Ab Mai wird gearbeitet. So ist das jedes Jahr. Binnen eines Monats rutscht die Arbeitslosenzahl auch in Leipzig um 1.000 nach unten. Und eigentlich könnte Elke Griese, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Leipzig, den Spruch jedes Jahr einfach kopieren: "In den zurückliegenden vier Wochen ging die Zahl der Arbeitslosen weiter zurück."

“Insgesamt waren 28.510 (Vormonat 29.451) Männer und Frauen in der Stadt Leipzig arbeitslos”, meldet ihre Agentur. “Der Rückgang im Vergleich zum April betrug 941 Personen. Im Vergleich zum Mai des Vorjahres (29.704) ist die Zahl der Arbeitslosen um 1.194 zurückgegangen.”

Aber die Zahlen zeigen auch, dass ein Starren auf diese Zahl falsch ist. Das zeigt schon ein Blick auf die Altersgruppen: Bei den jungen Menschen bis 25 Jahren sank die Zahl der Arbeitslosen von April auf Mai um 166 auf 2.560 (Vorjahr: 2.748). Bei den Lebensälteren, in der Altersgruppe ab 50 Jahren, sank die Arbeitslosigkeit um 192 auf 8.698 Personen (Vorjahr: 9.067).

Der Unterschied dabei ist: Die jungen Leute schaffen zumeist den Schritt in eine Tätigkeit. Die Älteren aber kehren selten auf den Arbeitsmarkt zurück, sondern verlassen die Statistik in der Regel in Richtung Ruhestand. Dasselbe trifft auf die Langzeitarbeitslosen zu, deren Zahl im zurückliegenden Monat ebenfalls gesunken ist. Gegenüber dem Vormonat fiel sie um 64 Personen auf 9.449. Im Vergleich zum Mai 2013 gab es aber sogar 73 Langzeitarbeitslose mehr. Hinter den Kulissen dieses ganzen Auf und Ab der sinkenden oder steigenden “Arbeitslosigkeit” verfestigt sich das Arbeitslossein bei einer großen Gruppe Betroffener weiterhin. Wie eine Erhebung des BIAJ jüngst ergab: bei rund 50 Prozent der “erwerbsfähigen Leistungsberechtigten”.Zum statistischen Zähltag im April lag die Arbeitslosenquote in der Stadt Leipzig bei 10,2 Prozent. Im Vormonat lag sie bei 10,8 Prozent und im April des Vorjahres bei 10,9 Prozent.

Im Mai waren 6.111 Menschen im Rechtskreis SGB III arbeitslos gemeldet. Das waren 328 weniger als im Vormonat und 308 weniger als im Mai 2013. Im Rechtskreis SGB II waren 22.399 Menschen arbeitslos registriert. Das sind 613 weniger als im April dieses Jahres. Im Vergleich zum Vorjahresmonat sank diese Zahl um 886 Personen. Wobei die Statistik auch an diesem Punkt verwischt und nicht mehr zeigt, wieviele Betroffene im Rechtskreis SGB II tatsächlich nur kurzfristig arbeitslos waren, vor der Einführung von “Hartz IV” 2005 also offiziell Arbeitslosengeld bezogen hätten (und keine Arbeitslosenhilfe). Jetzt rutschen viele Betroffene aus Niedriglohnbereichen bei Kündigung sofort in “Hartz IV”.

Das Zahlenspiel nach dem Muster der “Arbeitsmarktreform” verdeckt also faktisch die Tatsache, dass mit “Hartz IV” viele Arbeitslose in den Bereich dessen gedrückt wurden und werden, was früher mal Sozialhilfe hieß.

Das Ergebnis zeigt sich mittlerweile ganz offen an einer anderen Stelle der Statistik: Sinkende Arbeitslosigkeit bedeutet nicht unbedingt auch sinkende Bedürftigkeit.

In Leipzig gab es im Mai 43.375 Bedarfsgemeinschaften. Das sind 34 mehr als im Vormonat und 695 weniger als im Mai des Vorjahres. Außerdem betreut das Jobcenter aktuell 53.907 erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Im Vergleich zum Vormonat betrug der Rückgang 29, im Vergleich zum Vorjahr sank die Zahl um 1.258 Personen. Entsprechend langsam sinkt auch die Zahl der Personen in diesen Bedarfsgemeinschaften.

72.113, knapp 900 weniger als vor einem Jahr. Was zwar bedeutet, dass vor allem Ältere diese Statistik “verlassen”, die Jüngeren aber bleiben drin – und das sind eben auch viele Unter-15-Jährige. Auf stabilem Niveau rund 17.600.

Es beleuchtet eben immer nur die eine Seite der Arbeitsvermittlung, wenn Arbeitsagentur und Jobcenter neue Zahlen zur “Arbeitslosigkeit” veröffentlichen. Da kann man dann auch in Wahlkämpfen schön sinkende Arbeitslosenquoten plakatieren, wenn am Grundproblem – den nach wie vor hohen Barrieren für viele Betroffene in Richtung Arbeitsmarkt – nichts geändert wird.

Aber Politiker lieben ja Prozentzahlen. Also kündigt Elke Griese schon mal an: “Im nächsten Monat könnte die Arbeitslosenquote in Leipzig unter die 10%-Marke sinken.”

Wetten, dass das einige Politiker zu richtig lauten Fanfarenstößen nutzen werden?

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