Im September 2012 nahm das Jobcenter Leipzig wieder einmal eine umfassende Umorganisierung vor. Diese hatte zur Folge, dass beinahe sämtliche Sachbearbeiter/-innen des Jobcenters ihren Arbeitsplatz wechseln mussten, und mit ihnen auch die Leistungsakten der Hilfeempfänger/-innen. Der Umzug erfolgte bei laufendem Geschäftsbetrieb, tausende von Akten wurden dabei tagelang auf den Fluren des Jobcenters ungesichert in Umzugskartons gelagert. Ein Vorgang, den nun auch der Bundesdatenschutzbeauftragte rügt.

Denn in den Akten befanden sich zum Teil höchst persönliche Dokumente. Der Bundesdatenschutzbeauftragte erklärte nun in seiner kürzlich veröffentlichten Stellungnahme, dass das Jobcenter Leipzig mit dieser Aktenzwischenlagerung auf den Fluren gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstoßen habe. Er bekräftigte damit die Einschätzung des Rechtsanwaltes Dirk Feiertag, der schon damals das Jobcenter vergeblich zu einer ordnungsgemäßen Lagerung der Akten aufgefordert hatte.

Da Feiertag schriftlich nur auf taube Ohren stieß, hatte er während des Umzuges mit einer öffentlichkeitswirksamen Aktion auf die Rechtsverstöße hingewiesen, indem er persönlich einen der ungesicherten Kartons mit Akten zum Sicherheitsdienst brachte und diesen aufforderte, die Akten zu sichern.

“Statt Dank erhielt ich jedoch eine Anzeige bei der Rechtsanwaltskammer. Man wirft mir vor, ich hätte die Akten stehlen wollen, was völlig absurd ist. Tatsächlich wäre es ein Leichtes gewesen, mit den Akten aus dem Haus zu spazieren. Ich musste den Sicherheitsdienst ausdrücklich bitten, mir die Akten abzunehmen”, so Feiertag, der dem Verfahrensausgang gelassen entgegen sieht.

Gleichzeitig erhielt Feiertag damals ein Hausverbot, gegen das er zur Zeit vor dem Verwaltungsgericht Leipzig klagt. Nachdem er dem Gericht ein Video der Aktion und mehrere Aussagen von Zeugen übersandt hatte, die zweifelsfrei belegen konnten, dass er die Akten nicht entwenden, sondern gerade dem Sicherheitsdienst übergeben wollte, erteilte das Verwaltungsgericht den Ratschlag, sich per Mediation durch einen Friedensrichter gütlich über die künftige gegenseitige Umgangsweise zu einigen. Feiertag ist schließlich Anwalt vieler Mandanten, die gleichzeitig auch Kunden des Jobcenters sind, und dadurch für seine Arbeit auf einen ungehinderten Zugang zur Behörde angewiesen.”Für mich gab es keinen Grund, der vorgeschlagenen Mediation nicht zuzustimmen. Das Jobcenter hat jedoch abgelehnt. Auch auf telefonische Nachfrage erfolgte keine andere Reaktion”, zeigt sich Feiertag enttäuscht von der Engstirnigkeit des Amtes. “Konstruktive Anregungen sind offenbar nicht erwünscht. Das ist sehr schade.”

Durch die jetzt erfolgte Stellungnahme des Bundesdatenschutzbeauftragten sieht sich Feiertag bestätigt: “Es hat ein wenig gedauert, aber die Einschätzung des Bundesdatenschutzbeauftragten ist eindeutig. Ich hoffe, dass damit jetzt endlich die Wecker klingeln! Es gibt im Leipziger Jobcenter auch unabhängig vom letzten Umzug eklatante Probleme bei der Einhaltung des Datenschutzes. Das fängt bei der Abheftung vollständiger Kontoauszüge in den Leistungsakten an und hört auch nicht bei der Eintragung irrelevanter Krankheiten im Intranet auf. Ich hoffe, das Jobcenter nimmt die Stellungnahme des Bundesdatenschutzbeauftragten zum Anlass, die gegenwärtigen Datenschutzstandards prinzipiell zu überprüfen.”

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Unabhängig davon will Dirk Feiertag auch in Zukunft ein kritisches Auge auf die Behörde werfen, für die wie für viele andere auch gilt: Ohne Druck von außen bewegt sich einfach zu wenig. Am Sonntag, 17. Februar, steht er als OBM-Kandidat zur Wahl.

An der Arbeit des Jobcenters gab es aber in letzter Zeit auch mehrfach Kritik aus Parteien und Fraktionen. Das betrifft etwa die völlig überzogene Sanktionspraxis, die nicht nachvollziehbare Eingliederungspolitik aber auch den nicht koordinierten Umgang mit den zur Verfügung stehenden Eingliederungsmitteln. Erst im Sommer wurde die sogenannte Wohngeldpauschale endlich auf ein Niveau angehoben, das dem Leipziger Mietniveau einigermaßen nahe kommt. Im Januar endlich hat der Stadtrat auch durchgedrückt, dass der Beirat des Jobcenters auch Rederecht in der Trägerversammlung bekommt.

All das zeugt zumindest davon, dass die entscheidenden Verantwortlichen das Jobcenter noch lange nicht als wirkliche Integrationsmaschine für Leipzigs Arbeitssuchende begreifen.

Das Schreiben des Bundesbeauftragten für Datenschutz als PDF zum download.

Das Schreiben des Jobcenters Leipzig zum Verfahren als PDF zum download.

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