Öffentlich äußern möchte sich HTWK-Kanzlerin Swantje Heischkel zur Causa Mike Nagler offenbar auch nach der gestrigen Sitzung des Hochschulrates nicht. Das Thema Nagler war nach L-IZ-Informationen auf der Tagesordnung, die Kanzlerin anwesend. Hinter den Kulissen rumort es längst mächtig. Während sich die Verantwortlichen der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur ausschweigen, melden sich andere zu Wort. Unter ihnen die Ver.di-Verantwortliche für Sachsen und Cornelius Weiss. Immerhin ehemaliger Rektor der Universität Leipzig und heutiges Mitglied des Verwaltungsrates der HTWK.

Behauptete gestern HTWK-Sprecher Stephan Thomas noch, man sei mit Mike Nagler im Gespräch, ist von einer Klärung – über einen Monat nach der telefonischen Aussetzung des Seminars von Nagler – bislang nichts zu hören. Es soll eine Entscheidung speziell zur Person Mike Nagler geben, in welchem das Rektorat des Jahres 2012 festlegte, den Dozenten nicht mehr zu Lehrveranstaltungen zuzulassen. Die damalige Rektorin hieß Renate Lieckfeldt und ihr Beschluss entfaltet bis heute seine seltsame Wirkung. Geheim darf man ihn jedenfalls nennen, denn Mike Nagler liegt er nicht vor. Nebulös also auch die bislang mündliche Begründung, welche fast wie aus den 70ern klingt.

Es ginge hier um die “politische Neutralität der Hochschule”, mehr ist bislang nicht zu erfahren. Bis dato kann man konstatieren, wenn schon ein Nicht-Parteimitglied wie Nagler solche Ansagen bekommt, sollten manche Dozenten allmählich ins Grübeln kommen, ob sie für einen Lehrauftrag an der HTWK noch das richtige Parteibuch in der Tasche haben. Oder inwieweit sie sich gesellschaftlich auch außerhalb der Hochschule einbringen oder einbrachten. Um für den Anfang nur zwei zu nennen: Martin zur Nedden (SPD, ehemaliger Baudezernent Leipzigs) und Leonhard Kasek (B90/Die Grünen).

Ist dies die neue Richtung an der HTWK, könnte bald ein neuer Muff von tausend Jahren unter den Talaren Einzug halten, denn dann wird an der Karl-Liebknecht-Str. 132 offenbar willkürlich aussortiert.
Mittlerweile ist auch die Gewerkschaft ver.di auf den Fall aufmerksam geworden und meldet sich heute deutlich zu Wort. Telefonisch sei Nagler am 9. Mai 2014 mitgeteilt worden, so die Mitteilung von ver.di, dass seine für das Sommersemester geplanten Lehrveranstaltungen für das “studium generale” trotz eines unterzeichneten Vertrages und, möchte man hinzufügen, 20 bereits gehaltenen Stunden, aus dem Programm genommen wurden. Auf seine Frage nach den Gründen hätte ihm die Kanzlerin am 28. Mai in einem auf Naglers Veranlassung zustande gekommenen persönlichen Gespräch erklärt, der Rauswurf hätte nichts mit dem Inhalt seiner Lehrveranstaltungen zu tun.

Womit also dann?, fragt die ver.di-Landesfachbereichsleiterin für Bildung, Wissenschaft und Forschung Anne Voß: “Hat sich tatsächlich die Hochschule auf diese Weise eines politischen Querdenkers entledigen wollen? Damit verstieße sie dann wohl gegen Artikel 5 des Grundgesetzes, der die Meinungsfreiheit und die Freiheit von Forschung und Lehre schützt.”

Was die Hochschulleitung zu dieser Frage zu sagen hat, ist auch nach der Sitzung des Hochschulrates am gestrigen 11. Juni unklar. Dass man sich seitens des Rektorates wegduckt, wird jedoch immer deutlicher.

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Weshalb Voß noch eine Schippe drauflegt. “Oder gab es gar eine Anweisung `von oben`, politisch Unliebsame zu entfernen? Das wäre nicht nur empörend, sondern ein Skandal.”. Ver.di habe überdies auch Hinweise darauf, dass dies kein Einzelfall sei. Doch genau an Nagler wird sich wohl die Frage festmachen, wie die HTWK mit Lehrkräften umgeht, welche sich zwar offensichtlich an die Spielregeln der Hochschule halten, aber irgendwem nicht ins Konzept passen. Herhalten soll dazu eine Verwaltungsvorschrift, welche man versucht gegen den Artikel 5 des Grundgesetzes in Stellung zu bringen.

Ver.di erwarte nunmehr von denen, die diese Entscheidung getroffen haben, Transparenz und Aufklärung über die Gründe und Motive. Und fordert, die Entscheidung selbst unverzüglich zu revidieren.

Auch im Hochschulrat zeigen sich mittlerweile deutliche Risse. Derzeit steht im Raum, dass mit Cornelius Weiss ein heutiges Mitglied im Hochschulrat gedroht haben soll, seinen Posten wegen dieser Vorgänge niederzulegen.

Zum Thema Druckaufbau durch solche Ankündigungen sei für Cornelius Weiss aktuell vor allem zu sagen: “Es gibt eine Freiheit von Lehre und Forschung. Gilt dies nicht mehr, entsteht Angst. Angst unter den Beschäftigten führt zur Selbstzensur, womöglich erfahren wir bestimmte Forschungsergebnisse nicht mehr. Erkenntnisse, die den jeweils gerade Mächtigen nicht gefallen, könnten unterdrückt werden. So erzieht man Untertanen.”

Das Vorrecht der Unschuld bis zum Beweis des Gegenteils gelte natürlich immer auch für die HTWK, so Weiss – hier also das Rektorat und die Kanzlerin. Er hoffe ausdrücklich, dass sich die entsprechenden Verantwortlichen öffentlich zu diesen Vorgängen erklären werden.

Auch er will nun als Mitglied des Hochschulrates den schriftlichen Beschluss von 2012 sehen, um den Vorgang bewerten zu können. Auf Nachfrage der L-IZ ist Cornelius Weiss bereit, sich bald ausführlich zum Gesamtkomplex Freiheit von Lehre und Forschung sowie die Frage nach dem Sinn dieser grundgesetzlichen Regelung zu äußern. Denn es ginge um mehr als “nur” Mike Nagler. Was zurück zum Vorwurf der Druckausübung durch Rücktrittsankündigungen vor dem Hintergrund der Freiheit von Lehre und Forschung führt.

Darin ist der ehemalige Uni-Rektor sehr deutlich: “Was soll ich in einem Gremium einer Hochschule, die diese Grundlagen nicht mehr beachtet?”

Zur Vita von Cornelius Weiss
http://de.wikipedia.org/wiki/Cornelius_Weiss

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