sollten in Zukunft nicht mehr mit Stadtvillen, sondern vor allem mit mehrgeschossigen Mietwohnungsneubauten bebaut werden. “Dies würde eine bessere Auslastung der Innenstadtflächen bringen”, erklärt Sachse. Ebenso sei ein Fünftel des Wohnungsbestandes für sozial Schwache vorzuhalten. Dies entspricht rund 7.000 Wohnungen. Tatsächlich verfüge die LWB jedoch in diesem Segment über mehr als 11.000 Wohnungen.

Für den künftigen Umgang mit kommunalen Immobilienvermögen und deren Einsatz für eine sozial verträgliche Wohnungspolitik, sowie bei der Forderung nach Konzeptvergabe unterstützen die Plattformgenossenschaften vollumfänglich die Positionen des Netzwerkes “Stadt für alle”.

In einer Stellungnahme des Netzwerks zur Ergänzung der Eigentümerziele für die LWB heißt es dazu: “Um langfristig günstige Mieten zu sichern und Segregation entgegenzuwirken, braucht die Stadt eigene Liegenschaften, sowohl direkt als Eigentümerin als auch über die LWB sowie die LVV und ihre Tochterunternehmen.” Hierüber können man seitens der Stadt gezielt und effektiv Einfluss auf die Stadtentwicklung ausüben. Diese Möglichkeiten werde bisher fast nicht genutzt.

Für den Erhalt von kommunalem Eigentum sieht das Netzwerk das Erbbaurecht als Garant für den Erhalt vielfältiger Gestaltungsmöglichkeiten bis hin zu Details von Nutzungsart und Bebauung. Die Vergabe von Immobilien dürfe nicht als Mittel zum Stopfen von Haushaltslöchern dienen, sondern soll als strategisches Instrument eingesetzt werden, um langfristig eine sozial verträgliche Stadtentwicklung zu gestalten.

Erste Schritte zum Erhalt von bezahlbarem Wohnraum wurden bereits unternommen. Im März erging ein Stadtratsbeschluss, der die LWB verpflichtete, einen Kernbestand von mindestens 36.000 Wohnungen in Leipzig zu erhalten. Ziel sei es, so der sozialen Segregation in Leipzig entgegenzuwirken. Auch sollen zukünftig die Mieter die Möglichkeit erhalten, ein Kaufangebot im Falle von Verkäufen zu unterbreiten. Ein Lichtblick für Menschen, die gern selbst und gemeinsam mit ihren Hausgemeinschaften über einen Kauf nachdenken.

Hatte doch gerade die LWB über einen längeren Zeitraum viele ihrer Immobilien veräußert und den Altbestand mittels großzügiger Rückbauförderungen reduziert, anstatt dafür zu sorgen, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Bleibt nun nur noch die Möglichkeit die Folgeschäden zu kurieren und darauf zu hoffen, dass die Stadt aus den Fehlern der Vergangenheit ihre Lehren gezogen hat. Ansonsten wird auf den derzeitigen Reurbanisierungs-Boom die erneute Landflucht derer folgen, ohne die Leipzig wesentlich unattraktiver wäre.

www.lwb.de

www.leipzig-stadtfueralle.de

www.wohnen-bei-uns.eu

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