Sie steigen und steigen. Jetzt ist es Sturm "Isaac", der nach Meinung der üblichen Flüstertüten den Benzinpreis auf neue Rekordhöhen treibt. Die Lobbyisten quäken wieder: Senkt die Benzinsteuern. Dabei war das absehbar. Spätestens seit 2008, als erst die Benzinpreise explodierten und dann die Finanzmärkte. Der kostbare Rohstoff wird immer knapper. Aber auch in Deutschland glaubt man, man könne demografische Probleme mit Benzin lösen. Jetzt ruft die Caritas Alarm.

Denn die steigenden Benzinpreise setzen auch die ambulanten Pflegedienste zunehmend unter wirtschaftlichen Druck. Die Caritas im Bistum Dresden-Meißen fordert deshalb, dass der Staat seine Rolle als Wettbewerbshüter stärker wahrnehmen muss, um unbegründete Preisausschläge zu verhindern.

Wer jetzt geneigt ist, einen Wecker per Einschreiben nach Dresden zu schicken, wo der Caritasverband seine Geschäftsstelle hat, sollte es tun.

Natürlich sinkt der Preis für den Liter Benzin, wenn staatliche Aufschläge gestrichen werden. Vorübergehend. Das mit den “unbegründeten Preisausschlägen” aber ist wohl eher ein Märchen, das auch gern von einigen Autolobbyisten verbreitet wird. Selbst der Wirtschaftsminister glaubt ja, dass man das undurchsichtige Treiben der Tankstellenbetreiber kontrollieren müsse.

Es ist aber nicht undurchsichtig. Es hat nur mit einem Phänomen zu tun, von dem alle reden, aber auch die selbsternannten Wirtschaftsexperten in der Regel keine Ahnung haben: dem Markt. Preise für jegliche Ware bestimmen sich nach ihrer Verfügbarkeit. Wird die Ware knapper, steigt der Preis.

Seit 2005 sind Kraftstoffe in Sachsen um 33,7 Prozent teurer geworden. Das knapper werdende Öl ist der Preistreiber Nummer 1. Die Gesamtinflationsrate lag in dieser Zeit nur bei 14,1 Prozent.

Zu spüren bekommen das natürlich zuallererst jene, die schon wegen ihres Berufes täglich größere Strecken mit dem Auto unterwegs sein müssen. Zum Beispiel die fleißigen Schwestern von den Pflegediensten, die überall im Land für die pflegebedürftigen Älteren, die nicht in ein zentrales Heim umziehen wollen, ein Leben in den heimischen vier Wänden ermöglichen. Das ist ein großes Stück Lebensqualität.

Trotzdem nimmt die Frage immer mehr Raum ein: Wer bezahlt den Sprit?

Oder vielleicht noch deutlicher gefragt: Wie wird die Mobilität der Pflegekräfte auch morgen und übermorgen abgesichert, wenn der Sprit nur noch für ganz Reiche bezahlbar sein wird? Und das wird wohl nach allem, was man am Horizont so sieht, weit vor dem Jahr 2030 so sein, wenn auch das heutige Förderniveau beim Erdöl nicht mehr gewährleistet ist.Die derzeitige Entwicklung würde für viele Dienste immer mehr zur Belastung, sagte Caritasdirektor Matthias Mitzscherlich am Montag, 27. August, in Dresden. Also rief er die Krankenkassen dazu auf, die Leistungsentgelte in Sachsen zu erhöhen. “Die Benzinpreise sind seit dem Jahr 2002 um 65 Prozent gestiegen, Diesel um 80 Prozent.” Pauschale Beträge zur Finanzierung der Fahrtkosten seien im Freistaat nicht vorgesehen. Besonders für Pflegedienste im ländlichen Raum, wo weite Fahrtstrecken zurückzulegen seien, sind nach den Worten Mitzscherlichs die Kostensteigerungen spürbar.

Auch der Verband Katholischer Altenhilfe Deutschlands (VKAD) rief zur Senkung der Kraftstoffpreise auf.

Man sieht die Herren geradezu vor sich, wie sie auf dem Marktplatz stehen und rufen.

“Da sie die Patienten und Patientinnen zu Hause versorgen müssen, haben ambulante Pflegedienste keine Alternative zum Auto”, meint VKAD-Vorsitzender Hanno Heil. “Sie können die hilfebedürftigen Menschen ja nicht sitzen lassen, nur weil die Benzinpreise explodieren!”

Obwohl in einigen Bundesländern Pflegedienste und Krankenkassen für die Fahrten zu den Patienten pauschale Beträge vereinbart haben, sind diese jedoch nach Berechnungen von Mitgliedern des VKAD wegen der steigenden Kraftstoffkosten bei weitem nicht mehr kostendeckend. “Wir fordern die Kostenträger daher auf, die Kostensteigerungen zu berücksichtigen und mit den Trägern ambulanter Pflege Erstattungspauschalen zu vereinbaren”, so Heil.

Wenn das Gebet erhört wird, heißt das nur, dass demnächst wieder die Kassenbeiträge steigen. Die Kassen sollen es ja bezahlen. Was dann schon einen gewissen Witz hat: Dann wird mit Kassenbeiträgen das falsche Denken in Sachen Mobilität honoriert. Eine neue Kostenspirale wird aufgemacht.

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Tatsächlich können auch Caritas & Co. im Jahre 2012 der Diskussion nicht mehr ausweichen, wie sie die Mobilität der Pflegedienste sichern, ohne schon wieder auf das Portemonnaie anderer Leute zuzugreifen. Nachzudenken wäre über Elektromobilität, Erdgasautos, ein gemeinsames Streckenmanagement aller Pflegedienste.

Die Lösungen müssen im System selber gefunden werden. Da könnte eine Regierung, die jeden Tag von demografischen Entwicklungen schwätzt, die Kommunen aber mit den Sorgen allein lässt, durchaus einmal mit-denken. In Sachsen glaubt man ja wirklich, man sei bei der Bewältigung des Problems Vorreiter. Aber wohin man schaut: Es gibt nicht einmal den Ansatz eine Konzeptes.

Und eines ist sicher: Die Benzinpreise werden weiter steigen. Wer auf dieses Pferd setzt, hat schon aufs falsche gesetzt.

www.caritas-dicvdresden.de

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