Der Wahlausgang in Nordrhein-Westfalen macht Sachsens Linken Mut. Jedenfalls den Mut, die Schuldenbremse in Sachsen zum Gegenstand eines Volksentscheides zu machen. Das erklärt Sachsens Linken-Vize Stefan Hartmann im L-IZ-Interview. Ein Gespräch über Wahlausgänge, solide politische Arbeit, Ostförderung und linke Perspektiven.

Zur Person: Der Leipziger Stefan Hartmann, Jahrgang 1968, ist stellvertretender Landesvorsitzender der Linken in Sachsen. Er ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig.

Herr Hartmann, in Griechenland erhält die radikale Linke enormen Zulauf, in Deutschland wird Die Linke aus zwei Landtagen hinausgewählt. Warum zeigen die Wähler in Europa aus Ihrer Sicht so eine unterschiedliche Krisenreaktion?

Die soziale Lage in Griechenland und Deutschland unterscheidet sich im Moment grundsätzlich. Zehn Jahre nur geringe Lohnzuwächse, die zu erheblichen Teilen Reallohnverluste darstellen, haben auf den Schultern der Beschäftigten die hiesige Wirtschaft zur Nutznießerin der Krise gemacht.

Europa hat die höchste Arbeitslosenrate seit anderthalb Jahrzehnten, in Deutschland ist das anders. Allerdings ist zu sehen, dass diese Situation nicht von Dauer sein wird, die allerdings jetzt Ursache der sehr verschiedenen Wahlergebnisse ist.In Ostdeutschland lief es für Die Linke zuletzt besser. Wird eine Nach-Lafontaine-Linke wieder zur Regionalpartei Ost?

Das hängt ganz und gar von uns selbst, von der Linken ab. Im Osten sind wir ja auch von ganz unten gekommen, waren 1990 eine Zehn-Prozent-Partei. Dass dies heute anders ist, ist Ergebnis jahrzehntelanger solider Arbeit für die konkreten Interessen der Menschen. Da ich nicht glaube, dass man für eine solche Strategie nobelpreisverdächtig klug sein muss, halte ich es für möglich, auch in den alten Bundesländern diesen mühsamen Weg zu gehen. Das ist alles nicht so toll, wie auf Massendemonstrationen zu reden, aber es ist der einzige Weg. So geht es meiner Meinung nach auf Dauer auch im Westen.

In Thüringen erobert Die Linke die Landratsämter und Rathäuser, die Die Linke und die SPD der Union in Sachsen sicher auch gern abnehmen würden. Kann so ein Wind des Wechsels auch mal Sachsen erreichen?Sicher kann er das. Die Inhalte sind so weit nicht voneinander weg. Aber da ist noch eine Menge Arbeit notwendig, das geht nur auf Augenhöhe und gemeinsam. Da darf keiner eine “führende Rolle” beanspruchen. Wenn die konkreten gesellschaftlichen Probleme Ausgangspunkt für Politikangebote sind, dann kann auch durch Sachsen ein frischer Wind wehen. Sich dieser Herausforderung zu stellen, ist Gebot politischer Verantwortung.

Mit dem Verweis auf das sächsische Schicksalsjahr 1923, als es nach der Absetzung der Linksregierung plötzlich zwei SPDen gab, stellen Sie auf Parteitagen der Linken die SPD schon mal vor die Alternative Linksbündnis oder Parteispaltung. Wird es denn aus Ihrer Sicht bei den Landtagswahlen 2014 ein Parteienbündnis für einen kompletten Regierungswechsel geben?

Das kann nur Ergebnis inhaltlicher Arbeit sein! Ein “Machtwechsel” ohne inhaltliche Substanz ist sinnlos. In den drei dafür relevanten Parteien gibt es berechtigterweise bis jetzt noch verschiedene strategische Erwägungen. Die Menschen in Sachsen würden eine klare Alternative jedoch mit ziemlicher Sicherheit honorieren, im Übrigen hätten sie zum ersten Mal im letzten Vierteljahrhundert diese Möglichkeit. Ganz sicher aber wird da nichts gehen, wenn sich eine Seite als Avantgarde oder Elite aufspielt. Gemeinsamkeit ist nicht nur eine Frage der Inhalte, sondern auch der Haltung.

Zurück nach Nordrhein-Westfalen. Hier hat die CDU die Landtagswahl zu einer Abstimmung über eine Politik der Krisenbewältigung durch Schuldenabbau machen wollen. Was bedeutet der Wahlausgang aus Ihrer Sicht für die sächsische Diskussion um die Aufnahme einer Schuldenbremse in die Landesverfassung?

Die Schuldenbremse in Sachsen vorziehen zu wollen, ist vollkommen unnötig. Darüber hinaus werden darunter vor allem die Kommunen und der öffentliche Dienst leiden und damit die Menschen, die ihr Geld durch Arbeit verdienen. Zusätzlich wird der Fiskalpakt der Regierung Merkel nochmal kräftig die Länderfinanzen schröpfen. Der Wahlausgang in NRW macht uns Mut, die Schuldenbremse zum Gegenstand eines Volksentscheides zu machen.

Die SPD zwischen Ruhr und Weser hat wiederum mit dem Bild vom übersubventionierten Osten Wahlkampf gemacht. Bläst nun die neue rot-grüne Macht am Rhein zum Generalangriff auf Solidarpakt und Ostförderung?

Das wäre so dumm, dass ich es SPD und Grünen fast nicht zutraue. Sollte es dennoch der Fall sein, wird Rot-Grün ein sehr kalter Wind aus dem Osten entgegenwehen.

Vielen Dank für das Gespräch.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar