Wer hat eigentlich in Leipzigs Verwaltungsspitze den Hut auf für den Wettbewerb zu Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal? - Die Vorlagen - auch die am 25. Juni in der Dienstberatung des OBM besprochene - reicht zwar das Dezernat Kultur ein. Aber die entscheidenden Gespräche führt Oberbürgermeister Burkhard Jung. Er hat auch schon mal die Instrumente herausgeholt. Denn bei der Frage, ob der Wettbewerb so fortgeführt wird wie bisher, geht es um Geld. Richtig viel Geld.

Am 10. Juli soll die Ratsversammlung über den Sachstand zum Verfahren informiert werden. Nach der ersten Wettbewerbsrunde hat Burkhard Jung mit den drei Preisträgern noch einmal verhandelt. Es ging darum, die Siegerentwürfe noch einmal zu überarbeiten, um eventuell im Juli ein Ergebnis vorstellen zu können, das tatsächlich überzeugt. Doch der Vorlage ist ein sechsseitiges Papier beigelegt, das nicht nur die Verfahrensschritte begründet, sondern auch vollmundig vom Tisch wischt, was in den letzten Monaten von der Leipziger Öffentlichkeit intensiv diskutiert wurde – ein neues Wettbewerbsverfahren.

Was tut die Leipziger Stadtverwaltung, wenn sie politisch keine Meinung hat und doch nichts falsch machen will? – Sie gibt ein Rechtsgutachten in Auftrag. Ein solches ist augenscheinlich passiert. Das Papier geht darauf ein. Und stellt denn auch fest, dass die ganze Sache mit den Denkmal nur eine Sache zwischen den Wettbewerbsteilnehmern und den Ausschreibern ist – also in diesem Fall wohl Bund, Stadt und Land. Die Öffentlichkeit hat nichts mitzureden. Denn mit einem Wert von über 200.000 Euro Auftragsvergabe ist das Ganze dem europäischen Wettbewerbsrecht zuzuordnen.

Der Leipziger darf staunen. Die Jury darf entscheiden.

Nicht mal eine offizielle Ratsvorlage ist bindend: “In der Ratsvorlage vom Oktober 2012 war vorgesehen, dass die Weiterentwicklung in einer dem Verhandlungsverfahren vorangestellten Zwischenstufe im direkten Dialog mit den Preisträgern erfolgen soll und Zwischenergebnisse in einem geeigneten Rahmen Bürgern vorgestellt und mit diesen besprochen werden sollen. Ein solches kooperatives Verfahren ist jedoch aus vergaberechtlichen Gründen nicht möglich, da die Auftragssumme über dem Schwellenwert von 200.000 Euro für ein solches Verfahren liegt (Beachtung europäischen Rechts).”

Das europäische Recht hebelt also Bürgerbeteiligung aus? – Das ist schon burschikos.

Aber was ist, wenn auch die drei überarbeiteten Entwürfe niemanden begeistern? “Weiter wird im Gutachten festgestellt, dass eine wie auch immer ermittelte ‘Akzeptanz’ eines Wettbewerbsentwurfes kein gesetzlich zulässiges Kriterium der Auftragsvergabe ist. Durch ein im Rahmen einer Bürgerbeteiligung gewonnenes Meinungsbild darf weder die Entscheidung des Preisgerichtes infrage gestellt noch abgeändert werden. Des Weiteren darf von den in der Auslobung gemachten Anforderungen an die Entwürfe nicht abgewichen werden. Beteiligte des Verhandlungsverfahrens sind nur die Preisträger und der Auftraggeber. Zur Beratung des Auftraggebers können externe Dritte als Sachverständige hinzugezogen werden, die aber keine Verfahrensrechte haben. Für die Rechtmäßigkeit der Auftragsverhandlung und -entscheidung kommt es auf die vergaberechtlichen Vorschriften an. Der Stadtrat beschließt, ob das Vergabeverfahren mit dem nächsten Schritt Verhandlungsverfahren weitergeführt wird. Wie es durchgeführt wird, ist gesetzlich geregelt.”

Das “ob” und das “wie” sind fett gedruckt. Was auch deutlich macht, dass eigentlich nur noch ein einziges demokratisch legitimiertes Kollegium eingreifen darf: der Stadtrat. Er hat das Recht, wenn die drei Entwürfe wieder unter aller Kanone sind, alle drei abzulehnen.
Ist nur die Frage: Haben Leipzigs gewählte Stadträte dieses Rückgrat, wenn es so kommt? Oder sagen sie wieder Ja und Amen?

Genug Druck baut die Stadtverwaltung mit dem Papier ja auf. Einen doppelten und dreifachen Druck, denn 1.) wurde schon jede Menge Geld ausgegeben, 2.) entstehen – olálá – dann sogar Wiedergutmachungsansprüche und 3.) kann man den Platz nicht bauen.

Dazu lässt das Papier jetzt etwas gucken, was die ganze Zeit immer schön zurückgehalten wurde: Eigentlich geht es gar nicht um ein Denkmal für Einheit und Freiheit. Dass die Wettbewerbsvorgaben so verwaschen waren, hat schlicht damit zu tun, dass Leipzigs Stadtverwaltung in der milden Geldesgabe von Bund und Land die Chance sah, den ganzen Platz neu bauen zu können, mit dem Denkmalsgeschenk quasi den Platz bauen zu können.

Die Passage dazu in der Vorlage: “In einem Gespräch zwischen dem Kulturstaatsminister Bernd Neumann und dem Oberbürgermeister von Leipzig, Herrn Jung, machte Herr Neumann deutlich, dass bei einem Abbruch des Verfahrens die bisherigen Kosten vollständig von der Stadt Leipzig zu tragen sind. Die Verfahrenskosten zuzüglich der zu erwartenden Schadenersatzforderungen der Wettbewerbsteilnehmer liegen bei ca. 600.000 Euro. Mit einem Verfahrensabbruch wäre außerdem die Chance vertan, mit Fördermitteln die derzeitige Brache Wilhelm-Leuschner-Platz als gestalteten öffentlichen Raum zurückzugewinnen. Für eine einfache Platzgestaltung sind ca. 2,9 Mio. Euro erforderlich.”

Dass diese Vermengung von Platzgestaltung und Denkmal zu den am Ende sehr diffusen Wettbewerbsentwürfen geführt hat – kein Wort dazu.

Aber Burkhard Jung hat sich von Bernd Neumann noch eine Aussage bestätigen lassen, mit der er den Stadtrat zusätzlich unter Druck setzen kann: “Ob sich im Fall des Abbruchs des jetzigen Verfahrens und Neuauslobung die Zuwendungsgeber Bund und Freistaat Sachsen erneut mit Finanzierungszusagen an dem Projekt beteiligen, wurde in dem Gespräch zwischen Kulturstaatsminister Bernd Neuman und dem Oberbürgermeister Burkhard Jung vom Bund eindeutig verneint. Es wird eingeschätzt, dass die Realisierung eines Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmals nur mit konsequenter Fortsetzung des laufenden Verfahrens gelingen kann.”

Nennt man so etwas Daumenschraube?

Zur Erinnerung: Berlin durfte nach der völlig missglückten ersten Wettbewerbsrunde eine zweite – mit veränderten Modalitäten – starten. Im Klartext heißt das nun: Entweder akzeptieren die Leipziger das, was ihnen im Juli an Entwürfen vorgesetzt wird (und noch ist ja die Hoffnung nicht geschwunden, dass einer der drei Entwürfe ja doch noch zu einer gewissen künstlerischen Stärke gediehen ist) – oder es gibt keinen Euro vom Bund, Leipzig bleibt auf den schon verursachten Kosten sitzen und hat eventuell (was erstaunlich oft betont wird in dem Papier) auch noch mit Schadensersatzklagen der Preisträger zu rechnen.

Aber mitreden dürfen die Leipziger trotzdem nicht. Eine Art Transparenz soll es geben.

Am 1. Juli sollen die weiterentwickelten Entwürfe von der Jury bewertet werden, eventuell werden sie im Juli auch wieder ausgestellt. Der entscheidende Ratsbeschluss über die Aufnahme des Verhandlungsverfahrens soll im Oktober gefällt werden. Siehe oben: Der Stadtrat entscheidet über das “ob”. Wenn er zustimmt, dass am Ende doch noch ein sehenswertes Denkmal dabei herausgekommen ist, beginnen die Verhandlungsgespräche im November, die Vergabeentscheidung fiele dann im Januar 2014.

Das Papier zum Nachlesen:
http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/FEF64E59AE841177C1257B94002598FF/$FILE/V-ds-3112-text.pdf

Das Denkmal auf der Seite der Stadt:
www.leipzig.de/de/buerger/politik/denkmal

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar