Am 10. Juli befürwortete die Stadtratsmehrheit die Fortführung des Kanalprojekts Elster-Saale. Obwohl in erstaunlicher Einhelligkeit Grüne und FDP vor diesem 151-Millionen-Projekt warnten. Auch vor der Rolle, die Leipzig als "Motor" der Sache dabei spielen soll. Aus der Linksfraktion sprach sich Stadtrat Siegfried Schlegel vehement für die Fortführung des Projekts aus. Das war einem Leipziger Bürger eine Nachfrage auf Abgeordnetenwatch wert.

Denn wenn es um das Geld der Bürger geht – und nichts anderes sind die kalkulierten 151 Millionen Euro für den Weiterbau des Kanals auf sachsen-anhaltinischer Seite mit einem opulenten Schiffshebewerk als “Touristenmagnet” – dann sollten die Bürger auch erfahren, wer hier so freigiebig mit ihrem Geld hausiert und was am Ende dabei wirklich herauskommen soll. Und vom wirtschaftlichen Standpunkt her kommt nichts dabei heraus außer einer gewaltigen Investition in ein touristisch völlig unwichtiges Stück Ackerland.

Selbst die magere “Wirtschaftlichkeitsberechnung”, die der Stadtratsvorlage anhing, schaffte es nicht, auch nur ansatzweise eine Kostendeckung zu belegen. Für eine Stadt wie Leipzig, die anerkanntermaßen allein einen Sanierungsstau von 1,2 Milliarden Euro vor sich her schiebt, ist ein solches Kanal-Projekt illusorisch. René Hobusch, Stadtrat der FDP, hat schon bei der beschlossenen Kanalverbindung vom Lindenauer Hafen zum Karl-Heine-Kanal heftig kritisiert, dass dieses Geld für die fehlenden Schul- und Kita-Neubauten in Leipzig wesentlich dringender gebraucht würde.

Selbst der verantwortliche Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal musste zugeben, dass sich der Kanalbau wirtschaftlich nicht rechnet, nahm aber die Vorlage nicht zurück.

Matthias Malok fragte nun auf Abgeordnetenwatch den vom Kanal so begeisterten Linke-Stadtrat Siegfried Schlegel: “Sehr geehrter Herr Schlegel, aus dieser Pressemeldung (www.l-iz.de) konnte ich entnehmen, dass Sie für eine Weiterführung des Projektes geworben haben, obwohl Herr Rosenthal erklärt hat, dass sich der Kanal als solches nicht wirtschaftlich darstellen lässt. – Könnten Sie hier noch einmal für alle Leser darlegen, warum und mit welchen Intentionen Sie und Ihre Fraktion für die Ratsvorlage gestimmt haben?”

Am 12. Juli antwortete Siegfried Schlegel auf seine gewohnt beherzte Art: “In Ihrer Frage unterstellen Sie, dass ich ‘für eine Weiterführung des Projektes geworben’ habe, obwohl Herr Rosenthal erklärt hat, dass sich der Kanal als solches nicht wirtschaftlich darstellen lässt. Dies entspricht nicht den Tatsachen und es steht auch so nicht in dem LIZ-Artikel. In diesem steht: ‘Zunächst sprach sich Siegfried Schlegel von der Fraktion ‘Die Linke’ für eine Fortführung der Konzeptionierung aus’. Auch heißt es am Schluss des Artikels ‘Letztlich beschlossen die Abgeordneten die Vorlage zur Kenntnis zu nehmen und dass sich die Stadt weiter an einer Konzeptionierung beteiligt.’
Das ist etwas ganz anderes als, die Umsetzung des Projektes, wie es im Konzept nur zur ‘Kenntnis genommenen’ wurde. Vielmehr sagt der Beschluss, dass an dem Konzept mit Halle und den Anliegerkommunen sowie dem Landkreis Merseburg-Querfurt weiter gearbeitet werden muss, um eine wirtschaftlich tragfähige ökologische und nachhaltige Lösung zum Nutzen der ganzen Region zu Stande kommt.

Den Text der Rede als gesprochenes Wort können Sie im vollen Wortlaut auf der Internetpräsentation der Stadtratsfraktion ‘Die Linke’ seit gestern früh nachlesen.”

Die Rede ist ganz bestimmt ein Kleinod Schlegelscher Redekunst. Aber es stehen auch Sätze drin wie dieser: “Warum sollte nicht der natürliche Lauf der Weißen Elster in der Auenlandschaft unangetastet bleiben und eine neue südliche Trasse dem Hochwasserschutz und touristischen Nutzungen oder als Wasserstraße in einer hochwertig gestalteten Landschaft mit Landwirtschaft dienen?”

Aber auch die Antwort auf Abgeordnetenwatch zeigt, wie all diese Ich-kann-ja-nix-dafür-Szenarien bei deutschen Großprojekten entstehen. Am Anfang wird immer nur “zur Kenntnis genommen”, werden “Konzeptionen unterstützt” und “Projekte begleitet”. Es hat sich ja mittlerweile ein ganzer politischer Phrasenberg angesammelt, mit dem Entscheidungen immer wieder ein Stück weiter getrieben werden, so unmerklich, dass eines Tages alle notwendigen Entscheidungen gefallen sind – keiner hat’s gemerkt, keiner hat direkt dafür votiert. Aber auf einmal sind die Projekte “alternativlos”.
Genauso wird beim Projekt Elster-Saale-Kanal operiert. Ein verantwortlicher Bürgermeister hätte die Vorlage genau an dem Punkt, an dem die Wirtschaftlichkeit nicht mehr nachweisbar ist, zurückgezogen.

Als Beschlusspunkt steht jetzt jener 2. Absatz, den die Grünen gern ersetzt gehabt hätten: “Die Stadt Leipzig unterstützt und befördert auch zukünftig konzeptionell und ideell die Fortführung des Projektes ‘Anbindung des Saale-Elster-Kanals an die Saale’. Dabei wird sie sich mit der Stadt Halle intensiv abstimmen, um die gemeinsamen Ziele dieser Städtekooperation in das Projekt einzubringen.”

Und jetzt erzähle mal einer, was die Formel “unterstützt und befördert auch zukünftig konzeptionell und ideell die Fortführung des Projektes” bedeutet, wenn nicht ein Vorantreiben des Projektes, das von Leipziger Seite auch weiter mit Geld und Personal unterfüttert wird?

Nur dummerweise stehen diese Summen und Personalstellen nicht in der Vorlage. Sind ja nur Kosten. Die stören immer, wenn man den Leuten eine “große Vision” verkaufen möchte.

Siegfried Schlegels Antwort auf Abgeordnetenwatch:
www.abgeordnetenwatch.de/siegfried_schlegel-642-44829–f384219.html#q38421

Siegfried Schlegels Redebeitrag im Stadtrat am 10. Juli:
www.linksfraktion-leipzig.de/nc/im_stadtrat/reden/aktuell/detail/zurueck/aktuell-226f6d5d26/artikel/so-wie-unsere-generation-von-den-visionen-und-strategien-unserer-vorfahren-partizipieren-sollen-die/

Zum letzten Teil der Reihe “Touristische Potenzialanalyse” zum Elster-Saale-Kanal vom 19. Mai 2013 auf L-IZ (weitere von dort verlinkt)
“Touristische Potenzialanalyse” zum Elster-Saale-Kanal (4): Erst der Kanal – dann 3.700 neue Motorbootbesitzer

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