Es ist das Leipziger Kulturdezernat, das sich im Wettbewerb zum Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal gründlich blamiert hat und am Ende sogar noch einen Gerichtsprozess provozierte, den die Stadt weitgehend verlor. Gelernt hat man im Kulturdezernat nichts daraus. Man macht weiter und pflegt seine gekränkten Eitelkeiten. Dazu nutzt man jetzt zwei Anträge von Stadtratsfraktionen. Am Rande der Sitzung des Verwaltungsausschusses gingen zwei Stellungnahmen herum.

Eine davon ist zwar schon im Ratsinformationssystem, erfreut den Besucher aber mit dem Hinweis: Nicht freigegeben. Die Öffentlichkeit will man nicht dabei haben, wenn jetzt alles wieder umgekrempelt wird. Zu Ende ist der Wettbewerb noch nicht. Nach LVZ-Informationen haben Bund und Land ihre Zusage von 6,5 Millionen Euro bestätigt, egal, ob der alte Wettbewerb weitergeführt wird oder ein neuer startet.

Die Linke hatte einen Bürgerentscheid beantragt, der nach LVZ-Informationen vom Verwaltungsausschuss am 1. Juli abgelehnt wurde. Die Grünen hatten eine Verschiebung des Denkmals bis zum 50. Jahrestag der Friedlichen Revolution beantragt. Sie haben den Antrag erst mal wieder zurückgenommen. Aber was will jetzt das so agile Kulturdezernat? Irgendwie schlägt es jetzt mit der seltsamen Begründung, der Stadtratsmehrheit sei ein Standort auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz derzeit nicht vermittelbar, einen Neustart des Wettbewerbs vor. Den Preisträgern sollen ihre Siegerentwürfe abgekauft und damit eine Art Schlussstrich gezogen werden.

Mit den Leuten hätte man ja weiterarbeiten müssen, wenn man – wie vom Oberlandesgericht in Dresden vorgeschlagen – den Wettbewerb mit der alten Jury und einem ordentlichen und transparenten Bewertungssystem wieder aufgenommen hätte beim Stand vor dem Sommer 2013. Aber davor scheint man im Kulturdezernat gewaltiges Fracksausen zu haben, dasselbe, mit dem man im Juli 2013 den Wettbewerb quasi auf den Kopf stellte, weil einige Entscheidungsträger glaubten, der Siegerentwurf sei den Leipzigern so nicht vermittelbar. Diese Leute haben heute noch immer dieselbe Angst. Sie haben sich keinen Millimeter bewegt.

Und als leichtere Variante erscheint ihnen nun, auf den Stand von 2010 zurückzugehen, als die Standortwahl der Stadtverwaltung schon einmal heiß umstritten war. Wenn man sich die damaligen Diskussionen im Stadtrat und die gleich darauf folgende zur Umbenennung des Platzes in “Platz der Friedlichen Revolution” anschaut, dann ist das kein gutes Zeugnis für die eigenständige Willensbildung des Leipziger Stadtrates. Der hat jede Windung und Schleife der lavierenden Verwaltung treulichst mitgemacht. Die Linken haben ab und zu mit ihrer Forderung nach einem Bürgerentscheid dazwischengeschossen. Aber eine Willensbildung jenseits der Verwaltung war nicht sichtbar. Jede Fraktion machte ihres und am Ende konnte die Verwaltung sich ihre Zustimmung ohne Kraftanstrengung organisieren.

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Dass dabei lauter Unfug herauskam, scheint keinem eine Lehre. Dem Kulturdezernat schon gar nicht. Statt das Ehrlichste zu tun, und den begonnenen Wettbewerb mit den strengen Regeln eines Ausschreibungsverfahrens zu Ende zu bringen, will man den Tanz von vorn beginnen – mit neuer Standortsuche, neuem Wettbewerb. Und – mal als Frage formuliert: neuer Trickserei, wenn das Ergebnis wieder ein paar Leuten nicht passt?

Und dieser Stadtrat, der sich das hat gefallen lassen, soll nun nachsitzen, bis der neue vielleicht im Dezember oder Januar seine Arbeit aufnimmt?

Das ganze Dilemma bringt – indirekt – FDP-Stadtrat René Hobusch auf den Punkt, wenn er sagt: “Mit der Zusage des Freistaates Sachsen und dem Bund als gemeinsame Fördermittelgeber, weiter die Fördermittel für ein Denkmal zur Verfügung zu stellen, haben wir nun die große Chance, das verkorkste Wettbewerbsverfahren zu beenden und mit der nötigen Zeit und Geduld dann neu ins Gespräch zu kommen. Gemeinsam sollten nun Bürger, Politik und Verwaltung nach einer neuen Idee für ein Freiheits- und Einheitsdenkmal in unserer Stadt suchen – und zwar als ein nationales und europäisches Denkmal für den Herbst 1989. Dabei sollten wir uns jetzt nicht selbst zeitlich unter Druck setzen. Vielmehr sollten wir uns die Zeit nehmen und sie dem Diskussionsprozess geben, die die Idee braucht. Vorfestlegungen gleich welcher Art helfen dabei niemandem.”

Denn wer erst mal nach einer “neuen Idee für ein Freiheits- und Einheitsdenkmal” suchen muss, der hat keine. Der sollte das Thema wirklich Generationen oder Künstlern überlassen, die mal eine Idee haben. Jetzt erzählt der Wilhelm-Leuschner-Platz genau von diesem Zustand: Eine Stadt, die keine Idee und Vorstellung von dem hat, was sie vielleicht will, will unbedingt ein Freiheits- und Einheitsdenkmal. Das kann nichts werden.

Am 4. Juli nahm nun auch die Leipziger Stadtverwaltung offiziell Stellung zum Verfahrensstand:

Angemessene Würdigung der Ereignisse des Herbstes 1989 im öffentlichen Raum ist weiter Anliegen der Stadt Leipzig

Zur weiteren Verfahrensweise bei der Realisierung des Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmals hat sich die Stadt Leipzig noch nicht abschließend entschieden. Das Oberlandesgericht Dresden hatte mit seiner Entscheidung Ende Februar 2014 unter anderem Verfahrensschritte für den Umgang mit der Weiterentwicklungsphase vorgegeben. Nach einer Information seitens der Stadt zum Stand des Wettbewerbsverfahrens haben Bund und Freistaat Sachsen dies im Mai 2014 zur Kenntnis genommen und der Stadt Leipzig ihre weitere grundsätzliche Unterstützung für eine geeignete Realisierung der angemessenen Würdigung der Ereignisse des Herbstes 1989 im öffentlichen Raum zugesagt. Zum derzeitigen Zeitpunkt haben die Zuwendungsgeber aber noch keine konkrete Förderzusage über das laufende Verfahren hinaus gegeben.

Nunmehr wird die Stadt Leipzig Entscheidungen zum weiteren Vorgehen vorbereiten. Unter anderem stehen dabei auch Anträge aus der Mitte des Stadtrates zur Behandlung an. Die Beschlüsse des Stadtrates werden ausschlaggebend für die weitere Vorgehensweise sein.

Im Ergebnis der im Stadtrat zu treffenden Entscheidungen wird die Stadt Leipzig mit den Fördermittelgebern Bund und Freistaat Sachsen weitere Gespräche führen.”

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