Es geht den Forschern wie den Leuten. Am 12. August 2017 beging Gohlis den 700. Jahrestag seiner ersten – heute bekannten – urkundlichen Erwähnung. Aus diesem Anlass wurde auch eine Festschrift veröffentlicht. Eigentlich geplant als so etwas wie das neue Standardwerk zu Gohlis. Aber die Autoren waren am Ende selbst unzufrieden mit dem Ergebnis. Es fehlte spürbar eine Menge. Jetzt wird gesammelt.

„Seit 2015 hatten sich Interessierte zusammengefunden, um die unterschiedlichen Facetten der Gohliser Geschichte zu beleuchten. Sie orientierten sich vor allem an ihrer individuellen Interessenlage, so dass vorauszusehen war, dass deshalb nicht alle Bereiche der Gohliser Geschichte Berücksichtigung finden würden“, berichten dazu Ursula Hein und Matthias Judt auf der Homepage des Bürgervereins Gohlis. „Das 2017 in zwei Auflagen erschienene Buch ‚700 Jahre Gohlis‘ musste also unvollkommen bleiben.“

Man merkt, wie es sie grämt. Zwei Jahre sind nicht wirklich viel Zeit für so ein Projekt. Aber dabei soll es nicht bleiben. Die Lücken in der Aufarbeitung der Gohliser Geschichte sind zu groß.

„Von den 700 Jahren Gohlis, die im Buch angesprochen wurden, waren es vor allem die letzten 100 bis 150 Jahre, die die Aufmerksamkeit der Autorinnen und Autoren gefunden hatten“, erzählen Hein und Judt. „Dabei fällt jedoch folgendes auf: Das 19. bis 21. Jahrhundert wurde vor allem unter dem Gesichtspunkt der Baugeschichte und der (eher Technik-)Geschichte einzelner Unternehmen abgehandelt. Die politische Problematisierung gerade dieses Zeitraums wurde indes vermieden: Es kostete Mühe, Ereignisse wie den 17. Juni 1953, die Friedliche Revolution von 1989/90 und andere markante Wendepunkte – auch der Gohliser Geschichte – überhaupt in das Werk hineinzubringen.“

Denn natürlich ist das erst einmal alles ehrenamtliches Engagement. Manch ein Geschichtsinteressierter hat sein Steckenpferd. Dafür bleiben oft Themen, die auch Nicht-Ortsansässige sehr interessieren, unbeachtet liegen.

Es lag also nahe, die Arbeit zu ergänzen und – online-gestützt – fortzusetzen.

Und zwar als „work in progress“ und für Besucher der Website jederzeit einsehbar: „Gohlis in Geschichte und Gegenwart“.

Einige Texte sind dort schon einsehbar. Und da man keinen Zeitdruck hat, kann man sich jetzt auch Facetten der Ortsteilgeschichte zuwenden, die in der Chronik nicht vorkamen. „Die Internetausgabe wendet sich zudem stärker in der Druckausgabe wenig oder gar nicht beleuchteten Themen zu: Das Schicksal jüdischer Unternehmen im Nationalsozialismus und die Deportation deutscher Familien jüdischen Glaubens werden beleuchtet. Beides ist in der Druckausgabe zu kurz gekommen. Es geht aber ebenso um die Beschreibung und Bebilderung des Alltags im Nachkriegs-Gohlis, sowohl unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkrieges als auch in der DDR und in der Bundesrepublik“, so Ursula Hein und Matthias Judt.

Und mitarbeiten an diesem Online-Lexikon darf jetzt jeder, der Gehaltvolles beizutragen hat.

Dazu lädt der Bürgerverein Gohlis jetzt mit der Präsentation des Online-Lexikons zur Stadtteilgeschichte ein. Interessierte Bürgerinnen und Bürger können hier Beiträge rund um die Geschichte, die Kultur oder die Architektur von Gohlis einsehen.

„Die Präsentation ist noch in Arbeit und daher noch nicht vollständig – Ziel ist es, das Online-Lexikon ständig um neue Beiträge und Themenbereiche zu erweitern“, teilt der Verein mit. „Alle interessierten Bürgerinnen und Bürger sind daher aufgerufen, sich mit Ideen, Themen oder selbst verfassten Beiträgen einzubringen.“

Die Stadt Leipzig fördert das Online-Lexikon als Projekt.

Kontakt findet, wer mitmachen will, unter ortslexikon@gohlis.info oder Tel. 0341 20018556.

Und wenn es dem Verein 2018 gelingt, eine dritte Auflage der Ortschronik herauszubringen, sollen die Verbesserungen aus dem Online-Lexikon möglichst mit einfließen.

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Es gibt 2 Kommentare

Zitat: “Aber die Autoren waren am Ende selbst unzufrieden mit dem Ergebnis.” Vielleicht ist Frau Hein unzufrieden, sicher aber Herr Judt. Doch die große Mehrheit der Autoren ist es keineswegs. Natürlich kann ein ehrenamtlich von unbezahlten freiwilligen in recht kurzer Zeit erstelltes Buch nicht so umfassend und vollständig sein, wie ein professionelles Lexikon. Aber diese Behauptung von Euch oben ist ein Schlag ins Gesicht des Redaktionsteams und aller Autoren, die ganz nebenbei auch die Finanzierung gestemmt haben, bevor das Buch gedruckt werden konnte. Die beiden ersten Auflagen sind bis auf wenige Exemplare verkauft, das was das aussagt, denke sich bitte jeder selbst. Jedenfalls sollen plötzlich, für die dritte Auflage, alle Autoren Verträge unterschreiben, wenn sie es nicht tun, gibt es keine dritte Auflage.
Schade, daß solche schönen Projekte durch irgendwelche Querelen zerschossen werden.

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