Auf Presseanfragen reagiert die HTWK abweisend. Nach innen wird zur Schweigsamkeit aufgerufen. Zu den Begleitumständen der Seminarabsage gegenüber dem Dozenten Mike Nagler möchte man sich öffentlich nicht äußern. Wer von der Presse angefragt werde, soll ausschließlich an die Pressestelle verweisen. Diese gibt die Auskunft "keine Auskunft". In als vertraulich eingestuften Sitzungen und internen Rundschreiben verbreitet das aktuelle Rektorat hingegen Ungereimtheiten, konstruierte Zusammenhänge und Behauptungen, welche nur eine logische Schlussfolgerung zulassen.

Im Versuch eine befristete Lehraussetzung aus dem Jahr 2012/13 zu einer Dauereinrichtung zu machen, ist der Kanzlerin der HTWK, Swantje Heischkel ein “Fehler” unterlaufen. Sie hat ihre Unterschrift unter einen Vertrag mit jemandem gesetzt, den man klammheimlich von der Hochschule fernhalten wollte. Möglichst ohne Angabe von Gründen.

Ein solcher Vorgang gelingt meist nur über informelle Wege und möglichst ohne schriftliche Spuren. So kann man im Nachgang die Version besser anpassen. Wenn es ganz eng wird, bleiben immer noch Behauptungen, vertrauliche Gespräche seien so oder so verlaufen. Schlecht läufts, wenn man doch schriftliche Spuren hinterlässt. Im Fall Mike Nagler wendet sich diese Art des Vorgehens nun gegen die Hochschulleitung, welche sich zunehmend in Widersprüchen verstrickt.

Einen Beschluss, den es angeblich seit 2012 geben soll und der die genauere Begründung zum Ausschluss der Dozententätigkeit Mike Naglers liefern sollte, hat man bis heute nicht vorgelegt.

Nicht Mike Nagler, nicht der Öffentlichkeit und auch intern nicht. Er müsste die Unterschrift von der damaligen Rektorin Renate Lieckfeldt der derzeit kommissarisch geleiteten Hochschule tragen. Ganz offensichtlich gibt es ihn nicht. Er müsste zudem begründen, warum Mike Nagler sich politisch in einer Art betätige, welche zum Wort “Radikalenerlass” passt und den nicht existenten Beschluss bis heute gültig machen würde. Dies schließt mal eben so Extremismus mit ein – ein Vorwurf, welcher auf Mike Nagler nicht zutrifft.

In einem internen Rundschreiben aus dem Prorektorat Forschung, also vom kommissarischen HTWK-Rektor Dr. Markus Krabbes autorisiert, und am 11. Juni 2014 ins passwortverschlüsselte Intranet der Hochschule eingestellt, versucht die Leitung des Hauses es mit einem Kunststück. Man stellt die Tatsachen auf den Kopf und versucht mit den Füßen zu klatschen, um sich schützend vor die Kanzlerin Heischkel und ihre Entscheidung zu stellen, ein bereits laufendes Seminar abzublasen.
Nicht grundlos spricht die Hochschulleitung darin nur noch von einer “Beschlusslage” seit 2012 zu Mike Naglers Lehrtätigkeit an der HTWK. Wörtlich heißt es: “Aus dem Jahr 2012 haben wir an der HTWK Leipzig eine bestehende Beschlusslage, dass das Seminar “Partei ergreifen” mit Herrn Nagler an der HTWK Leipzig im Rahmen des Studium Generale nicht mehr angeboten wird. Dies ist Herrn Nagler bekannt und von allen Seiten gelebte und getragene Praxis.” Statt den Beschluss auf den Tisch zu legen, also der wenig pietätvolle Hinweis auf eine mutmaßlich mündliche “Beschlusslage” einer verstorbenen Rektorin. Welche zudem Nagler ja bekannt sein müsste. Das riecht nach Kafka – die eigentliche Anklage wurde nie verlesen, aber der Prozess läuft bereits seit Jahren.

Zum aktuellen Ausschluss Naglers behauptete man zudem, ein Vertragsabschluss mit Mike Nagler zum Seminar “Partei ergreifen” hätte es eigentlich nicht gegeben. Vielleicht hat man das eigene Exemplar ja verschludert, Mike Nagler jedenfalls kann sein von allen Seiten unterschriebenes Exemplar vorweisen. Und hat es zudem heute, am 20. Juni 2014 ins Netz gestellt. Mike Nagler zu den auf dem Vertrag einsehbaren Abläufen: “Richtig ist, dass der Vertrag von mir am 03.04.2014 unterschrieben, vom zuständigen Bereichsleiter am 11.04.2014 unterschrieben und dann dem Büro der Kanzlerin übergeben worden ist. Dort lag der Vertrag offenbar länger herum und wurde dann am 02.05.2014 von ihr unterzeichnet. Zugestellt wurde mir mein Exemplar des Vertrages aber erst nach dem 28.05.2014 nachdem ich schriftlich darum gebeten hatte. Natürlich ist ein Vertragsverhältnis zustande gekommen. Unabhängig vom Vertrag ist das Seminar auch bereits weit vor dessen Beginn in Publikationen der Hochschule angekündigt worden.”

Die vorzeitige Aufhebung des Vertrages versuchte die Kanzlerin gegenüber Mike Nagler in einem persönlichen Gespräch ebenfalls am 28. Mai zu begründen. Wenig erfolgreich und nicht “im gegenseitigen Einverständnis”, wie es nun die Hochschulleitung wissen will, ging man dabei auseinander. Denn seitdem steht die Frage, warum ein Dozent, welcher 2014 für kein politisches Amt kandidiert, an der HTWK bekannte Lehrinhalte nicht mehr unterrichten darf. Die quasi ungeschriebene Regel der ruhenden Lehrtätigkeit gilt eigentlich nur in Wahlkampfzeiten, wie im internen Schreiben nochmals ausdrücklich bekräftigt wird. Stößt man sich an der Art des Seminars? Davon kein Wort. Nach den unzureichenden Erläuterungen seitens der Kanzlerin ging Nagler nach einiger Überlegung also an die Öffentlichkeit.

Eine schriftliche Begründung für diesen, bildungspolitisch betrachtet, hochbrisanten Ausschluss Naglers vom Lehrbetrieb des Sommersemesters 2014 legte das amtierende Rektorat oder die Kanzlerin bis heute nicht vor. Stattdessen versuchte man es weiter mit Hinterzimmerdiplomatie und einer Mauer des Schweigens. Und mit dem internen Rundschreiben vom 11. Juni, welches erst gestern öffentlich bekannt wurde.

Im Einstieg verkündet der kommissarische Rektor Markus Krabbes nun “hochschulweit” Fakten mitzuteilen. Fakten, welche man in Teilen getrost als Halbwahrheiten bezeichnen darf, denn die bekannten Dokumente stehen einigen Ausführungen entgegen. So heißt es unter anderem, zum Hergang des Vertragsschlusses: “Die Kanzlerin prüfte das Vertragsangebot auf die Einhaltung aller relevanten Vorschriften. Danach konnte kein Vertragsschluss mit Herrn Nagler erfolgen.”
Wieso die Kanzlerin den Vertrag nachweislich abschloss, bleibt hier offen, es wird einfach behauptet, es gab keinen. Ebenso offen, aus welchen Gründen der Vertrag auf einmal nicht mehr möglich sein sollte. Erneut drückt sich die Hochschule hier um eine Begründung für den einseitigen Vertragsabbruch und deutet auf die “politische Neutralitätspflicht”. Ein Vorgehen, welches in jedem solcher Art beendeten Vertragsverhältnis zu Schadenersatzklagen und Begegnungen vor einem Gericht führen kann.

Denn liegen keine triftigen Gründe für eine vorfristige Vertragsskündigung vor, hier also eine aktuelle Kandidatur Naglers um ein politisches Amt oder andererseits verfassungswidriges Verhalten, ist es schlicht Vertragsbruch, welchen die HTWK begangen hat. Weshalb sie einem gordischen Knoten ähnlich suggerieren möchte, es gäbe keinen gültigen Vertrag.

Weiter heißt es in dem Schreiben, welches durch die interne Verbreitung offenkundig dazu dienen sollte, die Reihen unter den Mitarbeitern der HTWK zu schließen: “Die Prüfung erfolgte gerade unabhängig des Ansehens von Personen. Die Vertragsprüfung durch die Kanzlerin dient einzig dem Zweck, auch nur jeden Anschein (partei)politischer Einvernahme an der bzw. durch die Hochschule zu vermeiden. Dies wurde mit Herrn Nagler in einem Gespräch am 28.5.2014 ausführlich und einvernehmlich besprochen. Der kurz darauf von ihm eingeschlagene Weg in die Öffentlichkeit überrascht daher.”

Eine Schutzbehauptung und eine weitere halbe Wahrheit. Dass eine Prüfung eines Vertrages – den es eigentlich nicht gibt – unabhängig von der Person stattfinden würde, ist in einem solchen Vorgang unmöglich. Es geht bei einem Ausschluss eines Dozenten von der Lehrtätigkeit an einer Hochschule um eine Person und konkrete Vorwürfe. Nimmt man den zweiten Satz der Konstruktion ernst, dürfen sich alle Mitglieder von Parteien oder anderen politischen Organisationen an der HTWK ab sofort warm anziehen – es weht ein eiskalter Wind politischer Früherkennung aus dem Kanzlerinnenzimmer durch alle Arbeitsverträge und Vereinbarungen. Denn eine direkte Begründung für diesen Schritt gegenüber Nagler hat das Rektorat damit wieder nicht genannt. Ab wann also politische Betätigung zum Rausschmiss führt, wird an der HTWK offenbar beim gemeinsamen Kaffeetrinken zwischen den beiden Prorektoren Dr. Gerhard Hacker und Dr. Markus Krabbes sowie final durch Dr. Swantje Heischkel im Kanzlerinnenzimmer entschieden.

An den letzten beiden Sätzen des Auszuges stimmen vermutlich nur das Datum und die Überraschung. Wäre man einvernehmlich auseinander gegangen, hätte Mike Nagler wohl kaum den durchaus auch für ihn gefährlichen Schritt an die Öffentlichkeit gewählt. Der Satz dient lediglich der Diskreditierung eines Teilnehmers eines vertraulichen Gespräches – es sei einvernehmlich verlaufen, unterstellt Nagler mal eben ein Zwiegesicht, also Unehrlichkeit. Erst ist er entgegen jeder menschlichen Erfahrung ganz und gar einverstanden mit dem Ende des Seminars und dann greift er die Hochschule an? So möchte man es offenbar gern sehen.

Will man die Motivation der Veröffentlichung des Vorganges durch Nagler wirklich begreifen, stellen sich wohl andere Fragen: Welche Hochschule mag schon “Querulanten”? Gewohnt ist man da eher Unterordnung unter die Entscheidungen von höchster Stelle – alles andere kann der Hochschulkarriere durchaus schaden. Dass das Rektorat über den Schritt überrascht war, hat wohl eher mit der sonst gültigen Machtgewichtung zwischen einem Rektorat, einer Kanzlerin und den Dozenten und Studenten zu tun. Wer legt sich schon um den Preis der eigenen Karriere mit der Hochschulleitung an, wenn es noch andere Wege gibt? In diesem Fall gab es also logisch schließend Ende Mai keinen Weg mehr – die Kanzlerin hatte Nagler lediglich mitgeteilt: Entscheidung steht fest, auf Wiedersehen. Begründung? Es gäbe da einen Beschluss aus 2012, aber den zeige ich Ihnen nicht. Für eine vorfristige Vertragsaufhebung ziemlich wenig, auf einen Beschluss aus einer Zeit zu verweisen, in welcher sich Nagler auf eine Bundestagskandidatur vorbereitete.

Am Ende gibt sich die von Rektor Krabbes autorisierte Verhaltensbeschreibung der Hochschule fast ein wenig gönnerhaft. Denn obwohl man erst den Eindruck erweckt, es gäbe kein Vertragsverhältnis und so suggeriert, Nagler hätte ohne Vertrag den ersten Tel des Seminars abgehalten, habe man ihn selbstredend für die unbestellte Tätigkeit entlohnt. “Die Abrechnung der erbrachten Leistungen mit Herrn Nagler durch die Hochschule ist erfolgt.”

Juristisch sieht die Sache wohl eher so aus: Auch der zweite Teil des vertraglich vereinbarten Seminars steht ohne die fehlende konkrete Begründung der Aufhebung des Vertrages nun zur Honorierung an. Und findet man weiterhin keine Lösung des eigentlichen Problems, dürfte die Sache neben der bereits laufenden parlamentarischen Anfrage an das zuständige Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (SMWK) im sächsischen Landtag wohl eine Begegnung vor Gericht nach sich ziehen. Da mag man bekanntlich Fakten, die aufgeschrieben und unterzeichnet sind.

Ein klärendes Gespräch wäre nach wie vor eher angebracht, eine Übersendung des Beschlusses von 2012 und einer Begründung wohl ebenso.

Noch gibt man sich übrigens auch beim Ministerium in dieser Woche auf L-IZ-Anfrage ahnungslos und wortkarg. Man gehe aber davon aus, dass es kein nachvollziehbares Vertragsverhältnis zwischen HTWK und Mike Nagler gäbe, so Pressesprecher Karltheodor Huttner. “Es liegen keine Informationen vor, aus denen sich eindeutig ergibt, dass es überhaupt zu einer Lehrvereinbarung gekommen ist, so dass die Frage nach einer Aufhebung nicht beantwortet werden kann”, so Huttner auf L-IZ-Nachfrage. Auf den schriftlichen Hinweis zum vorliegenden Vertrag seitens der L-IZ.de verstummte man anschließend ganz in Dresden.

Hübsch zu lesen deshalb auch der Schlusssatz des internen HTWK-Rundschreibens vom 11. Juni: “Sollten Sie dazu von Außenstehenden angefragt werden, verweisen Sie bitte auf die Pressestelle, die alle Anfragen von außen zu diesem Thema beantwortet.”

Nein, tut sie bis heute nicht, die gestellten Fragen sind offen. Aber die Mauer zeigt erste deutliche Risse.

Zur Seite von Mike Nagler im Netz
www.mike-nagler.de

Zur HTWK im Netz
www.htwk-leipzig.de
Die Informationen des Rektorates zum Offenen Brief als PDF zum download.

Der HTWK-Vertrag über die Vortragstätigkeit als PDF zum download.

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