Schöne Worte fand ja Heiko Rosenthal, Leipzigs Umweltbürgermeister, am Mittwoch, als er mit ein paar Pressevertretern in die Burgaue radelte und dort zeigte, wo er ab 2018 gern bauen möchte. "Für die Stadt Leipzig sind der Erhalt und die Entwicklung des unter Naturschutz stehenden Auwaldes aus stadtklimatischer Sicht, aus Naherholungssicht und als nachhaltiger forstwirtschaftlicher Standort von großer Bedeutung", sagte er.

Und: “Unter dem Motto ,Wertvolle Vielfalt erhalten? versteht sich das Projekt ?Lebendige Luppe? als Beitrag zur Entwicklung einer aktiven, die biologische Vielfalt fördernden Lebensader, die der Stadt Lebensqualität verschafft.”

Nur hat es mit “Vielfalt erhalten” nicht viel zu tun, mit einer nachhaltigen Revitalisierung der Burgaue auch nicht. Und nicht nur in der SPD-Fraktion sorgte sein Fahrradausflug für Verstimmung. Auch die Umweltverbände fühlen sich aufs neue verschaukelt. Eine adäquate Reaktion der Stadt auf ihr im März veröffentlichtes Positionspapier “Lebendige Burgaue?” haben sie bis heute nicht bekommen. Dieses wurde von Leipziger Umweltvereinen und Initiativen, die in der Arbeitsgemeinschaft AULA zusammenarbeiten – darunter NuKLA, BUND-Regionalgruppe Leipzig, NABU-Regionalverband Leipzig und Ökolöwe – erstellt.

Und sie melden sich auch jetzt wieder zu Wort.

“Obwohl das Positionspapier seit März 2014 vorliegt, gibt es bis heute keine offizielle Rückmeldung zu den dortigen Anregungen und Fragen. Auch bei den Gesprächen zwischen AULA und der Stadtverwaltung (Amt für Stadtgrün und Gewässer) sowie beim Auwaldforum im Juli 2014 beschränkte sich die fachliche Diskussion auf die Mitteilung, dass man im Projekt ‘Lebendige Luppe’ das ‘Machbare’ umsetzen wolle.”

Dieses Machbare ist der Punkt, der nun seit über einem Jahr ihre Kritik herausfordert, denn das “Machbare” ist nichts als ein – aus ihrer Sicht fauler – Kompromiss zwischen der Baulust der Sächsischen Landestalsperrenverwaltung, die in der Nordwestaue nicht nur das Nahleauslassbauwerk neu hingeklotzt hat, sondern zuvor auch die Deiche an der Neuen Luppe verstärkt hat, die – und das ist ein Hauptkritikpunkt – ausgerechnet die hochwasserbedürftige Aue vor Hochwassern schützt.

“Ein Dialog darüber, welche Auenrevitalisierungsmaßnahmen darüber hinaus realisierbar oder wünschenswert wären, ist bisher nicht zustande gekommen”, kritisieren die drei Umweltvereine. “Planungen dazu müssen aber jetzt in Angriff genommen werden, da im Projekt ‘Lebendige Luppe’ wichtige Weichenstellungen auch für die künftige Auenentwicklung erfolgen und die dafür notwendigen Fachleute beteiligt sind. Die Naturschutzverbände sind dabei zur Zusammenarbeit bereit, die Stadtverwaltung kann aber nicht aus ihrer eigenen Verantwortung für einen nachhaltigen Auenschutz entlassen werden.”Ihr derzeitiges Fazit zum Projekt “Lebendige Luppe”: Es löst Grundprobleme der Aue nicht.

Dazu stellen sie fest:

“Das Projekt ‘Lebendige Luppe’ selbst definiert sich als ‘Mosaikstein’ der Auenrevitalisierung, welches jedoch die beiden Grundprobleme der Nordwestaue nicht lösen wird:

1. Um der fortschreitenden Austrocknung des Auwaldes entgegen zu wirken, müssen vor allem die Gewässersohle von Neuer Luppe und Nahle und damit das Grundwasser deutlich angehoben werden.

2. Für auendynamische Prozesse und die Entwicklung vielfältiger Biotopstrukturen sind häufige bzw. jährliche Überflutungen mit unterschiedlicher Ausprägung erforderlich.

Wir gehen davon aus, dass bei der ‘Lebendigen Luppe’ in der jetzt konzipierten Form nur geringe Verbesserungen entlang des künftigen Gewässerstreifens zu erwarten sind, ähnlich wie beim 1998 angelegten Burgauenbach. Damit bliebe das Vorhaben weit hinter den Möglichkeiten zurück, die sich bei einer Gesamtbetrachtung des Gewässersystems ergeben würden.

Um bereits im Projekt ‘Lebendige Luppe’ Maßnahmen der Auendynamisierung wirksam einordnen zu können, müssten nach unserer Auffassung die angekündigten erweiterten Modellberechnungen so ausgestaltet werden, dass fundierte Aussagen und Varianten zu Entwicklungsmöglichkeiten in der gesamten Nordwestaue gewonnen werden können.

Ohne Anpassungen der Steuerungen des Leipziger Gewässerknotens, des sogenannten IGK (Integriertes Gewässerkonzept) und des Hochwasserschutzregimes in der Nordwestaue wird es keine spürbaren Verbesserungen für die Aue geben.”

Und wie soll die “Lebendige Luppe” Wasser bekommen? – So, wie angedacht, wird es eigentlich keinen Sinn machen, stellen die drei Vereine fest.

“Die bisher angedachte Wasserzufuhr aus der Kleinen Luppe halten wir für unnötig aufwändig und nicht zielführend. Weil man die Sohlanhebung von Nahle und Neuer Luppe nicht diskutieren möchte, obwohl für die Aue als wesentliche Maßnahme identifiziert, soll nun für die Lebendige Luppe ein neuer Bach kilometerweit zur Burgaue durch den Wald geschlagen werden und dabei Straßen und ICE-Strecke queren. Dies wäre nach dem Kahlschlag an der Kleinen Luppe der nächste große Eingriff in dem dortigen schmalen Auwaldstreifen und brächte im Ergebnis nur einen weiteren Burgauenbach mit geringer Wassermenge und Wirksamkeit hervor.

Bei einer Sohlanhebung der Nahle im Bereich des Nahleauslassbauwerkes wäre dies nicht erforderlich. Zugleich wären so häufigere Flutungen der Burgaue bei kleinen Hochwassern möglich.”

Was also müsste jetzt aus ihrer Sicht passieren, um die Burgaue tatsächlich wieder “auentypisch” zu machen?

“Um eine vitale Auendynamik zu erreichen, ist es nötig, dass nicht nur ein kleines, sondern das Haupt-Fließgewässer direkt mit dem Auwald vernetzt ist. Dies spiegelt sich in der historischen Hydrologie des Leipziger Auwaldes wider, die deshalb stärker als Leitbild Berücksichtigung finden sollte.

Wir können uns sehr wohl vorstellen, die ‘Lebendige Luppe’ als echten Auwaldfluss mit historischen Wassermengen wiederherzustellen und als naturnahes Pendant zur Unteren Weißen Elster zu entwickeln. Die Neue Luppe wäre dann nicht mehr der Entwässerungskanal der Nordwestaue, sondern würde dann ähnlich wie im Leipziger Süden nur noch als Flutrinne dienen, so dass der Hochwasserschutz wie bisher gewährleistet ist.”

Das Positionspapier findet man hier: www.nukla.de/wp-content/uploads/2014/03/1394544669_1.pdf

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