Mitte September - um den 16. herum - sorgte eine kleine Hangrutschung für Aufsehen am Kulkwitzer See. Auf Markranstädter Seite war ein fünf mal drei Meter großes Stück vom Steilufer abgebrochen. Für manchen Liebhaber des Sees ein kleines Warnzeichen: Sind die Ufer des Sees tatsächlich sicher? - Die Frage war nur: Wer könnte es wissen? Die L-IZ hat lieber mal gleich drei Instanzen gefragt.

Die erste ist zwar für alle aktuellen Tagebauseen-Projekte in Sachsen zuständig, für den schon 1973 zur Naherholung freigegebenen Kulkwitzer See im Leipziger Westen aber gewissermaßen nur noch indirekt. Das ist die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (LMBV), die dann auch mitteilte: “Der Kulkwitzer See liegt außerhalb der Rechtsverpflichtung der LMBV. Zuständig ist das Sächsische Oberbergamt (SOBA) Freiberg bzw. der Zweckverband Kulkwitzer See, dem die Städte Leipzig und Markranstädt angehören.”

Aber ganz außerhalb der eigenen Arbeit liegt dieser älteste Leipziger Tagebausee nicht. Und die steilen Böschungen sind durchaus sein Arbeitsgebiet. Denn gerade dort, wo ein Fußweg und – in etwas Distanz – die Lützner Straße sehr dicht am Ufer vorbeiführen, bildet ein Steilufer die Nordabgrenzung des Sees. Hier musste schon einmal eingegriffen werden, um das Ufer an einigen Stellen zu sichern. Das war 2006/2007 zuletzt der Fall, teilt die LMBV mit: “2006/2007 hat die LMBV einmalig Sicherungsmaßnahmen an der Nordböschung realisiert. Im Auftrag des SOBA hat die LMBV über das Verwaltungsabkommen zur Braunkohlesanierung die Wasserwechselzone an der Nordböschung (unterhalb der Bundesstraße 87) durch Steineschüttung gesichert sowie den Ableiter für das Überschusswasser des Sees in den Zschampert errichtet und damit die bis dahin laufende Pumpstation zur Sicherung des Seewasserspiegels abgelöst.”

Bleibt trotzdem die Frage: Kann am Kulkwitzer See Ähnliches passieren wie 2009 am Concordiasee in Sachsen-Anhalt, als ein 350 mal 150 Meter breiter Landstreifen mit einem darauf stehenden Doppelhaus, Kiosk und Aussichtspunkt in den See rutschte?

Die LMBV beruhigt: Der Unglücksfall ist in die eigene Arbeit mit eingeflossen. “Die Erkenntnisse aus dem Böschungsunglück von Nachterstedt in Sachsen-Anhalt sind in die Theorie und Praxis der Bergbausanierung eingeflossen. Gekippte Bereiche im Verantwortungsbereichen der LMBV in Westsachsen sind durch von ihr beauftragte Sachverständige für Böschungen noch einmal nach dem Unglück untersucht worden. Ein grundsätzliches Umdenken war nicht notwendig, da Anomalien und Wassergängigkeiten eine besondere Rolle an den Nachterstedter Böschungen spielten. Die Böschungen sind grundsätzlich für den Endeinstau der sich füllenden Hohlformen ausgerichtet und unterliegen während der Flutung besonderen Belastungen. Vorzeitige Zwischennutzungen (vor Erreichen der Endwasserpegel) auf Wunsch Dritter unterliegen besonderen Sicherheitsanforderungen.”

Gefragt ist natürlich auch der Zweckverband Kulkwitzer See, in dem die beiden Städte, die sich den Kulkwitzer See teilen, zusammenarbeiten. Die Fragen gingen direkt an die Leipziger Stadtverwaltung. Dessen Amt für Umweltschutz fasste sich aber ganz kurz und verwies ebenfalls auf die zuständige Behörde: Der “Kulkwitzer See ist ein Restloch aus dem ehemaligen Braunkohletagebau. Das Sächsische Oberbergamt nimmt für den Freistaat Sachsen die Bergaufsicht auf Grundlage von Bundes- und Landesgesetzen wahr. Die Aufsicht schließt den Vollzug des Bundesberggesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften ein. Die Dienststelle des Freistaates dürfte mit seinem Expertenwissen in der Lage sein, Auskünfte zu geotechnischen Fragen der Standsicherheit von künstlichen Böschungen von Spülkippen an Tagebaurestlochseen zu geben.”

Dort weiß man über den Hangrutsch am Kulkwitzer See Bescheid, bestätigt das Sächsische Oberbergamt. Am 19. September wurde es von der Stadt Markranstädt über eine Abbruchkante am Westufer des Kulkwitzer Sees informiert.

Im gleichen Zug erläutert man die nicht ganz so einfache Gemengelage im sächsischen Bergrecht: “Eine Bergaufsicht am Kulkwitzer See existiert seit 1963 nicht mehr. Bei dem Restloch Kulkwitz handelt es sich um Altbergbau ohne Rechtsnachfolger. Das Sächsische Oberbergamt ist demnach nicht bergrechtlich zuständig, lediglich auf Grundlage der Sächsischen Hohlraumverordnung (SächsHohlrVO) vom 20. Februar 2012 (SächsGVBl. S. 181) als zuständige Polizeibehörde für die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Bezug auf unterirdische Hohlräume, Halden und Restlöcher.”Aber wer kontrolliert nun die Standfestigkeit der Ufer am Kulkwitzer See?

Auch das ist nicht ganz so einfach, stellt das Oberbergamt fest: “Nach Beendigung der Bergaufsicht gehen das Nutzungsrisiko und ggf. Kontrollpflichten auf den Eigentümer über. Dennoch auftretende Schadensereignisse werden hinsichtlich des Gefährdungspotenzials für die öffentliche Sicherheit geprüft und bei Erfordernis werden Maßnahmen zur Gefahrenabwehr eingeleitet bzw. veranlasst. Nach dem Sächsischen Oberbergamt vorliegenden Informationen handelt es sich um Ausspülungen in Folge von Wasserspiegelschwankungen und Nachrutschen der Böschung. Eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ist daraus nicht abzuleiten. Der angezeigte Schadensbereich wird vom Sächsischen Oberbergamt jedoch noch befahren. Das Ergebnis wird dem Grundstückseigentümer/Nutzer mitgeteilt.”

Die erste Annahme stimmte also: Zuständig für die Kontrolle sind die Kommunen, auf deren Gebiet der See liegt – fürs Ostufer die Stadt Leipzig, fürs Westufer die Stadt Markranstädt, die sich am 19. September dementsprechend auch ans Oberbergamt gewendet hat.

Das will sich die Abbruchstelle also noch genauer anschauen. Aber eine Vergleichbarkeit mit dem Concordia-See sieht auch das Oberbergamt nicht: “Ein unmittelbarer Vergleich mit dem Concordia-See ist schon aufgrund der unterschiedlichen geologischen und geotechnischen Verhältnisse nicht sinnvoll. Zum Ende des Bergbaues wurde für das gesamte Restloch Kulkwitz (ehemalige Tagebaue Kulkwitz und Miltitz) ein Gutachten angefertigt (Standsicherheitsnachweis). Dies weist keine Gefahr für Rutschungen und insbesondere keine setzungsfließgefährdeten Böschungen aus. Aus Sicht der Gefahrenabwehr ist daher kein verstärktes Untersuchungsregime erforderlich.”

Aber der Tatsache, dass gerade das Nordufer des Kulkwitzer Sees von einer nicht ganz unproblematischen Steilkante begrenzt wird, ist man sich bewusst. Das habe man auch schon beim Bau der Lützner Straße zwischen Leipzig-Grünau und Markranstädt beachtet.

“Die Sanierung nach dem Bergbau orientierte sich bereits an der vorhandenen bzw. geplanten Nachnutzung. Für die Fernverkehrsstraße, heute Bundesstraße 87, bestand ausreichende Sicherheit, ein Ausbau in Richtung Restloch wurde bereits damals aus Sicherheitsgründen ausgeschlossen”, erläutert Oberberghauptmann Prof. Dr. Bernhard Cramer die Sachlage. Betont aber auch: “Einzelne Böschungsabschnitte waren schon immer trotz rechnerischer Sicherheit zu steil, so dass Absturzgefahr bestand, welcher durch einen Sicherheitsabstand begegnet wurde. Bei genehmigter Nutzung, z. B. Fußweg, müssen durch den Bauherrn / Grundeigentümer entsprechende Sicherungsmaßnahmen umgesetzt werden.”

Aber kommen die Bergspezialisten aus Freiberg tatsächlich erst, wenn in Leipzig oder Markranstädt jemand zum Telefonhörer greift? Immerhin kann es, so stellt es auch Professor Cramer fest, immer wieder zu kleineren Abbrüchen kommen: “Durch Wasserspiegelschwankungen sowie Wellenschlag kommt es selbstverständlich zu ständigen Veränderungen und auch Ausspülungen an den Böschungen. Daher sind grundsätzlich auch Böschungsrutschungen bzw. -abbrüche nicht auszuschließen.”

Aber wer hat da nun ein Auge drauf? Bernhard Cramer: “Ein regelmäßiges Kontrollregime sollte daher von Seiten der Eigentümer und Nutzer vorhanden sein.”

www.oba.sachsen.de

www.lmbv.de

www.markranstaedt.de

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