Da waren sich Grüne und Linke sofort einig: So geht es nicht. Man kann demokratisches Engagement nicht einfach abkassieren, bloß weil es die Leipziger Verwaltung nicht schafft, die überholte Gebührensatzung auf einen neuen Stand zu bringen. Getroffen hat es diesmal die Initiatoren des Bürgerbegehrens gegen weitere Privatisierung von städtischem Vermögen. Sie werden zwar nicht mit Sondernutzungsgebühren zur Kasse gebeten - für die Anmeldung ihrer Aktion aber trotzdem: mit 66,50 Euro.

“Anders als eine bewusste Verhinderungstaktik politischer Teilhabe über den Geldbeutel kann die Gebührenforderung an die Initiatoren des Bürgerbegehrens nicht verstanden werden. Hier wird die 89 erkämpfte Demokratie vom Oberbürgermeister Jung (SPD) und Bürgermeister Müller (SPD) mit Füßen getreten. Demokratie darf aber nicht vom Geldbeutel abhängig, sondern muss kostenlos sein”, erklärt Norman Volger, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Stadtratsfraktion von Bündnis90/ Die Grünen, dazu.

“Auch wenn die Verwaltung auf die Rechtmäßigkeit der Gebühren verweist, hilft das nicht weiter, sondern ist im Gegenteil ein Schlag ins Gesicht des gesamten Stadtrates”, geht er noch einen Schritt weiter. Denn der Stadtrat hat längst entschieden, dass derlei demokratisches Engagement in Leipzig nicht abkassiert werden darf. Was nicht nur Initiativen gegen die fortlaufende Privatisierung kommunalen Vermögens betrifft. Aktuell steht die Frage auf der Tagesordnung, ob das Wassergut Canitz der Leipziger Wasserwerke auf Wunsch der Landesdirektion verkauft werden soll oder nicht.

“Wir Stadträte haben gemeinsam im monatelangen Aushandlungsprozess zur Gebührensatzung dezidiert die Kostenfreiheit politischer Stände verlangt. Dem kam die Verwaltung nach und strich die allgemeine Gebühr, um im Gegenzug hinter dem Rücken des Stadtrats eine Verwaltungsgebühr einzuführen”, schildert Volger die Vorgänge. “Dies sorgte in den zuständigen Gremien für reichlich Unmut, so dass ein interfraktioneller Antrag, der die Streichung der Kostenerhebung vorsah, im Dezember vom Stadtrat gegen die Stimmen der SPD beschlossen wurde. – Schon damals verwies die Verwaltung auf die angebliche Unrechtmäßigkeit des Antrags und den reinen Willensbekundungscharakter, um aber gleichsam einen gangbaren Weg vorzuschlagen, der die Änderung der Kostensatzung betreffen würde. Leider hat die Verwaltung seitdem nicht reagiert und beweist mit der Kostenforderung zu Bürgerbegehren, das sie weiterhin nicht gewillt ist, einen Weg zu finden, demokratische Teilhabe zu fördern, sondern zu verhindern. Aber wir Bündnisgrüne haben einen langen Atem, wenn es um die Beseitigung von Unrecht geht und meine Fraktion wird weiter für eine kostenlose Demokratie kämpfen.”

“Lebendige Demokratie und Bürgerbeteiligung erfordert niedrige Zugangsschwellen”, erklärt auch Sören Pellmann, Fraktionsvorsitzender der Linken, zu den publik gewordenen Verwaltungsgebühren in Höhe von 66,50 Euro, die die Bürgerinitiative berappen soll. Pellmann: “Damit wird die ausdrücklich vom Stadtrat gewünschte Kostenfreiheit bürgerschaftlichen Engagements mehr als konterkariert.”In der Ratsversammlung vom 12. Dezember 2012 war auf Initiative der Fraktion Die Linke und von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Antrag A 307 “Änderung der Satzung der Stadt Leipzig über Erlaubnisse und Gebühren für Sondernutzungen an öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen (Sondernutzungssatzung)” ausdrücklich mehrheitlich beschlossen worden, durch die Streichung des § 6 der “SATZUNG der Stadt Leipzig über Erlaubnisse und Gebühren für Sondernutzungen an öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen (Sondernutzungssatzung)” eine derartige Handlungsweise zu verhindern.

“Der Erste Bürgermeister sagte daraufhin zu, dass die Stadtverwaltung dem Rat einen diesbezüglichen Vorschlag zur Änderung der betroffenen Satzungen vorlegen werde, der auch rechtlich vertretbar ist. Da dies bis zum heutigen Tag jedoch noch nicht erfolgt ist, ist aus unserer Sicht der betreffende Passus der Sondernutzung rechtlich bis zur Beschlussfassung einer entsprechende Regelung ungültig. Widerspruchsbescheide der Betroffenen, zu denen wir ausdrücklich auffordern, haben somit große Aussichten auf Erfolg”, stellt Pellmann fest. “Für eine Vereinfachung des Verfahrens fordern wir jedoch die Stadtverwaltung auf, die ergangenen Verwaltungsgebührenbescheide für ungültig zu klären.”

In der Ratsversammlung am 12. Dezember war dem CDU-Stadtrat Ansbert Maciejewski sogar regelrecht die Hutschnur geplatzt, als die Verwaltung eine einfache Lösung blockierte mit der Begründung, das sei rechtswidrig.

Maciejewski erklärte, wie im Ratsprotokoll nachzulesen ist, “er könne es nicht mehr hören. Es komme ihm in letzter Zeit zu häufig vor, dass versucht werde, Anträge aus dem Stadtrat wegzuwischen mit der Begründung, sie seien rechtswidrig. Wenn man dann frage, ob es einen Widerspruch geben werde, werde gesagt, dies werde geprüft. Bürgermeister Müller habe soeben wieder das Gleiche getan. Das Thema sei altbekannt. Vor drei Wochen sei die Wahlwerbesatzung beschlossen worden. Er, Maciejewski, müsse jetzt hören, dass sich der Oberbürgermeister nicht traue, wegen vermeintlicher Rechtswidrigkeit in Widerspruch zu gehen, und das Thema stattdessen zur Landesdirektion schiebe. Er, Maciejewski, fühle sich veralbert.”

Einen Gipfel erreichte die Diskussion in einem kleinen Wortduell zwischen Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) und CDU-Stadtrat Uwe Rothkegel.

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Dies sei das Problem bei diesem Antrag, argumentierte der Oberbürgermeister. Wenn § 6 Abs. 6 ersatzlos gestrichen werde, sei das eine Aufforderung an die Verwaltung, eine Satzung zu erarbeiten, die grundsätzlich auf Verwaltungsgebühren verzichte. Einen solchen Vorschlag aber könne er, Jung, dem Stadtrat nicht vorlegen, heißt es im Protokoll. Anderenfalls würde er gegen Recht und Gesetz handeln, denn die Verwaltung sei verpflichtet, Verwaltungsgebühren zu erheben. Nur in bestimmten Ausnahmesituationen könne wegen Unbilligkeit davon abgewichen werden, beispielsweise in Wahlkampfzeiten oder bei einem Bürgerentscheid. Man dürfe nicht so tun, als ob man das nicht besprochen hätte und als ob man das nicht wüsste.

Uwe Rothkegel erklärte darauf hin, für ihn stelle sich die Frage, ob man einen Verwaltungsvorgang für etwas aufmachen müsse, was kostenfrei sei. So würden Kosten produziert, die er für unnütz halte. Wenn man so denke, könne man alles Mögliche beantragen lassen und für alles Verwaltungsvorgänge aufmachen.

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