Hier hat er nicht gewohnt. Doch er soll schimpfend aus dem Stadthaus am Burgplatz gekommen sein, deshalb ist sein Stolperstein heute hier verlegt worden. Von Justus Finanz Rose, der seinen außergewöhnlichen Vornamen seiner Sinti-Herkunft verdankt, ist überliefert, dass er, aus dem damaligen Polizeirevier kommend, folgende Tirade gerufen haben soll: "Man bewilligt mir keine Unterstützung, obwohl ich eine sterbenskranke Frau zu Hause liegen habe, die von vier Ärzten behandelt werden muss.[...]

Von dem Dritten Reiche habe ich noch nichts Gutes gesehen. Ich bin als Zigeuner ein Mensch von gleichem Fleisch und Blut, werde aber anders behandelt. Wenn wieder ein Krieg losgeht, so bleibe ich hier, ich werde nicht mit hinausgehen und mich für das Vaterland einsetzen.” Am 28. Mai 1936 soll er so geschimpft haben. Eine Wache hatte die Wort später zu Protokoll gegeben.
Wegen Sittenvergehens wurde Rose, der sich offen zu seinen homosexuellen Neigungen bekannte, zu sechs Monaten Haft verurteilt. Es gelang ihm jedoch unterzutauchen und den NS-Staatsapparat immer wieder an der Nase herumzuführen. Gesucht wurde er unter anderem in Berlin, Breslau und Köln. Gefunden wurde er schließlich in Hamburg. Über ein Jahr saß er im Gefängnis, bevor er ins Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar überführt wurde. Auf der Flucht von dort wurde Rose erschossen, am 15. September 1941, im Alter von 38 Jahren.

Über sein Schicksal kann nun buchstäblich jeder Fußgänger am Burgplatz stolpern: Die zehn mal zehn Zentimeter messende Plakette zu Roses Ehren hat der Bildhauer Gunter Demnig in das Pflaster vor dem Stadthaus eingelassen. Roses Stolperstein ist einer von acht neuen, die heute verlegt wurden. Die Patenschaft für seinen Stein hat die Arbeitsgemeinschaft Lesben und Schwule der SPD Leipzig übernommen, dessen Mitglied Oliver Strotze die Umstehenden über Roses Schicksal aufklärte. “Üblicherweise liegen die Steine immer vor der letzten frei gewählten Wohnadresse”, sagte Strotze. “Doch in diesem Fall haben wir uns dafür entschieden, ihn hier, so zentral zu verlegen. Strotze dankte dem Referat für Gleichstellung bei der Stadtverwaltung, dessen Mitarbeiter Roses Leben aufgearbeitet hatten.
Die Stolpersteine, welche die Erinnerung an die Verfolgten des NS-Regimes wachhalten sollen, sind ein gemeinsames Projekt einer Arbeitsgruppe aus verschiedenen Leipziger Vereinen, doch jeder Stein braucht einen Paten. Mit 120 Euro Spende kann man eine Patenschaft übernehmen. Das ist die Summe, welche die Herstellung und Verlegung der Messingtafel kostet. Die Tafel trägt dann die Worte, “Hier wohnte”, und darunter Name, Jahrgang und Schicksal der betreffenden Person. So auch der von Finanz Justus Rose.

www.stolpersteine-leipzig.de

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