Wohin kommt eine Stadtverwaltung, wenn sie ihre Hausaufgaben nicht macht und die Zeit drüber hingeht? - Unter Druck natürlich. Denn wenn wichtige Probleme - wie das Verkehrsproblem rund um das Sportforum - nicht gelöst werden, dann packen die einzelnen Fraktionen im Stadtrat ihre alten Ideen eben immer wieder auf den Tisch, bis sich die traurige Runde der Bürgermeister zusammensetzen muss und einstimmig einknickt. Mit fauler Begründung.

Über das Verkehrskonzept rund ums Sportforum wird in Leipzig seit 2010 debattiert. Seit 2011 war klar, dass der Fußballclub Rasenball Leipzig dort sein Trainingsgelände bauen darf und dafür 250 Parkplätze am Cottaweg wegfallen würden. 2012 kam so eine Art Konzept zur Abstimmung in den Stadtrat – vollgepackt mit ungelösten Themen und wilden Vorschlägen von allen Seiten. Denn dass der Kfz-Verkehr zu den Fußballspielen von RB Leipzig zum Problem werden könnte, wenn man nicht endlich ein sinnvolles Konzept mit Park-and-Ride-System, Kombi-Tickets, Parkraumbewirtschaftung und vor allem flotten An- und Abtransport mit der Straßenbahn organisieren würde, wäre das Parkchaos garantiert. Übrigens nicht nur zu Fußballspielen. Auch zu Konzerten in Arena und Zentralstadion wird wild geparkt, wo es das 2014 vorgelegte Konzepte erst in Zukunft vorsieht – bis in den Auenwald hinein.

Und die grundlegenden Konzepte sind bis heute nicht umgesetzt. Noch immer wälzt sich der ganze Autoverkehr bis ins Sportforum, verstopft die angrenzenden Viertel.

Doch nicht die Kritik von Grünen und FDP an den fehlenden verkehrsorganisatorischen Lösungen scheint die Stadtverwaltung zu beeindrucken, sondern eher das Murren in der CDU-Fraktion, die seit 2012 eigentlich immer nur eins gefordert hat: mehr Parkplätze. 2012 sattelte sie dabei auf einen Vorschlag des Stadtplanungsamtes auf, das Kraft seiner Wassersuppe angeregt hatte: “Parkplatz Erich-Köhn-Straße: Im Zusammenhang mit der o. g. Rahmenplanung wird vorgeschlagen, als Teilkompensierung der wegfallenden Pkw- und Busstellplätze eine private Fläche für einen Parkplatz zu nutzen. Die ‘Maximalvariante’ des gegenwärtigen Planungsstandes (Stand 14.11.2011) geht dabei von 500 Pkw-Stellplätzen aus, die Minimalvariante von 250 Pkw-Stellplätzen und 6.500 m2 Wald.”

Dumm nur, dass das Gelände nördlich des Straßenbahnhofs Angerbrücke weder den LVB noch der Stadt gehört. Bis heute nicht. Der Privateigentümer sieht gar nicht ein, warum er das Gelände verkaufen soll, damit die Stadt daraus Parkplätze macht. Den Vorschlag machte sich die CDU trotzdem zu eigen und forderte dann einfach mal die Einrichtung des Parkplatzes – 2012 genauso wie 2013. Passiert ist das aus nachvollziehbaren Gründen nicht. Die Stadt muss das Gelände erst mal haben.

Aber was kann man tun, wenn ein Besitzer sich weigert zu verkaufen?Und so hat das Dezernat für Wirtschaft und Arbeit kurzerhand eine Vorlage formuliert, mit der der Besitzer praktisch zum Verkauf gezwungen werden soll: “Bestellung einer Verpflichtungsermächtigung für den Erwerb des Flurstücks 715/8, Gemarkung Lindenau, Erich-Köhn-Straße 7”. Dazu braucht es natürlich ein Votum des Stadtrates. Und so haben denn auch alle anderen Dezernate sich geschlossen hinter den Wirtschaftsbürgermeister gestellt. Und auch noch eine Begründung geliefert, die es in sich hat: Der Parkplatz ist ganz unbedingt notwendig zur “Schaffung von Rahmenbedingungen für Arbeitsplätze” in Leipzig. Mit der Begründung hat man schon den Bau des RB-Trainingszentrums am Cottaweg durchgesetzt.

Im Begründungstext geht man dann noch einmal darauf ein, dass man die Fläche zwar schon mal provisorisch als Parkplatzfläche gedacht hat, aber im Bebauungsplan als unbebaute Innenfläche gelassen hat. Wegen “noch zu klärender Sachverhalte”. Denn wenn das Privatgelände ist, kann die Stadt hier nicht einfach einen Parkplatz planen.

Aber das kann man ja ändern, findet Leipzigs Verwaltung: “Bisherige Kontaktaufnahmen zum Eigentümer des Grundstücks haben gezeigt, dass dieser bislang nicht verkaufsbereit ist. Neben den Bemühungen um einen freihändigen Erwerb, wird deshalb empfohlen, parallel den Bebauungsplan Nr. 384.2 ‘Westlich vom Cottaweg – Südlicher Teilbereich’ zur Satzung zu führen. Damit würde es sich dann um einen öffentlich gewidmeten Parkplatz handeln und eine Enteignung ermöglichen.”

Das dürfte so manchen Grundstückseigentümer in Leipzig vielleicht blass werden lassen: Wenn der Bursche dann also nicht verkauft, wird er also einfach enteignet?

Zumindest will man den Druck auf den Eigentümer so erhöhen, dass er praktisch zum Verkauf gezwungen wird. “Auf Grundlage der aktuellen VE 2014 können lediglich die Kaufverhandlungen aufgenommen werden. Mit Verweis auf den Ratsbeschluss Nr. 2101/2014 vom 18.06.2014, wo unter Ziffer 13 der Niederschrift aufgeführt ist, dass die im B-Plan Nr. 384.2 planungsrechtlich festzusetzenden ca. 250 Besucherstellplätze bis zum 30.06.2015 einzurichten sind, hat ein Ankauf noch im Jahr 2014 bzw. spätestens jedoch Anfang 2015 zu erfolgen. Dies setzt aber zwingend voraus, dass die finanziellen Mittel bereitgestellt und ausgezahlt werden können.”

Was ja wohl auch heißt, dass man das Geld zum Kauf noch gar nicht in petto hat.

So dass auch diese Vorlage wieder so wirkt, als suche man händeringend nach einer schnellen Lösung, wo man sich zu einer großen, konsequenten Verkehrsorganisation rund ums Sportforum nicht durchringen kann. Das riecht geradezu nach einem neuen feurigen Eiertanz zum Thema “Verkehrskonzept Sportforum”. Jeder spielt seine Nee-nee-Rolle. Und am Ende weicht man aus und sucht eine schnelle Lösung auf Kosten eines Grundstücksbesitzers, der eigentlich nicht verkaufen möchte. Und das noch mit dem so gern missbrauchten Ziel der Stadtpolitik: “Schaffung von Rahmenbedingungen für Arbeitsplätze”.

Die Vorlage von 2012 als PDF zum Download.

Die Begründung für die Verpflichtungsermächtigung als PDF zum Download.

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