Ostern liegt gerade vier Wochen zurück. Und es war wie alle Jahre: Die Spritpreise an den Tankstellen erreichten Rekordhöhen. Die Zeitungen fürs spritversoffene Volk feierten "Spritpreiswahnsinn"-Orgien und suchten wieder Schuldige. Und Politik und Verbände dachten über neue Instrumente nach, die Heimtücke zu stoppen, die da scheinbar wieder am Werke war.

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) stampfte die Idee einer Markttransparenzstelle aus dem Boden. Die soll nun “in zwei wichtigen Bereichen eine laufende Marktbeobachtung” übernehmen”, teilte das BMWI mit. “Sie erhält zum einen wegen der unbefriedigenden Wettbewerbssituation auf den Kraftstoffmärkten die Aufgabe, die Ein- und Verkaufspreise für Benzin und Diesel zu erheben und auszuwerten.”

Das Wort “unbefriedigenden Wettbewerbssituation” macht hellhörig? Aber ist das die Ursache für die steigenden Spritpreise?

Bundesminister Rösler verstieg sich sogar zu der verblüffenden Aussage: “Den Ärger der Autofahrerinnen und Autofahrer über das Auf und Ab der Benzinpreise kann ich sehr gut nachvollziehen. Es ist für sie überhaupt nicht mehr ersichtlich, wie die Preise zustande kommen.”

Entweder liest er tatsächlich nur noch die eine Zeitung, die sich für die Gründe solcher Preisentwicklungen prinzipiell überhaupt nicht interessiert. Oder sollte – das wäre dann wirklich ratsam – seinen Redenschreiber feuern.

Das Gesetz zur Markttransparenzstelle soll noch in diesem Jahr in den Bundestag und auch noch in diesem Jahr in Kraft treten. Technisch ist das möglich. Das bestätigt auch die Firma MicroStrategy, die sich als weltweiter Anbieter in der Business Intelligence-Technologie auskennt. Die Datenmengen, die auf den Märkten auflaufen und die Preisentwicklungen im Tankstellennetz sind praktisch in Echtzeit abbildbar. Bernhard Webler, Vice President MicroStrategy for Retail Solutions, dazu: “Ich kann die Befürchtungen zerstreuen: Für moderne Business Intelligence-Systeme stellt die Echtzeit-Analyse von Informationen im Terabyte-Bereich kein Problem dar. Diese können in Sekundenschnelle ausgewertet, grafisch visualisiert und aufbereitet ausgegeben werden.”

Sogar auf einer Deutschland-Karte mit Tankstellennetz könnten sie in Echtzeit dargestellt werden.

Nur werden die von ihrer Zeitung aufgescheuchten Autofahrer dabei merken, dass sich gar nichts ändern wird. Etliche Zeitungen veröffentlichen heute schon die Tanzstellenpreise in ihrer Region. Die Tankstellenpächter lesen’s und reagieren sofort. Das ist Wettbewerb: Man reagiert immer und so schnell wie möglich auf die Preise der Konkurrenz.

Und der Rest? – Auch der ist nicht, wie Rösler meinte, “nicht ersichtlich”. Im Gegenteil. Er braucht nur im Statistischen Bundesamt anzurufen, da wird man ihm erzählen, wie straff und kontinuierlich die Preise steigen. Das Zittern, das manche da noch sehen, sind die leichten Schwankungen der Preise auf dem Markt. Dass der Bevorratungs-Tank vor Ostern, den sich die meisten deutschen Autofahrer zulegen, bevor sie sich in die Osterstaus einreihen, selbst dazu führt, dass der Sprit in europäischen Lagern knapp – und deshalb kurzfristig teurer wird – kann man diesen Leuten wahrscheinlich jedes Ostern erzählen, sie werden es nicht wahrhaben wollen.

War ja auch im Mathematik-Unterricht nicht dran: Was passiert, wenn 20 Millionen Autofahrer schnell noch einmal den Tank füllen, bevor es in den Osterurlaub geht? – Bleiben die Preise gleich? Steigen sie? Oder fallen sie sogar?

Die Antwort ist an der Tanksäule zu lesen.

Natürlich: Völlig unbegreiflich.Nach den Urlaubstagen, wenn sich die deutschen Autofahrer in den Staus gut erholt haben, sinkt der Preis in der Regel wieder auf das Niveau vor den Feiertagen. Und dann? – Dann steigt er in aller Ruhe und ohne größere Sprünge weiter. Bis zu den nächsten Ferien.

Nur einmal in den letzten 20 Jahren gab es tatsächlich einen wahrnehmbaren Preisverfall bei Diesel und Benzin – das war vom Juli 2008 bis zum Januar 2009, als die Weltfinanzkrise auch kurzzeitig zu einer Weltwirtschaftskrise wurde und alle großen Volkswirtschaften ihre Produktion drosselten. Was auch bedeutete: Der Ölverbrauch weltweit ging drastisch zurück. Logische Folge: die Preise fielen. Bis zum April 2009. Da merkte dann auch der sächsische Taxifahrer wieder, dass die Weltwirtschaft sich wieder berappelte.

Seit April 2009 steigen die Spritpreise wieder und liegen mittlerweile über den Rekordmarken von 2008. Das Superbenzin liegt vom Preis her schon seit April 2011 drüber, der Diesel seit März 2012. Kraftstoffe sind mittlerweile 41,4 Prozent teurer als noch 2005.

Und wer da immer noch glaubt, die fünf großen Tankstellen-Konzerne seien schuld, der kann auch auf seine Heizkostenrechnung gucken. Heizöl ist mittlerweile 71,3 Prozent teurer als noch 2005. Strom übrigens 43,9 Prozent.

Da kann man den Markt in Echtzeit überwachen, es ändert nichts an der Tatsache, dass die weltweiten Ölvorräte zur Neige gehen und die Ölförderung immer aufwendiger und teurer wird. Was sich auch im Preis niederschlägt. Der Autofahrer wird auch in den nächsten Jahren erleben, dass der Spritpreis weiter klettert. Es ist nur die Frage: Wann ist die Schmerzgrenze erreicht?

Der Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft (BVMW) hat ja als Rettungsanker vorgeschlagen, schnell mal die Pendlerpauschale zu erhöhen – von 30 auf 40 Cent pro Kilometer. Womit ein Teil der steigenden Kosten wieder da landet, wo man ihn gerne ablädt: beim Steuerzahler – und damit auch wieder bei all denen, die gar kein Auto fahren.

All die emotionale Energie, die Jahr für Jahr, Urlaub für Urlaub dafür verwendet wird, sich Rezepte gegen die steigenden Spritpreise auszudenken, könnte und sollte wohl besser darauf verwendet werden, Konzepte für eine Mobilität ohne Öl zu entwickeln. Selbst wenn Öl noch bis 2030 einigermaßen ausreichend zur Verfügung stehen sollte, werden die Endverbraucherpreise in den nächsten Jahren so weit steigen, dass alles Lamentieren am Zapfhahn nichts mehr nützt: Bodo Normalverdiener wird sich den teuren Saft nicht mehr leisten können. Er wird zum Umsteigen gezwungen auf eine andere Antriebsart oder ein anderes Verkehrsmittel.

Es ist nur noch eine Frage der Zeit. Und die von Philipp Rösler gewünschte Markttransparenzstelle könnte dazu Feindaten liefern, über die sich echte Wirtschaftswissenschaftler richtig freuen werden.

Der Wunsch des Wirtschaftsministers: www.bmwi.de (http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Presse/pressemitteilungen,did=487402.html)

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