Nicht nur Leipzig bekam im neuen "Jahresbericht 2012" des Sächsischen Landesrechnungshofes sein Fett weg. Auch andere Kommunen und selbst die Landesregierung gehen mit den ihnen anvertrauten Mitteln zuweilen recht eigenwillig um. Da wird reformiert und umstrukturiert, ohne dass wirklich drüber nachgedacht wird. Die letzte Polizeireform von 2005 ist noch nicht mal verdaut, da schwemmt die nächste ins Land.

Und dass da in der Reformitis der Ministerien der simple Sachverstand oft auf der Strecke bleibt, zeigt augenscheinlich ein Baustein der Polizeireform von 2005: die Unterbringung der Polizeidirektion Westsachsen. Das sächsische Innenministerium hat dem Kabinett seinerzeit seine Vorschläge für die Polizeireform 2005 augenscheinlich ohne Untersuchung und Einbeziehung der zu erwartenden wirtschaftlichen Folgen vorgelegt. Ergebnis: “Die Großen Baumaßnahmen in Grimma und Torgau liefen zunächst unverändert weiter. Dies, obwohl bereits seit Ende 2002 feststand, dass das Personal der neu gebildeten Polizeidirektion Westsachsen nicht vollumfänglich untergebracht werden konnte. Das Führungs- und Lagezentrum in Grimma wurde errichtet und bis heute nicht in Betrieb genommen”, stellt der Bericht des Rechnungshofes fest.

Manchmal scheint man einfach in Schilda nachgefragt zu haben, wie man das Geld am besten durchs Fenster trägt. So gerät auch das Ministerium für Wissenschaft und Kultur (SMWK) in die Kritik, das weder das Verfahren für die 100-prozentige Anschubfinanzierung des in Leipzigs aufgebauten Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunologie (IZI) einheitlich nach den geltenden Landes- bzw. Bundesvorschriften ausgerichtet noch den Prozess überwacht und auch die Verwendung der Mittel nicht geprüft hat.

“Mitteilungs- und Berichtspflichten des Zuwendungsempfängers aufgrund geänderter Einsatzmöglichkeiten der bewilligten Mittel für Personal und Investitionen blieben unberücksichtigt. Verstöße gegen Vergabevorschriften sowie das Gebot des Wettbewerbs und der Transparenz wurden durch die Bewilligungsbehörde nicht geahndet. – Unbemerkt blieb auch, dass von den zuwendungsfinanzierten Geräten 173 mit einem Wertumfang von 2,5 Mio. Euro auch nach Jahren noch nicht ihrer Verwendung zugeführt wurden. Ein medizinisches Großgerät und eine Versuchstierkäfigstation i. H. v. insgesamt rd 1,3 Mio. Euro netto liegen in Holzkisten verpackt im durch Bauschutt verschmutzten Kellergeschoss. Die Sachberichte des IZI verschweigen den Missstand und deklarieren eine vollständige Erfüllung des Zuwendungszweckes”, kritisiert der Rechnungshof.

Aber auch der Finanzminister, der sich so gern als strenger Zuchtmeister in Sachen Sparsamkeit gibt, bekam eine deutliche Rüge der Prüfer.
Und sie wurden sehr deutlich: “Geförderte Spielsucht?”, betitelten sie die Nachricht zu diesem Tatbestand.

“Erlöse und Aufwendungen der staatlichen Lotterien werden derzeit außerhalb des Staatshaushaltes gebucht. Das SMF nimmt hierfür die Existenz eines Sondervermögens in Anspruch. Im Staatslotteriegesetz und in den Haushaltsplänen sind Aussagen über die Errichtung eines Sondervermögens, seines Zweckes und Umfangs nicht enthalten”, kritisiert der Rechnungshof. “Durch die unrechtmäßige Praxis des SMF wird gegen haushaltsrechtliche Vorschriften verstoßen und insbesondere das Budgetrecht verletzt.” Und nicht nur das.

Augenscheinlich hat der Freistaat das staatlich organisierte Glücksspiel auch noch mit Millionensummen unterstützt: “Im Doppelhaushalt 2011/12 sind Kapitalzuführungen von 19,7 Mio. Euro im Jahr 2011 und 19,3 Mio. Euro im Jahr 2012 an die Sächsische Lotto GmbH vorgesehen. Das SMF rechtfertigte dies mit Investitionen in neue Produkte, insbesondere mit der Auslobung hoher Gewinne bei der im März 2012 gestarteten Lotterie Eurojackpot. Der mit hohen Beträgen finanzierte Ausbau des staatlichen Spielgeschäftes setzt neue Spielsuchtanreize und wirkt jedenfalls dem Ziel, Spielsucht zu bekämpfen, entgegen.”
Und irgendwie ist es auch bei der schwimmenden “Vineta” auf dem Störmthaler See nicht ganz mit rechten Dingen zugegangen. Eigentlich war es mal als reines Kunst- und Erinnerungsprojekt angedacht, mittlerweile ist es ein schwimmender Veranstaltungsort, der von einem Dritten genutzt wird. Entsprechend sind die Kosten gestiegen – aber nach Ansicht des Rechnungshofes nicht rechtmäßig geteilt worden.

“Die Gemeinde Großpösna beantragte 2001 zur Planung und Realisierung des ‘Kunstobjektes Vineta’ als Seemarke auf dem Störmthaler See (ehemaliger Großtagebau Espenhain) Mittel in Höhe von 300 TDM (153,4 TEuro )”, heißt es in der Kritik des Rechnungshofes. “Der von der Gemeinde eingereichte Maßnahmenvorschlag zur Erhöhung des Folgenutzungsstandards war gegenüber dem ursprünglichen Antrag um einen in das Kunstwerk integrierten, ökologisch und technologisch innovativen Veranstaltungsraum erweitert. Die Gesamtkosten sollten danach insgesamt 871,5 TEuro betragen. Genehmigt wurde der Bau eines schwimmenden Gebäudes in Form einer teilweise in den Fluten versunkenen Kirche des devastierten Ortes Magdeborn mit der Projektbezeichnung ‘Vineta’. Laut SMWA zählen Kunst- und Ausstattungskosten zur Maßnahme, da Mittel der Braunkohlesanierung Impulse für die Folgenutzung schaffen sollten.”

Das genügte den Prüfern aber als Begründung nicht. “Der SRH sieht in der Erweiterung des Projektes ‘Vineta’ vom Kunstobjekt hin zum Veranstaltungsort ein Vorhaben der Gemeinde, das auch durch diese zu finanzieren gewesen wäre. Mittel der Braunkohlesanierung sollen der Erhöhung des Folgenutzens dienen, nicht aber jede sich an die Sanierung anschließende weitere Nutzung abdecken. Der SRH empfiehlt dem Landtag, das SMWA aufzufordern, auf eine streng zweckgebundene Förderung hinzuwirken, um Mitnahmeeffekte auszuschließen.”

Und das Sächsische Ministerium für Wirtschaft und Arbeit (SMWA) bekam auch eine Rüge für die Freistellung von Braunkohleunternehmen bei Wasserabgabe.

“Die Besserstellung der Braunkohleunternehmen gegenüber anderen Bergbauunternehmen, die z. B. Ton oder Festgestein abbauen und bei der Freihaltung ihrer Lagerstätten von Wasser die gleichen abbautechnischen Probleme haben, ist aus Sicht des SRH nicht gerechtfertigt”, erklärt dieser. “Sie wird überdies nur im Freistaat Sachsen praktiziert, während die anderen Bundesländer alle Bergbauunternehmen einheitlich behandeln.”

Das Ministerium begründete die Abgabenbefreiung im Prüfungsverfahren damit, dass die Braunkohlegewinnung ohne dauerhafte Grundwasserabsenkung praktisch unmöglich sei und die Kostenintensität des Abpumpens bereits eine lenkende Wirkung entfalte. Der abschöpfbare wirtschaftliche Vorteil ergäbe sich für das Unternehmen aus der Gewässerbenutzung durch Entnahme.

Was wohl nicht nur der Sächsische Rechnungshof anders sieht. Denn mit der Wasserabgabe sollen ja auch Folgeschäden für das ökologische System ausgeglichen werden. Diese Kosten werden mit der Freistellung einfach auf den Steuerzahler umgelegt. Der Rechnungshof: “Die langfristige Schädigung des Grundwasserhaushaltes durch den schnellen Abfluss besonders großer Grundwassermengen ist zudem erheblich und stellt einen ökologischen Schaden in den betreffenden Regionen dar. Für die Abgabefreiheit zur Freihaltung und Freimachung von Braunkohletagebauen sieht der SRH keine Rechtfertigung.”

Und so hält der Rechnungshof “die Anpassung der Abgabesätze und die Prüfung der Rechtfertigung für die Abgabefreiheit für die Grundwasserfreimachung und -freihaltung von Braunkohletagebauen weiterhin für erforderlich.”

www.rechnungshof.sachsen.de

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