Naja, eine Stadtverwaltung ist manchmal auch nur eine bessere Geschäftsführung. Da erklärt man den Aktieninhabern auch lieber, wie toll man ist und betont im Geschäftsbericht das ungemein attraktive Image des Unternehmens. So sieht es auch Leipzigs Verwaltung und vermeldet zu den ersten Ergebnissen aus der kommunalen Bürgerumfrage 2013: "Die Zufriedenheit der Leipzigerinnen und Leipziger ist deutlich gestiegen. Noch nie waren so viele von ihnen mit ihrem Leben zufrieden (76 Prozent) bzw. blickten so optimistisch in die Zukunft wie im vergangenen Jahr (62 Prozent)."

Die jährlichen Bürgerumfragen sind so eine Art Gesundheitsbericht zur Seelenlage der Leipziger. Dass die Verwaltung sich die gute Meldung herauspickt, hat auch damit zu tun, dass einige Jahre lang die deprimierende Stimmung dominierte – gerade in Bezug auf Arbeitsplätze und Einkommen. Das ändert sich seit einigen Jahren. Nicht berauschend, aber spürbar. Etwa beim Einkommen der Leipziger.

“Die monatlichen Nettoeinkommen der Leipziger Haushalte haben sich 2013 durchschnittlich um 46 Euro auf 1.549 Euro erhöht”, meldet die Stadt. “Als größtes Problem nannten 47 Prozent der Befragten das Thema Kriminalität und Sicherheit, 38 Prozent fanden den Zustand der Leipziger Straßen am problematischsten. Das ergab die Kommunale Bürgerumfrage 2013, deren erste Ergebnisse jetzt in einem Schnellbericht vorliegen. In der Dienstberatung von Oberbürgermeister Burkhard Jung hat der Erste Bürgermeister, Andreas Müller, diesen Bericht vorgestellt.”

Im Rahmen der kommunalen Bürgerumfrage 2013 waren im vergangenen Herbst 16.000 Leipzigerinnen und Leipziger im Alter zwischen 18 und 85 Jahren angeschrieben worden. Von etwa 46 Prozent der Angeschriebenen gingen auswertbare Fragebögen ein. Der jetzt vorliegende Schnellbericht enthält ausgewählte Ergebnisse zu den Themen Lebenszufriedenheit und Zukunftszuversicht, Mieten, Wohnstatus, Umzugsabsichten, persönliches Nettoeinkommen, Haushalts-Nettoeinkommen, Lebensunterhalt, die größten Probleme aus Bürgersicht sowie Angaben zur Frage “Sparen oder nicht Sparen”.

Aber zurück zu den Einkommen. Man kann solche Zahlen nicht losgelöst von der Entwicklung darstellen. Denn mit den genannten 1.549 Euro erreichen Leipzigs Haushalte erstmals wieder nach nunmehr 12 Jahren das Einkommensniveau von 2001. Oder genauer gesagt: den Median dieses Jahres. Der Median ist nicht der Durchschnitt, sondern eine Zahl, die beschreibt, bei welchem Betrag die Hälfte der Einkommen drüber liegt und die Hälfte drunter.

Dafür, dass Leipziger Haushalte jahrelange statistisch “ärmer” wurden, ist nicht nur der prekäre Arbeitsmarkt verantwortlich, sondern vor allem ein demografischer Effekt: Ab 2001 ist die Leipziger Stadtbevölkerung kräftig gewachsen – vor allem durch Zuzug junger Leute in Ausbildung, was in der Regel mit sehr niedrigen Einkommen einher geht. Und dazu kommt das rasante Anwachsen von Single-Haushalten, die natürlich per se weniger Geld zur Verfügung haben als mehrköpfige Haushalte.Der Blick auf die persönlichen Einkommen zeigt aber auch, dass das Durchschnittseinkommen der Männer in Leipzig praktisch stagnierte. Eine leichte Aufwärtsbewegung war kurz vorm Ausbruch der Finanzkrise 2007/2008 spürbar. Seit 2010 steigen die Einkommen der Männer tatsächlich spürbar an.

Anders bei den Frauen: Sie erlebten zwischen 2000 und 2006 im Zuge der Einführung verschiedener Formen prekärer Beschäftigungsmodelle tatsächlich einen deutlichen Einkommensrückgang. Auch da ist seit 2010 ein Aufwärtstrend zu beobachten, der augenscheinlich mit einem echten Zuwachs an Arbeitsplätzen einher geht.

2005 bezogen nur 47 Prozent der Leipziger ihr Einkommen aus Erwerbstätigkeit, 15 Prozent mussten mit Arbeitslosenbezügen über die Runden kommen. Das hat sich gedreht. Mittlerweile sind 58 Prozent der Leipziger berufstätig, nur noch 9 Prozent sind auf ALG angewiesen. Gesunken ist sogar der Anteil der Rentner und Pensionäre. Aber auch das hat mit der anhaltenden Zuwanderung junger Leute nach Leipzig zu tun.

Dass in Leipzig mittlerweile mehr verdient wird, zeigt auch die Entwicklung der Einkommen aus Erwerbstätigkeit, die seit 2001 kräftiger angestiegen sind als die Renten, während das Einkommen der Arbeitslosen seit dem kräftigen Absacken 2005 stagniert.

Das aber verändert auch die Sicht der Leipziger auf die Probleme ihrer Stadt. Wenn’s auf dem eigenen Konto besser wird, wird’s ja vielleicht auch auf dem der Stadt besser. Nur noch 18 Prozent der Befragten halten Leipzigs Finanzsituation für problematisch – 2011 waren es noch 23 Prozent. Probleme bei Arbeits- und Ausbildungsplätzen sehen nur noch 17 Prozent, 2011 waren es noch 26 Prozent.

Dafür nahmen Probleme in der Wahrnehmung zu, die eher mit der persönlichen Lebensqualität in Beziehung stehen: 47 Prozent halten das Thema Kriminalität und Sicherheit für problematisch. 2011 waren das noch 41 Prozent. Aber das sind Themen, die eng mit der medialen Aufbereitung zu tun haben. Sorgen die üblichen Scharfmachermedien wieder dafür, dass Themen als problematisch erfasst werden, dann wächst auch der erfragte Sorgenpegel. – 2013 war das eindeutig so im Themenfeld “Zusammenleben mit Ausländern”. Nach 5 Prozent im Jahr 2011 sehen hier nun 12 Prozent ein Problem, obwohl es keine Geschichten über problematisches Verhalten von Migranten gab – dafür jede Menge Zündel-Artikel zu Asylbewerberwohnheimen und einer geplanter Moschee in Gohlis. Die Bürgerumfrage zeigt also, wie leicht sich mit solchen Geschichten Stimmung und Aversion aufbauen lässt.

www.leipzig.de/buergerumfrage

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