Müll ist ein besonderes Gut. Damit lässt sich sogar Geld verdienen. Wir trennen ihn, sammeln ihn ... Der unliebsame Blick aufmerksamer Anwohner bei der Benutzung der gerade geleerten Mülltonnen, die nicht zum eigenen Haus gehören, sagen schon eine Menge über unsere verquere Beziehung zum Schrott aus.

Der Ortschaftsrat Seehausen hatte ebenfalls eine verwegene Idee. Er wollte die Stadt Leipzig beauftragen, eine App zu erarbeiten, die die Meldung von Verschmutzungen und Störungen im Stadtgebiet ermöglicht. Die sogenannte Dreckweg-App sollte bis zum 4. Quartal 2014 fertig sein. Damit versprach man sich eine Verbesserung der Ordnung und Sauberkeit in Leipzig. Bereits in Städten wie Dresden, könne man solche Entwicklungen beobachten.

Mit dieser App sollten Bürgerinnen und Bürger Verschmutzungen in der Stadt mittels Beschreibung, Foto und GPS-Koordinaten umgehend melden können, so dass die Stadtverwaltung geeignete Maßnahmen kurzfristig einleiten kann. Eine Statistik sollte regelmäßig die Bevölkerung über die Ergebnisse informieren. Neben dem gewünschten Effekt verbesserter Sauberkeit sollte auch eine Sensibilisierung der Bürger gegenüber dem Thema erreicht werden. Pragmatik und Didaktik mit digitalem Anstrich.

Das Dezernat für Umwelt und Ordnung sieht hier erhebliche Hindernisse. Die Stadtverwaltung will in diesem Zusammenhang die Voraussetzungen und Auswirkungen für die Realisierung einer App prüfen. Die nicht unerheblichen finanziellen Aufwendungen dafür sind im Haushalt für 2014 nicht geplant. Ebenso seien datenschutzrechtliche und sicherheitstechnische Rahmenbedingungen und Parameter bei der Erstellung und vor Installierung zu prüfen.

“Bereits zum jetzigen Zeitpunkt werden durch die Bevölkerung die vorhandenen Möglichkeiten (Bürgertelefon, Ordnungstelefon, Schriftverkehr, E-Mail, persönliche Ansprache u. a.) zur Meldung von Sauberkeitsproblemen rege genutzt.” 2013 gingen mehr als 3.800 Bürgerhinweise allein beim Stadtordnungsdienst ein. Durch die Teilnehmer des Förderprojekts “BürgerdienstLE” wurden weitere 20.000 Hinweise auf Unsauberkeit an die jeweiligen Fachämter weitergeleitet. “Anhand dieser Zahlen ist zu erkennen, dass es keinen Mangel an Input-Informationen gibt.”

Eine Vielzahl der Sachverhalte bleibe jedoch unerledigt, da hierfür entweder keine Zuständigkeit der Stadtverwaltung (Privatflächen) oder kein Rechtsverstoß bzw. Gefahrentatbestand erfüllt werde. Auch die “Dreckweg-App” kann in solchen Fällen nichts am Ist-Zustand ändern.

Des Weiteren würde bei einer breiten Anwendung der App ein entsprechender Ausbau der personellen und technischen Ressourcen notwendig. Die dadurch entstehenden Kosten können schon allein aus rechtlichen Gründen nicht auf die Abfallgebühren umgelegt werden. Bei dem Verweis auf die Erfahrungen der Stadt Dresden müsse beachtet werden, dass eine vergleichbare IT-Infrastruktur in der Stadt Leipzig nicht vorhanden ist.

Berndt Böhlau (Ortschaftsrat Seehausen) plädierte vor den Stadträten erneut für die Bestätigung des Antrags. “Leipzig soll sauberer werden und die App ist eine moderne Möglichkeit diese Sauberkeit herzustellen”, so Böhlau. Vor allem junge Leute würden das Angebot annehmen. Das Argument des Verwaltungsstandpunktes, dass eine vergleichbare IT-Infrastruktur wie in Dresden nicht vorhanden sei, lässt Böhlau nicht gelten. Diese könne mit Hilfe der Erfahrungen aus Dresden geschaffen werden.

René Hobusch (FDP) kritisierte vor allem die Gefahren, die im Zuge der Datenproduktion ins Haus stünden. Bürgerprofile werden entwickelt. “Die öffentliche Verwaltung soll nicht in mein Schlafzimmer schauen, meine Daten gehören mir”, fordert Hobusch überspitzt. Ebenso mahnt er zur Vorsicht vor Denunziation. Es sei nicht Aufgabe der Bürger, ihre Nachbarn zu verpetzten.

Für Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal ist der Antrag an sich nachvollziehbar. Nicht die App an sich sei schwierig, sondern die Infrastruktur die dahinter steht. “In Dresden hat das Land Sachsen die IT-Infrastruktur zur Verfügung gestellt”, so Rosental. Eine Fertigstellung bis zum 4. Quartal 2014 sei nicht möglich. Rosenthal bat um Geduld, um die Voraussetzungen und Auswirkungen für die Realisierung einer App, zur Meldung von Verschmutzungen und Störungen im Stadtgebiet bis zum 4. Quartal 2014 prüfen zu lassen. Der Antrag in der Fassung des Verwaltungsstandpunktes wurde mit wenigen Gegenstimmen und einigen Enthaltungen angenommen.

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