Eigentlich geht es schon längst nicht mehr nur um Windräder oder Stromtrassen. Nicht in der Bundesrepublik, nicht in Europa. Es geht um Transparenz und Teilhabe. Und es geht um das Gefühl, das mittlerweile immer mehr Wähler in der EU frustriert: dass die "große Politik" von kleinen wirtschaftlichen Klüngelgruppen okkupiert ist, die durch nichts demokratisch legitimiert sind - aber eine "alternativlose" Politik durchsetzen.

Im Kleinen zeigt sich das Große. Und die Ergebnisse, die die Leipziger Unternehmensberatung Hitschfeld mit ihren Umfragen erhält, zeigen, wie sehr eigentlich der breite Wunsch besteht, über die wichtigen Vorgänge im Land informiert zu sein und dann, wenn es die eigenen Entscheidungsbereiche betrifft, auch gefragt zu werden und sich einzubringen.

Politikverdrossenheit ist ja nicht das Ergebnis von bürgerlicher Faulheit, sondern Ergebnis von Frustration und erlebter Machtlosigkeit. So verliert Politik ihre Legitimation – und Prozesse beginnen die demokratischen Gesellschaften zu unterminieren, die das in 60 Jahren Aufgebaute im Kern bedrohen.

Im Mai nun hat das Büro Hitschfeld die jüngste Längsschnittstudie “Akzeptanz von Projekten in Wirtschaft und Gesellschaft” vorgelegt. Mit der Bestätigung: die Bereitschaft für bürgerschaftliches Engagement ist ungebrochen hoch, das Misstrauen gegenüber der Informationspolitik von Projektverantwortlichen aber ist gestiegen .

Partizipationskluft nennt es Hitschfeld. Und sieht die These der Partizipationskluft bestätigt – auch in Leipzig.

Die Bereitschaft der Deutschen, sich im Zuge eines Projektes zu engagieren, ist ungebrochen hoch. Das geht aus der Mai-Umfrage 2013 der Leipziger Unternehmensberatung Hitschfeld hervor, die jetzt veröffentlicht wurde. Demnach wären sechs von zehn hier lebenden Menschen (59 Prozent) bereit, sich für oder gegen privatwirtschaftliche oder öffentliche Vorhaben, wie den Bau von Windparks, Straßen oder Stromleitungen, zu engagieren. Die Befragung ist Teil der repräsentativen Längsschnittstudie “Akzeptanz von Projekten in Wirtschaft und Gesellschaft”.

Die Erhebungen mit drei Kernfragen finden im Monatsrhythmus statt. Fester Bestandteil dabei ist die Frage nach der Bereitschaft für persönliches Engagement. Die zwei weiteren Fragen variieren inhaltlich. Die Pilotstudie wurde vor einem Jahr, im Mai 2012, veröffentlicht.
Resignation oder Verstärkung des Aktionspotenzials? fragt Hitschfeld. Und benennt damit eine wesentliche Triebkraft für die Entwicklung gesellschaftlicher Destruktionsprozesse. Verängstigte Gesellschaften mauern sich ein und demontieren demokratische Teilhabe. Der mündige Bürger wird der Staatsraison geopfert.

Aber so recht erreicht diese simple Einsicht noch immer nicht die Wahrnehmungsschwelle der hohen und der niederen Politik: Dem hohen Bereitschaftsgrad für bürgerschaftliches Engagement auf der einen Seite steht ein massives Misstrauen der Befragten bezüglich der Akteure aus Politik, Verwaltung und Unternehmen und deren veröffentlichten Projektdaten und -prognosen gegenüber, stellt die Hitschfeld-Studie fest. 77 Prozent der Befragten misstrauen den vorgelegten Daten. Erschwerend hinzu kommt, dass mehr als 86 Prozent der Befragten der Aussage zustimmen, Unternehmen, Politik und Verwaltung würden nur so viel Informationen zu Projekten herausgeben, wie unbedingt nötig sei.

Das ist auch ein Leipziger Phänomen.

“Diese aktuellen Ergebnisse machen deutlich, dass die Resultate der vorangegangenen Studien keine singulären Effekte abgebildet haben. Vielmehr stützen sie unsere These der Partizipationskluft”, erklärt Uwe Hitschfeld. Diese in der Studie nachgewiesene fundamentale Skepsis stelle eine hohe Aktionsbarriere für diejenigen dar, die grundsätzlich bereit sind, sich zu engagieren, erklärt der Unternehmensberater weiter.

Die spannende Frage in diesem Zusammenhang sei, welchen Effekt die Partizipationskluft habe. Denkbar seien zwei Szenarien: Entweder verstärkt das große Misstrauen die Aktionsbereitschaft oder es führt zu mehr Resignation und damit mittelfristig zur Abnahme der Bereitschaft sich zu engagieren.

Uwe Hitschfeld: “Im Hinblick auf die Wahltermine in diesem Jahr, die weitere Umsetzung der Energiewende und die mediale Aufbereitung des Themas Akzeptanz wird es interessant sein zu beobachten, wie sich die Einstellung der Menschen hierzulande in den kommenden Monaten entwickelt.”

Vielleicht reichen die Folgen aber auch tiefer und weiter. Denn wenn 86 Prozent der Befragten ganz oder eher den Eindruck haben, dass Politik, Unternehmen und Verwaltung nur so viel Informationen herausgegeben, wie unbedingt nötig, dann spricht das von einem tiefsitzenden Misstrauen. Diese Werte sind seit Beginn der Befragung 2012 sehr stabil. Und die Mehrheit traut den Akteuren schon längst nicht mehr: 77 Prozent stimmen ganz oder eher der Aussage zu, das den vorgelegten Daten und Prognosen für Genehmigungsverfahren nicht zu trauen ist.

Alles deutet darauf hin, dass es höchste Zeit für einen völlig anderen Politikstil ist, der die “Arroganz der Macht” endlich ad acta legt und Transparenz tatsächlich zur Leitlinie macht. Aber der Eiertanz um die Leipziger Informationsfreiheitssatzung spricht Bände.

Die Studie findet man auf:
www.hitschfeld.de

Ergebnisse der Mai-Umfrage:
www.hitschfeld.de/htdocs/down/Studie_Akzeptanz_2013_05.pdf

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