Es müsse in erster Linie darum gehen, den Arbeitsmarkt in Ordnung zu bringen, nur so ließe sich Altersarmut bekämpfen. Das sagt der Leipziger SPD-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Tiefensee im L-IZ-Interview. Dass es jetzt bei der SPD einen klaren Fahrplan zur Angleichung der Rentensysteme Ost und West gibt, mache ihn stolz, so Tiefensee weiter.

Herr Tiefensee, Geschlossenheit könne man nicht befehlen, man müsse sie sich erarbeiten, hieß es von der SPD-Spitze jüngst bei der Vorstellung des Rentenkonzepts der Partei. Wie hart waren denn die Debatten?

Die SPD ist eine diskussionsfreudige Partei, und natürlich gab es auch beim Rentenkonzept unterschiedliche Positionen. Am Ende haben wir uns mit Fraktion und Partei auf ein Konzept geeinigt, dass sich sehen lassen kann. “Die SPD Rentenpolitik: Arbeit muss sich lohnen!” wurde im November zum Parteikonvent in Berlin einstimmig verabschiedet.

Wenn Sie nun auf das Konzept Rente 2020 schauen, was ist Ihnen besonders wichtig?

Wenn man sich das Rentenkonzept der SPD- Bundestagsfraktion genauer anschaut, wird deutlich, dass dieses Konzept stets den Arbeitsmarkt als Ganzes im Blick hat. Uns reicht es nicht, an der Stellschraube der Höhe der Rente zu drehen.

Unsere Vorschläge reichen von arbeitsmarktpolitischen Instrumenten, wie einem einheitlichen, gesetzlichen Mindestlohn bis zur Verbesserung der betrieblichen Altersvorsorge. Die gesetzliche Rentenversicherung ist für uns der falsche Ort, um die Probleme auf dem Arbeitsmarkt dauerhaft zu korrigieren.

Denn: Nur höhere Löhne führen zu auskömmlichen Renten. Unsere politischen Mitbewerber ignorieren diese Zusammenhänge konsequent: Sie schüren zwar die Angst vor Altersarmut, bekämpfen sie aber nicht. Und natürlich bin ich stolz, dass es jetzt einen klaren Fahrplan zur Angleichung der Rentensysteme Ost und West gibt.

Sie sind der wirtschaftspolitische Sprecher Ihrer Fraktion. Inwieweit überzeugt das SPD-Rentenkonzept aus dieser Perspektive?

Angemessene Löhne und Renten nützen auch der deutschen Wirtschaft, weil diese von der steigenden Kaufkraft der Menschen profitiert. Die SPD-Bundestagsfraktion hat immer wieder darauf hingewiesen, dass die Binnennachfrage gestärkt werden muss. Dies kann natürlich nur geschehen, wenn die Menschen auch genügend Geld haben, um es auszugeben.Streitfall Rente mit 67. Deren – von der SPD durchgesetzte – Einführung soll nach dem Willen der SPD ausgesetzt werden. Unter Rentenexperten gilt die Heraufsetzung des Renteneintrittsalters als die am wenigsten schmerzhafte Anpassung an eine Gesellschaft des längeren Lebens und der längeren Rentenlaufzeiten. Warum dann die Aussetzung?

Wir können nicht das Renteneintrittsalter erhöhen, ohne uns gleichzeitig um Arbeitsplätze für unsere älteren Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zu kümmern. Eine Anhebung ist also erst dann sinnvoll, wenn die rentennahen Jahrgänge, also die 60-64 Jährigen, mindestens zur Hälfte sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind. Hier ist die Wirtschaft gefragt: es geht nicht, vehement die Rente mit 67 einzufordern, aber älteren Arbeitnehmern keine Chance mehr zu geben.

Eine Solidarrente von 850 Euro soll nach dem Willen der SPD Menschen nach 30 Beitragsjahren und 40 Versicherungsjahre offen stehen. Erspart das hinreichend vielen langjährigen Versicherten den Gang zum Grundsicherungsamt und der Rentenversicherung damit die Legitimationsfrage?

Das Problem der Altersarmut ist eine Konsequenz aus langjähriger Arbeitslosigkeit und niedrigen Löhnen. Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind prekär beschäftigt und gerade im Osten von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen. Es muss also in erster Linie darum gehen, den Arbeitsmarkt in Ordnung zu bringen.

Wer aber heute von Altersarmut betroffen ist, der braucht jetzt eine spürbare Verbesserung. Der hat von höheren Löhnen und längerer Beschäftigung nichts mehr. Darum versprechen wir diesem Personenkreis, dass die untere Haltelinie von 850 Euro nicht unterschritten wird.

Wie wichtig ist Ihnen die Festlegung auf eine schrittweise Angleichung der Rentenwerte Ost und West bis 2020?

Die Angleichung ist längst überfällig. Ich begrüße es daher sehr, dass unser designierter Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sich so klar festgelegt hat.

Angleichung bedeutet, dass ab dem Jahr 2014 schrittweise der Rentenwert Ost auf den Rentenwert West angeglichen wird. Das kostet zusätzliche Steuergelder, dennoch gibt es dafür jetzt in der SPD einen großen Konsens. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat sich bisher immer vor einer Aussage gedrückt.

Wir vom “Forum Ostdeutschland der Sozialdemokratie e.V.”, haben lange auf eine solche Festlegung hingearbeitet. Ich freue mich daher sehr, dass wir erfolgreiche Überzeugungsarbeit leisten konnten.

Vielen Dank für das Gespräch.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar