Die Krise ist längst da. Und sie ist hausgemacht. Die Blitz-Merker aus der großen Finanzberichterstattung feiern noch, als hätten sie seit 2001 nichts dazugelernt, die Höchststände an den Börsen, die neuen Rekorde bei DAX und Dow Jones. Aber diese Rekorde künden nur von Einem: dass der Wurm schon im System steckt. Die Anleger sind ratlos. Unter anderem, weil europäische Sparpolitik gerade einen kompletten Wirtschaftsraum demoliert. Das bekommen auch Sachsens Unternehmen zu spüren.

Die Meldungen aus dem Statistischen Landesamt sind seit geraumer Zeit sehr verhalten. Am Montag hat man noch ein bisschen Jubel verbreitet mit einer nachgereichten Meldung für das Jahr 2011: “Umsätze sächsischer Unternehmen erreichten 2011 neuen Höchstwert”. Das war das Jahr von Fukushima und die sogenannte Troika hatte in Griechenland, Portugal und Spanien noch nicht ihre Erfüllungsgehilfen an die Macht gebracht. Klingt jetzt etwas überzogen – immerhin standen in allen drei Ländern augenscheinlich demokratische Wahlen hinter den Machtwechseln.

Aber Wirtschaft ist längst auch ein öffentliches Hasardspiel mit Ängsten, echter Panikmache und ganz offizieller Drohung von Sanktionen, wenn Länder und demokratisch gewählte Regierungen das Spiel nicht mitspielen. Und da die Ängste auch mit aller medialen Macht ins Volk getragen werden, sorgt man damit zumeist dafür, dass man auch das technokratische Ergebnis bekommt, das man braucht, um die Radikalkur durchzusetzen.

Einzige Ausnahme: Italien, wo sich mit der Bewegung von Beppe Grillo der aufgestaute Frust der Wähler erstmals deutlich entlud.

Dass mit dieser Art Politik aus dem neoliberalen Werkzeugkasten tatsächlich Wirtschaften abgewürgt und Staaten als Märkte erodiert werden, weist jetzt auch die sächsische Statistik aus. Sachsens Exportunternehmen verlieren gerade einen kompletten Absatzmarkt.
“3,9 Milliarden Euro Gesamtumsatz hat die Industrie im Februar 2013 erwirtschaftet”, teilt das Landesamt für Statistik mit. “Zum Vorjahresmonat bedeutet dies – bei einem Arbeitstag weniger – eine Abnahme um ein Zehntel.” Ein Zehntel? Volle zehn Prozent weniger als im Februar 2012? – Das ist keine jahreszeitliche Schwankung mehr.

“Sowohl das Inlands- als auch das Auslandsgeschäft blieb hinter dem Vorjahresergebnis zurück (-6,7 bzw. -15,1 Prozent). Besonders deutlich sanken die Lieferungen in den Euroraum (-18,6 Prozent)”, stellen die Statistiker fest. “Auf diese Länder entfielen mit 612 Millionen Euro 42,0 Prozent des Auslandsgeschäftes der sächsischen Industrie. Bezogen auf den Gesamtumsatz war es ein Anteil von 15,7 Prozent.”

Und da in Sachsen selbst gespart wird, hängen auch andere Wirtschaftszweige hinterher.
“Im Bauhauptgewerbe belief sich der Umsatz im Februar 2013 auf insgesamt 167 Millionen Euro und lag somit um 2,9 Prozent höher als ein Jahr zuvor. Einem Plus im Hochbau stand dabei ein Minus im Tiefbau gegenüber (+11,6 bzw. -7,1 Prozent).” Das kann man noch unter “jahreszeitlicher Einfluss verbuchen. Aber die Niedriglohnpolitik zeitigt Folgen: “Der Einzelhandel setzte im Februar 2013 weniger um als vor Jahresfrist. Nominal, d. h. in jeweiligen Preisen, betrug die Verringerung 2,7 Prozent. Real, also unter Ausschaltung von Preisveränderungen, war es ein Minus von 4,1 Prozent.”

Und das trotz moderater Preiszuwächse: “Mit einer Jahresteuerungsrate von 1,3 Prozent lag diese im April 2013 auf dem niedrigsten Stand seit Dezember 2010.”

Aber die Statistik zeigt auch, dass der Abbau der Arbeitslosigkeit in Sachsen im Winter 2012/2013 praktisch zum Erliegen kam. Die registrierte Arbeitslosigkeit lag mit 227.018 deutlich über der des Februar 2012 (220.003/10,7 statt 10,3 Prozent).

Das Verarbeitende Gewerbe produziert nun schon seit Monaten mit jeweils 3,9 Milliarden Euro um 10 Prozent unter dem Wert von Februar 2012. Dabei fehlen im Inland Monat für Monat rund 200 Millionen Euro Umsatz. Im Ausland sind es mittlerweile rund 250 Millionen – Tendenz steigend. Die Reihe der Umsatzzahlen fürs Ausland sieht so aus: Dezember 1,65 Milliarden, Januar 1,5 Milliarden, Februar 1,46 Milliarden Euro. Einen Teil davon machen natürlich die weniger verkauften Kraftfahrzeuge aus – statt 1,2 Milliarden Euro wurden nur noch 1,1 Milliarden umgesetzt. Was natürlich auch zeigt, wie schmalspurig die sächsische Wirtschaft im Export aufgestellt ist. Den Rest machen in der Regel die Maschinenbauer aus. Neue Wirtschaftszweige sind nicht in Sicht – und wo sie eigentlich in Sicht wären, werden sie nicht gefördert, sondern gebremst. Weswegen Sachsen mittlerweile nichts von dem ist, was es unter Biedenkopf und Milbradt mal werden sollte – kein Silicon Valley und kein Solar Valley.

Das Ganze gleicht sich noch aus, weil die Unternehmen, die für ihre Produktion wieder auf Importe von Rohstoffen und Teilen angewiesen sind, auch weniger importierten. Der Import sank von 1,65 auf 1,4 Milliarden Euro. Aber immer mehr wird sichtbar, wo ein Land landet, das seit Jahren nur noch eine Schmalspurwirtschaftspolitik fährt, ohne Visionen. Den Rest erledigt eine europäische “Sparpolitik”, die den halben Kontinent lähmt. Und bald wohl den ganzen.

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