Am 1. Januar veröffentlichte die Financial Times Deutschland online einen Artikel zu einem Untersuchungsbericht, der sich mit den Pannen bei den Ermittlungen gegen das Zwickauer Neonazi-Trio beschäftigt. Titel: "Staat wusste von Straftaten der Terrorzelle". Ein Bericht, den auch die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) Sachsens gern eingesehen hätte. Doch das werde verweigert, kritisiert Carsten Biesok, der für die FDP Mitglied des Kontrollgremiums ist.

Sowohl das Bundesinnenministerium als auch das Bundesamt für Verfassungsschutz würden die Herausgabe des Entwurfs des Untersuchungsberichtes an die Parlamentarische Kontrollkommission des Sächsischen Landtages verweigern. Eine entsprechende Weisung hätte das Sächsische Innenministerium direkt vom Bundesinnenministerium erhalten. Zugleich läge der besagte Entwurf dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages bereits vor. Zudem würden Einzelheiten aus dem Bericht bereits im Nachrichtenmagazin “Der Spiegel” und in diversen Tageszeitungen wiedergegeben. Und eben auch in der “FTD”.

Dazu erklärt Carsten Biesok, Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission Sachsens und rechtspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Sächsischen Landtag:

“Das Vorgehen des Bundesinnenministeriums und des Bundesamtes für Verfassungsschutz, den Zugang für die Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission des Sächsischen Landtages zum Entwurf des Untersuchungsberichtes zu verweigern, ist eine eklatante Missachtung des Parlaments in Sachsen”, sagt Biesok, der auch rechtspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Sächsischen Landtag ist. “Umso mehr, weil im Gegensatz dazu der Entwurf des Untersuchungsberichtes sowohl dem Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages, als auch dem Sächsischen Innenministerium zur Kenntnis gebracht wurden. Der Sächsische Innenminister Ulbig tritt für eine vollständige Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission in Sachsen ein und wird von seinem Kollegen auf Bundesebene daran gehindert. Dies ist ein einmaliger und bemerkenswerter Vorgang unter Innenministern.”Denn immerhin steht ja auch die Frage im Raum, was der sächsische Verfassungsschutz über den Verbleib der drei Thüringer Neonazis wusste, inwieweit er von den Thüringer Kollegen informiert und eingebunden wurde, was die sächsische Polizei ermittelt und inwieweit die Gesetzeshüter und Verfassungsschützer miteinander kooperierten. Alles Fragen, die zum Ur-Wesensgrund der PKK gehören, die auf Verfassungsgrundlage genau dazu eingerichtet wurde: die Verfassungsschützer durch das Parlament kontrollieren zu können.

Carsten Biesok: “Aus der ‘Financial Times Deutschland (FTD)’ erfährt man als Mitglied einer Kontrollkommission für den Verfassungsschutz mehr, als vom Bundesinnenminister und dem Bundesamt für Verfassungsschutz. In der FTD wird von gravierenden Pannen bei der Verfolgung der untergetauchten Terroristen berichtet. Als Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission muss ich überprüfen können, ob es diese Pannen beim Sächsischen Landesamt für Verfassungsschutz gegeben hat. Bislang sind mir keine bekannt.”

Auch für ihn ist der Aufklärungsbedarf mittlerweile gewaltig gewachsen. “Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass das Neonazi-Trio lange Zeit in Sachsen seine Hauptbasis hatte und das Aufklärungsbedürfnis hier um so dringlicher ist, ist das Vorgehen des Bundesinnenministeriums für mich als Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission absolut inakzeptabel”, erklärt Biesok. “Im Interesse einer lückenlosen und umfassenden Aufklärung der Ereignisse fordere ich das Bundesinnenministerium auf, den Entwurf den Mitgliedern der Parlamentarischen Kontrollkommission in Sachsen unverzüglich zugänglich zu machen.”

Financial Times Deutschland: Staat wusste von Straftaten der Terrorzelle

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar