Am 22. Januar wurde im Leipziger Stadtrat das Bürgerbegehren für eine "Privatisierungsbremse" abgelehnt. Auch der Grünen-Antrag, der über ein so genanntes Ratsbegehren einen Bürgerentscheid bei Verkaufsentscheidungen zur Norm machen wollte, fand keine Mehrheit. Vielleicht hätte sich der Stadtrat wirklich mehr Zeit nehmen sollen, über das Thema ernsthaft zu diskutieren.

Denn eine wirkliche Diskussion gab es am Mittwoch während der 45 Minuten zu diesem Tagesordnungspunkt nicht. Die bekannten juristischen Argumente wurden ausgetauscht. Über die Verantwortung von Stadt und Stadtrat für kommunales Eigentum und die Schwellen für dessen Veräußerung wurde nicht ernsthaft gesprochen. Dann wurde wieder in fraktioneller Geschlossenheit abgestimmt. Fertig der Lack.

Und auch, wenn OBM Burkhard Jung im Anschluss an die Abstimmung versicherte, dass es derzeit “keinerlei Pläne in irgendeiner Weise, einen weiteren Ausverkauf von irgendwelchen gemeinwohlorientierten oder unternehmensorientierten Teilen der Stadt Leipzig durchzuführen”, gibt. Es zeigte, wie wenig ernst die Besorgnis der Leipziger genommen wird, dass bei knapper Finanzlage doch wieder wertvolles Gut zu Markte getragen wird.

Bedauern äußert dazu Grünen-Stadtrat Ingo Sasama: “Unser Vorschlag, zukünftig bei bevorstehenden Entscheidungen über den Verkauf städtischen Eigentums, das dem Gemeinwohl und der öffentlichen Daseinsvorsorge dient, über die Einleitung eines sog. Ratsbegehrens und damit über die Durchführung eines Bürgerentscheids gemäß § 24 Abs. 1 2. HS SächsGemO hat in der gestrigen Ratssitzung bedauerlicherweise keine Mehrheit gefunden, sondern wurde mit übergroßer Mehrheit abgelehnt.”Er sieht nun ausgerechnet die Linken in der Kritik, die am Mittwoch den Bürgerentscheid unbedingt wollten.

“Gerade die Linksfraktion hat damit an Glaubwürdigkeit verloren, da der Änderungsantrag die Möglichkeit geboten hätte, die Bürgerinnen und Bürger zukünftig viel stärker als bislang in die Entscheidungen beim Verkauf städtischen Eigentums, welches der Daseinsvorsorge dient, einzubinden und zu beteiligen – Forderungen, welche die Linksfraktion immer wieder öffentlich beteuert. Dass sie nun diesen Vorschlag mit großer Mehrheit ablehnen, grenzt schon an Doppelzüngigkeit und sie muss sich fragen lassen, inwieweit die Inszenierung nur ihrer politischen Profilierung dient”, meint Sasama.

Für die Stadtratsfraktion stellen Bürgerentscheide eine wichtige Ergänzung zur parlamentarischen Demokratie dar.

“Wir wollen mehr direkte unmittelbare Demokratie in Leipzig ermöglichen, da Bürgerentscheide in wesentlichen, kommunalpolitischen Angelegenheiten Transparenz und Vertrauen schaffen”, sagt Sasama. “Im vorliegenden Fall hatten wir die verschiedenen Rechtsauffassungen, die dargelegt und an uns herangetragen wurden, sorgfältig geprüft. Dabei sind wir abschließend zu dem Ergebnis gekommen, dass der vorgelegene Antrag auf Durchführung eines Bürgerentscheids tatsächlich und wirklich unzulässig war. Wir bedauern dies sehr, da aus unserer Sicht viel Enthusiasmus und Bürgerengagement vergeblich investiert wurden, obwohl wir die Initiatoren bereits beim Entstehen der Initiative auf rechtliche Probleme hingewiesen haben, welche aber leider nicht aufgegriffen wurden.”

Aber auch dem Grünen-Antrag folgte die Stadtratsmehrheit nicht. Ist die Zeit noch nicht reif?

“Mit unserem Änderungsantrag wollten wir einen Paradigmenwechsel hin zu mehr direkter Demokratie einleiten, in dem wir uns als Stadträtinnen und Stadträte gemeinsam und ernsthaft mit der Möglichkeit, ein Ratsbegehren im konkreten Einzelfall einzuleiten, auseinandersetzen und es dann bei vorliegenden Voraussetzungen auch zur Anwendung bringen sollten”, so Sasama. “Dazu fand sich im aktuellen Stadtrat, auch durch die Verweigerungshaltung der Linksfraktion, leider keine Mehrheit – wir werden als Fraktion dieses Thema aber weiter beharrlich verfolgen und vorantreiben!”

Zum (abgelehnten) Antrag der Grünen im Stadtrat
notes.leipzig.de | Bürgerbegehren PDF

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