Dem sächsischen Umweltminister geht es nicht anders als seinen Kollegen und Kolleginnen aus dem Sächsischen Kabinett: Er wird mit Anfragen gelöchert, mehr als jeder seiner Vorgänger. Er beantwortet sie nur ungern. Und während sich Minister-Kollege Ulbig erst vom Gericht bestätigen lassen musste, dass er antworten muss, jammerte Umweltminister Frank Kupfer (ebenfalls CDU) am Samstag, 18. August, öffentlich via LVZ und DNN.

Schon kurz zuvor hatte er den sächsischen Umweltverbänden mit dem Zaunpfahl gewinkt, sie würden sich zu oft in Planungen zum Wasserschutz einmischen. Da er ihnen das nicht verbieten kann, kündigte er an, Projekte, wo sie das täten, nicht mehr umsetzen zu wollen.

So mancher Minister in der aktuellen sächsischen Regierung zeigt diese Tage Nerven. Da will man auf ganz flotte, unbürokratische und scheinbar moderne Weise regieren, wie es sich Biedenkopf und Milbradt nicht getraut hätten, verteilt um, kürzt, plant Personalabbau ohne Verstand und Deregulierung gegen allen Sinn. Und das möglichst ohne ausufernde Informationen über Hintergründe und Details. Wen interessieren die schon?

Augenscheinlich die Opposition im Sächsischen Landtag. Mancher hält ja Opposition in einer Demokratie für etwas Verwerfliches, für die institutionalisierte Dauergegnerschaft zur Regierungskoalition. Aber auch die Väter des Grundgesetzes hatten begriffen, das eine funktionierende und vor allem informierte Opposition dringend gebraucht wird, um die Macht im Land zu dämpfen, zu mäßigen und – böses Wort – zu kontrollieren.

Deswegen müssen Minister Auskunft geben, wenn Gisela Kallenbach aus der Grünen-Fraktion etwas wissen will. 430 Anfragen hat sie gestellt seit Beginn der Wahlperiode am 29. September 2009.
Ist das viel, ist das wenig? Kupfer fand, das sei einfach zu viel. Und personifiziert zu unrecht. Denn in den nicht so großen Fraktion werden nicht ohne Grund Sprecher für einzelne Politikfelder gewählt. Gisela Kallenbach bekam das ur-grüne Arbeitsfeld Umweltpolitik. Sie ist also von ihrer Fraktion beauftragt, den Umweltminister zu allem zu fragen, was im Freistaat Sachsen in dieses Gebiet fällt. Zuletzt waren das – auch aus gegebenem Anlass – viele Fragen zum Hochwasserschutz. Am 3. August erkundigte sie sich nach einem Fluglärmschutzbeauftragten für den Flughafen Leipzig/Halle, am selben Tag nach dem Stand des Hochwasserschutzinvestitionsprogrammes (HIP) in Sachsen und – weil sie schon mal bei Flughafen war – auch noch nach der Zusammensetzung und den Stimmrechten der Fluglärmkommission für Flughafen Leipzig/Halle.

Ein Ur-Leipziger Thema. Denn in dieser Kommission sind die betroffenen Kommunen leider sehr schlecht vertreten, die Akteure des Flughafens und seine Hauptinteressenten erstaunlich stark. Ist natürlich die Frage: Ist Gisela Kallenbach besonders nervig?

Ihre Kollegin aus der Linksfraktion, Jana Pinka, dort ganz offiziell zuständig für Umwelt- und Technologiepolitik, kam in der Zeit nur auf 92 Anfragen. Die Linksfraktion ist freilich auch viel bekannter dafür, dass sie in Sachen Sozialpolitik nervt, bis die Ministerin verzweifelt. Dafür zuständig der Leipziger Abgeordnete Dr. Dietmar Pellmann. Er schaffte es in dieser Legislatur auf 467 Anfragen. Ist ja nicht so, dass die Sozialpolitik der sächsischen Staatsregierung transparenter wäre als die Umweltpolitik.

Und einen besonderen Grund nennt Gisela Kallenbach, der das viele Fragen in Sachsen erst notwendig macht: “Sachsen ist eines der wenigen Bundesländer, das den Bürgerinnen und Bürgern kein Recht auf Zugang zu Informationen von Landes- und Kommunalbehörden gewährt. Auch als Landtagsabgeordnete werde ich nur bruchstückhaft informiert. Die Bitte um Einblick in Studien der Staatsregierung, die keinerlei Geheimhaltung unterliegen, wird abgelehnt. So bleiben Kleine Anfragen für mich als Abgeordnete der Opposition das einzige Mittel, um mich zu informieren und meiner Kontrollpflicht der Regierung nachzukommen.”

Heißt im Klartext: Würde die Landesregierung alle relevanten Dokumente, die den Bürger zu recht interessieren, einfach übersichtlich im Internet veröffentlichen, das bräuchte auch nicht mehr so viel gefragt zu werden. Dann würde möglicherweise etwas mehr geklagt, weil dann manche Widersprüche offener zu Tage lägen. Aber Transparenz zwingt nun einmal auch zu einem besseren Einhalten der Regeln. Würde also Sachsen auch eine Menge Geld ersparen.

“Der Umweltminister muss sich von mir nicht zuletzt dort Fragen gefallen lassen, wo er und seine Vorgänger seit Jahren die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger nicht ernst nehmen und versuchen, Probleme zu vertuschen”, betont Kallenbach. “Sei es bei der unsachgemäßen Lagerung von Giftmüll auf dem Gelände der ETU in Bernstadt a.d.E. (Landkreis Görlitz), der Hochwasserschutzpolitik des Freistaats, die oft über die Köpfe der Betroffenen hinweg geht oder der Fluglärmbelastung für die Anrainer des Flugplatzes Leipzig/Halle. Jüngst wurde gerichtlich festgestellt, dass die ETU in Bernstadt seit mehr als drei Jahren mehr als 88 Tonnen magnesiumhaltige Filterstäube unsachgemäß gelagert hat und entfernen muss. Eigentlich ist das die Aufgabe von Behörden dafür zu sorgen und nicht die Aufgabe von Bürgerinitiativen (BI), die Gerichte zu bemühen. Ich habe gern das Engagement der BI unterstützt. Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft.”

Vielleicht nervt auch so etwas: Dass zu Tage kommt, dass irgendwer im Behördenapparat seine Arbeit einfach nicht gemacht hat.

Gisela Kallenbach: “Der Umweltminister sollte uns seine Krokodilstränen ersparen. Würde er seine Aufgaben ordentlich erledigen und eine gute Informationspolitik betreiben, würde das auch mir sowie seinem Haus Mühen und Kosten ersparen. Auch sein Urlaubsargument zieht nicht. Das Ministerium kann zur Beantwortung einer kleinen Anfrage eine Fristverlängerung beantragen.”

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