Ingo Sasama (Die Grünen) haute in seiner Funktion als Vorsitzender des Leipziger Petitionsausschusses als erster auf den roten Knopf. "Ich halte es für eine Brüskierung des Ausschusses, was hier geschieht." So richtig ernst genommen fühlte man sich bei der Frage, welche eine Petition beinhalte, nicht mehr. In der Sache ging es um "betriebsbedingte Kündigungen" in städtischen Unternehmen, derzeit wohl akut betroffen: das Sankt Georg. Die Petition rief die Stadt als Gesellschafter aufn, eben jene Kündigungsform nicht mehr zu nutzen. Es entspann sich eine lebhafte - fast einstündige - Debatte.

Der zu beschließende Vorschlag des Petitionsausschusses lautete:

1. Der Stadtrat weist den Oberbürgermeister als Gesellschafter und die Vertreter der Stadt Leipzig in den Gremien an, in allen städtischen Eigengesellschaften oder Mehrheitsbeteiligungen zu veranlassen, dass betriebsbedingte Beendigungskündigungen grundsätzlich zukünftig ausgeschlossen werden. Ausnahmen sind nur dann möglich, wenn betriebliche Gründe keine andere Möglichkeit mehr für eine zwingend nötige Personalreduzierung bieten, insbesondere wenn die wirtschaftliche Existenz des Unternehmens massiv bedroht ist.

2. Die Betroffenen sind über freie vergleichbare Stellen im Stadtkonzern (Eigengesellschaften oder Mehrheitsbeteiligungen) zu informieren.

3. Der Verwaltungsausschuss des Stadtrates ist als Beteiligungsausschuss in jedem dieser Fälle informell zu beteiligen.

Der SPD mit Fraktionschef Axel Dyck an der Spitze gingen diese Formulierungen in der Beschlussvorlage des Petitionsausschusses zu weit. Sie umfasse alle kommunalen Betriebe, durch die fehlende Zeitbegrenzung würde man somit als Gesellschafter in die Tarifautonomie der Unternehmen eingreifen. Stattdessen und hierin machte er sich die kurzfristig verbreitete Haltung des amtierenden Oberbürgermeisters zu eigen, wäre hier eine wirtschaftlich vertretbare Möglichkeit, in allen Eigenbetrieben darauf hinzuwirken, betriebsbedingte Kündigungen befristet bis 2018 zu unterlassen.

In der Linken und bei den Grünen hatte man sich jedoch offenbar vorgenommen, um die verbindlichen Formulierungen zu kämpfen, die SPD wirkte anfangs unter den wachsamen Augen auch des anwesenden Betriebsrates der LVB eher gespalten.
In einer Antwort fragte Katharina Krefft (Grüne) letztlich zurück, wozu man denn dann überhaupt kommunale Unternehmen habe. Im Petitionsvorschlag sehe sie den richtigen Weg, hier verbindliche Lösungen für funktionierende Betriebe zu finden. Margitta Hollick (Die Linke) sprach anschließend von Täuschung bezüglich der Frage, ob hier Arbeitsplätze gefährdet würden. Kein kleiner Vorwurf in Richtung derer, die der Petition negativ entgegenstehen, da sie eine fehlende Flexibilität befürchten.

Zu diesen gesellte sich anschließend auch Reik Hesselbarth (FDP) bevor auch Stefan Billig (CDU) das Wort ergriff. Hesselbarth befürchtete, dass eben jene Festlegung der Nichtmöglichkeit betriebsbedingter Kündigungen an kommunalen Unternehmen zur Gefährdung der gesamten Unternehmen führen könnte.

Stefan Billig ging noch einen Schritt weiter und frischte noch einmal eine alte Debatte um die Frage auf, warum man den kommunalen Unternehmen, welche immerhin ja auch verpflichtet seien, erfolgreich am Markt zu agieren, einen Teil des normalen unternehmerischen Werkzeugs nehmen wolle.

Oberbürgermeister Burkhard Jung nahm sich am Ende der Diskussion mal so richtig Zeit. Sach- und Finanzziele gehörten bei den kommunalen Unternehmen zusammen. Sind die Unternehmen nicht tragfähig, steht umgehend die Stadt Leipzig in der Haftung. Alle wollen doch unbedingt betriebsbedingte Kündigungen vermeiden – egal ob Herr Billig oder die Linke – darin sei man sich ja einig.
Zum Beispiel bei den LVV sei allgemein das Aktienrecht zu beachten, so der OBM. Da werde es sehr, sehr schwer, in die Tarifautonomie des Unternehmens als städtischer Gesellschafter einzugreifen, der Aufsichtsrat sei hier letztlich das entscheidende Gremium. Die in die Aufsichtsräte entsandten Stadträte hätten keine Chance, mit diesem Ziel im Aufsichtsrat Forderungen durchzusetzen, da sie dort nur ihrem eigenen Gewissen und den Unternehmen verpflichtet seien. Das funktioniere nicht.

Vor allem hob der OBM nochmals hervor, dass die fehlende Zeitfristbindung in der Petitionsvorlage zu einem Millionenrisiko führen könne. Beispiel war dabei immer wieder das Sankt Georg, derzeit in schwerer Lage, ein Zustand welcher vor acht Jahren schließlich auch nicht absehbar gewesen sei.

Am Ende bot Burkhard Jung einen Kompromiss an, der einige derart ins Grübeln brachte, dass es zu einer fünfminütigen Auszeit kam. Bis 2018 könne man den Antrag des Petitionsausschusses zeitlich binden, dann wäre es aus Sicht Burkhard Jungs umsetzbar. Es folgten Verhandlungen bis in den Flur hinaus. Nach der Pause kam es zu einer Entscheidung, die man wohl einen goldenen Mittelweg nennen könnte.

Im entscheidenden Punkt 1 der Petitionsvorlage gab es die Ergänzung, dass die Bindung nur bis 2018 gelte.

Eng wurde es dann in der namentlichen Abstimmung nicht mehr wirklich. Innerhalb der CDU konnte man Enthaltungen und Ja-Stimmen bunt gewürfelt hören, die FDP blieb ihrer Gegenmeinung treu, die Linke, Grüne und die SPD führten somit gemeinsam eine Mehrheit herbei. 52 Ja-Stimmen ergab am Ende das namentliche Aufrufen der Stadträte.

Damit wurde der Leipziger OBM heute durch den Stadtrat beauftragt, diesen Beschluss in allen kommunalen Betrieben soweit irgendmöglich durchzusetzen – ausgeschlossen seien nur Unternehmen, deren Zukunft akut bedroht sei. 2017 wird dann zu dieser Frage im Rat erneut zu befinden sein. Bis dahin scheinen betriebsbedingte Kündigungen in kommunalen Unternehmen nun nahezu ausgeschlossen.

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