Die Konjunktur ist auf einem Hoch, meldet das IWH in Halle. Die Wirtschaft in Deutschland brummt – trotz aller außenpolitischen Querelen. Und das hat weniger mit der fleißigen Industrie zu tun, als mit der wachsenden Dienstleistungswirtschaft in Deutschland. Denn Dienstleistung braucht Leute. Das hat auch in Sachsen zu einem neuen Beschäftigungshoch im Herbst geführt.

Darüber berichtet jetzt das Statistische Landesamt: Um ein Prozent bzw. reichlich 20.000 Personen auf insgesamt 2,068 Millionen stieg die Zahl der Erwerbstätigen in Sachsen im 3. Quartal 2017 im Vergleich zum Vorjahresquartal. Bis 2010 lag eher die Befürchtung im Raum, Sachsen könnte noch weiter Arbeitsplätze verlieren. Erst Ende 2011 wurde zum ersten Mal seit der offiziellen Ermittlung der Zahl im Jahr 2008 die 2-Millionen-Marke überschritten.

2015 gab es ein großes Oweiowei, weil die Beschäftigtenzahl auf einmal wieder sank.

Aber wer genauer hinschaute, der merkte, dass hinter dem Rückgang um knapp 4.000 Arbeitsplätze nichts anderes steckte als die frische Einführung des Mindestlohnes: Der Mindestlohn übte Druck aus, aus all den prekären und Mini-Jobs, die seit 2005 in Sachsen entstanden waren, (wieder) vollwertige Arbeitsstellen zu machen. Und zwar vor allem in jenen Branchen, wo man all die Jahre wie selbstverständlich solche Mini-Jobs geschaffen hatte – allen voran der Einzelhandel, Gastronomie und Hotelwesen.

Manch ein Unternehmer hätte das gern vermieden. Aber gleichzeitig machte sich in ganz Sachsen der Fachkräftemangel bemerkbar. Die (jungen) Leute mussten nicht mehr jedes Jobangebot wahrnehmen. Sie hatten die Wahl. Erst recht, weil gerade die Dienstleistungsbranche weiter wuchs.

Wir können den Satz hier nur zitieren, aber er zeigt, was parallel die ganze Zeit weiterläuft: „Damit stand auch aktuell einem deutlichen Anstieg der Zahl der Arbeitnehmer ohne marginal Beschäftigte ein weiterer Abbau bei der marginalen Beschäftigung gegenüber. Außerdem ging die Zahl der Selbstständigen und mithelfenden Familienangehörigen um 0,7 Prozent zurück.“

Das heißt: Wer immer kann, wechselt aus einer marginalen Beschäftigung in eine Vollzeitstelle.

Und diesmal war es nicht mehr das produzierende Gewerbe, das für den Zuwachs verantwortlich war.

„Die positiven Impulse bei der Entwicklung der Erwerbstätigkeit kamen vorwiegend aus dem gesamten Dienstleistungssektor, in dem sich die Zahl der erwerbstätigen Personen um 1,3 Prozent erhöhte. Innerhalb dieses Sektors gab es mit einem Plus von 1,6 Prozent bzw. rund 10.000 Erwerbstätigen den größten Zuwachs im Bereich Öffentliche und sonstige Dienstleister, Erziehung und Gesundheit. Ihm folgten der Handel, Verkehr, Gastgewerbe, Information und Kommunikation sowie der Bereich Grundstücks- und Wohnungswesen, Finanz- und Unternehmensdienstleister mit einem jeweiligen Zuwachs um rund 5.000 Personen.“

Da stecken die Pflegekräfte mit drin, die Kita-ErzieherInnen, die LehrerInnen, aber auch die Kraftfahrer und Wachdienste. Überall braucht man richtige Menschen, auch wenn die Tüftler längst dabei sind, Roboter zu entwickeln, die auch hier die Menschen überflüssig machen sollen.

Ein närrisches Denken. Aber wer sagt das den Technokraten?

Noch ist das Gegenteil der Fall: Unsere Gesellschaft entwickelt sich zu einer von Dienstleistungen getriebenen. Der wachsende Bedarf schafft hier Arbeitsplätze.

„Im Produzierenden Gewerbe erhöhte sich die Erwerbstätigenzahl im Vergleich zu 2016 nur um 0,2 Prozent bzw. 1.000 Personen. Dieser Anstieg kam ausschließlich aus dem Baugewerbe (+0,6 Prozent), während die Erwerbstätigenzahl im Verarbeitenden Gewerbe stabil blieb. Im Gegensatz dazu verbuchte die Land- und Forstwirtschaft, Fischerei einen Rückgang der Erwerbstätigen um fast zwei Prozent bzw. rund 500 Personen.“

Das lässt sich auch noch vergleichen: „Deutschlandweit stieg die Erwerbstätigenzahl im dritten Quartal 2017 im Vergleich zum Vorjahresquartal um 1,5 Prozent. Dabei erhöhte sich die Zahl der Erwerbstätigen in den alten Ländern (ohne Berlin) um 1,6 Prozent und in den fünf neuen Ländern um 0,9 Prozent.“

Wobei immer zu bedenken ist, dass im Osten die meisten marginalen Beschäftigungsverhältnisse entstanden waren, dieser Puffer also noch weiter abschmilzt. Während man westwärts schon ein wenig tiefer im Thema Fachkräftemangel steckt. Was in der Konsequenz natürlich heißt: Der Bedarf an Zuwanderung nach Deutschland wird wachsen. Wer da von Obergrenzen redet, hat das Thema der Zeit nicht begriffen.

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