Für Dresden steht da eine 529.733. Irgendwann um den Jahreswechsel ist Leipzig mit seiner höheren Wachstumsrate dran vorbeigezogen. Über diese Wachstumsquote steht einiges drin im neuen Quartalsbericht. Das geht mit der Einwohnerzahl aus dem Einwohnermelderegister los, auf die sich das Leipziger Amt für Statistik und Wahlen seit dem Mai 2013 deutlich lieber bezieht als auf die seltsamen Rechenergebnisse aus dem Zensus 2011. Die bringen schon den nun schon traditionellen Vergleich der 15 größten Städte Deutschlands gehörig durcheinander.

Nicht nur Leipzig wurde durch den Zensus heftig nach unten “korrigiert” (um 4,1 Prozent). Noch heftiger erwischte es Berlin (5,0 Prozent) und Hamburg (4,5 Prozent). An der Reihenfolge der großen Städte hat das nicht viel geändert, außer dass Dresden kurzzeitig an Leipzig vorbei zog, weil die “Korrektur” in Dresden nur 2,3 Prozent betrug.

Kurzzeitig war also Leipzig die Nr. 12 unter den deutschen Großstädten, jetzt wird’s wieder die 11 sein – mit Trend zu 10. Denn das Bevölkerungswachstum in Bremen, das jetzt noch vor Leipzig liegt, betrug 2012 nur 0,4 Prozent, Leipzig kam auf 2,0 Prozent und wird auch 2013 die 2 Prozent Wachstum schaffen.

“Leider”, so sagt Dr. Ruth Schmidt, die Leiterin des Amtes für Statistik und Wahlen, “nicht durch einen positiven Saldo aus Geburten und Sterbefällen.” Zwar gab es 2013 einen neuen Geburtengipfel mit 5.834. Aber auch die Sterbefallzahl stieg auf 6.017, womit unterm Strich wieder ein Minus herauskäme. Wären da nicht die Zuzüge nach Leipzig. 32.355 Menschen – vorwiegend im Alter zwischen 18 und 30 Jahren – zogen zum Lernen, Studieren und Arbeiten nach Leipzig, 21.006 zogen nach beendeter Ausbildung weg. Macht ein Plus von 11.349. Was dann, verrechnet mit dem Geburten-Sterbefall-Saldo ein Bevölkerungsplus von 10.808 ergibt, nachdem schon 2012 ein hohes Plus von 10.702 verzeichnet wurde.

“Das ist die durchschnittliche Einwohnerzahl einer Kommune in Sachsen”, sagt Ruth Schmidt. Zu recht besorgt, denn “irgendwann ist da Schluss”, irgendwann können die Landkreise rund um Leipzig nicht immer weiter jungen Nachwuchs für Leipzig bereitstellen. Dann wird sich auch der Bevölkerungszuwachs in Leipzig verringern. Nur wann und wie – darüber grübeln die Statistiker.

So wie der Freistaat auch, erstellt Leipzig ja regelmäßig eine Bevölkerungsprognose. 2015 soll es die nächste geben, aufbauend auf den Zahlen von 2014. Die letzte Prognose ist zwar relativ genau eingetroffen, was die Bevölkerungszahl betrifft. Aber im Detail waren die Statistiker doch verblüfft.

“Die Geburtenzahl haben wir tatsächlich überschätzt”, sagt Ruth Schmidt. Die Fachleute, die in der Expertengruppe sitzen, hatten einen Anstieg schon jetzt über 6.000 Geburten prophezeit. “Dafür haben wir die Sterbefälle unterschätzt”, ergänzt Ruth Schmidt. “Und die Zuzüge.”

Heißt im Klartext: Es kommen deutlich mehr junge Leute nach Leipzig, als prognostiziert. Das kann mit dem Ende der Wehrpflicht zu tun haben und mit den doppelten Abiturjahrgängen in einigen westlichen Bundesländern. Aber da die meisten jungen Leute aus den angrenzenden Landkreisen und Bundesländern kommen, hat es auch mit dem zunehmenden Ausdünnen der dortigen Infrastruktur zu tun. Die jungen Leute gehen eben auch da hin, wo sie sich größere Chancen auf einen Berufsstart und eine funktionierende Familiengründung ausrechnen. Davon profitieren die drei sächsischen Großstädte.

In der Landespolitik will diese Botschaft einfach nicht ankommen. Also wird das wohl noch eine ganze Weile so weitergehen – auch zum Ärger der Landräte und Bürgermeister in den Landkreisen.

Aber warum gerade nach Leipzig, kann man sich fragen, wenn man die Tabelle auf Seite 32 sieht: Leipzig ist unter den Großstädten die Stadt mit dem niedrigsten Pro-Kopf-Einkommen: 15.925 Euro waren das 2011. Neuere Zahlen gibt es hier auch wieder nicht. Aber so viel hat sich ja nicht getan, wie man auf Seite 16 lesen kann, wo die Bewertung der Leipziger zur eigenen wirtschaftlichen Situation und zu der der Stadt ausgewertet wird. Und zwar seit 1991. Und ein roter Balken zeigt recht deutlich: Die persönlichen Einkommen der Leipziger stagnieren praktisch seit Jahren.

Dahinter aber versteckt sich auch die Entwicklung am Leipziger Arbeitsmarkt. Denn trotz des enormen Zuzugs ist es Leipzig gelungen, die Zahl der Arbeitsuchenden stabil zu halten. Mal ganz bewusst das Wort Arbeitsuchende benutzt, weil das Wort Arbeitslose eine Schimäre ist. Denn viele von denen, die als Arbeitsuchende registriert sind, haben ja einen Job. Oft genug reicht er nur nicht zum Leben. In Leipzig sind eine Menge Unternehmen gestrandet, die das ganze Portfolio prekärer Beschäftigung mitbringen. Ein Ergebnis fürs Jahr 2013: Im Juli lag die Zahl der geringfügig entlohnten Beschäftigten bei 46.729 und damit um 834 Personen über dem Vorjahresmonat.

Einige der wichtigen Leipziger Kennzahlen findet man gleich vorn im Bericht in einem “Statistischen Rückblick auf das Jahr 2013”. Da findet man dann auch Hinweise auf die recht konstant wachsende Wirtschaftsleistung in Leipzig, auf die zunehmenden Transportleistungen im Verkehr, den boomenden Tourismus und – daraus folgend – den Zuwachs an sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung – um 6.041 binnen eines Jahres auf 228.990 solcher Arbeitsverhältnisse im Juni 2013.

Die niedrigen Durchschnittseinkommen bringt Ruth Schmidt in engen Zusammenhang mit den vielen Studierenden in Leipzig. “Wer noch lernt, hat ja in der Regel noch kein Einkommen”, sagt sie. Die jungen Leute beeinflussen aber nicht nur die Verdienststatistik, sie beeinflussen auch den Wohnungsmarkt.

Auch das ein heiß diskutiertes Thema in Leipzig.

Aber mehr dazu gibt es morgen an dieser Stelle.

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