Er ist ja ein Pechvogel. Irgendwie. Der sächsische Verkehrsminister Sven Morlok (FDP). Die Verkehrspolitik, die er gern machen möchte, kann er nicht machen, weil er genau zu dem Zeitpunkt Verkehrsminister wurde, als sich in Berlin die Prioritäten bei der Geldverteilung drehten. Und die Verkehrspolitik, der er machen müsste, die will er nicht. Und wenn er schon mal schöne Zahlen veröffentlicht, meldet sich gleich ein Kontrahent aus Berlin und ruft: Ihr schummelt, Herr Minister!

So am Donnerstag nun wieder, 14. Februar, eigentlich Valentinstag. Eigentlich der Tag, an dem man seinen Lieben was Schönes schenkt. Ein Päckchen voller neuer Autobahnprojekte zum Beispiel. So wie das seit 22 Jahren üblich war. Sachsen steht überall voller solcher schöner Fernstraßen. Bis 2006 genau funktionierte das. Da bekam Sachsen noch 194 Millionen Euro vom Bund für den Straßenneu- und -ausbau. Das war noch unter Verkehrsminister Thomas Jurk (SPD). In Berlin hieß der Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD). Aber das hat mit der ersten Weichenstellung 2007 eher nur beiläufig zu tun. Denn tatsächlich war man sich in der Bundesregierung schon seit 1998 sicher, dass man bei Verkehrsneubauten nicht mehr so wuchern konnte wie zuvor, dass die Sanierungskosten gerade dabei waren, die verfügbaren Investitionsgelder aufzufressen.

Also musste auch Jurk schon die erste Kürzung der Gelder hinnehmen. Ab 2007 bekam er nur noch 70 Millionen Euro. Die Beträge schwankten dann ein wenig – je nach Projekt. Die A 38 ließ den Betrag für Sachsen noch einmal kurz auf 89 Millionen wachsen, ab 2011 gab’s nur noch knapp über 60 Millionen, weil auch die schwarz-gelbe Regierung in Berlin nicht darum herum kommt zu sparen und die verfügbaren Gelder sinnvoll einzusetzen. Und weil die Probleme mit der Sanierung von Autobahnen und Bundesstraßen vor allem im Westen auftauchten, drückten die Westländer es auch durch, dass es ab 2013 deutlich mehr Geld für die Sanierung gibt. Dafür radikal weniger Geld für Neubauten.

Ist aber nicht das, was der sächsische Verkehrsminister eigentlich wollte. Die sächsische Wunschliste im Bundesverkehrswegeplan umfasst Projekte von mehreren hundert Millionen Euro.

Und so teilte das SMWA am Donnerstag – ganz so, als wäre alles noch beim Alten – mit: Der Freistaat Sachsen kann für eine Vielzahl von Baumaßnahmen an sächsischen Bundesfernstraßen grünes Licht geben. Insgesamt stehen für die Erhaltung sowie den Um- und Ausbau von sächsischen Bundesstraßen und Autobahnen im Bundeshaushalt rund 270 Millionen Euro zur Verfügung.

“Damit können wir im kommenden Jahr wichtige Projekte starten oder weiter voranbringen”, sagte Sven Morlok dazu. Muss dann aber auch einräumen. “Der Fokus liegt insbesondere auf Erhaltungs- und Ausbaumaßnahmen.”

Aber eigentlich will er doch neu bauen. Also betont er, was noch neu gebaut werden kann ab diesem Jahr: “Durch die Baumaßnahmen werden sich die Verkehrsverhältnisse in Sachsen weiter deutlich verbessern.”

Oberste Priorität habe die Fertigstellung des Autobahnabschnitts der A 72 von Rochlitz bis Borna. Die Verkehrsfreigabe der zwei sich aktuell im Bau befindlichen Teilabschnitte (Rochlitz – Frohburg, Frohburg – südlich Borna) ist für Sommer 2013 geplant. Mitte 2013 ist zudem der Baubeginn für die neue A 72-Trasse Borna bis Rötha geplant. Das sind dann 9,5 Kilometer. Der Abschnitt von Frohburg bis Borna hat drei Jahre Bauzeit gebraucht. Aber bei Rötha ist man dann noch lange nicht am Autobahnanschluss zur A 38. Dieses Teilstück von Rötha bis zur A 38 wurde seit 2009 geplant, ist 7,2 Kilometer lang und ist – mit einem Kostenwert von 96,9 Millionen Euro – im Bundesverkehrswegeplan angemeldet. Wird also – wenn es dort mit Priorität durchkommt, das wohl wichtigste Neubauprojekt Sachsens in dieser Art ab 2015 / 2016 sein. Fertigstellung irgendwann um 2019 herum.

Dahinter schwebt dem Verkehrsministerium ja noch die Verlängerung der A 72 von der A 38 bis Connewitz für 52 Millionen Euro vor.Eine weitere prioritäre Maßnahme bilde der Neubau der B 178 zwischen der A 4 und Bundesgrenze. Die Fertigstellung und Verkehrsfreigabe der Ortsumfahrung Herrnhut ist für Ende 2013 geplant, teilt das SMWA mit. Voraussichtlich werden dieses Jahr ebenfalls die Arbeiten an der im Bau befindlichen Neißebrücke fertiggestellt.

Ein weiteres wichtiges Schlüsselprojekt sei die Ortsumfahrung Göltzschtal im Zuge der B 169 als wichtige überregionale Verbindung vom Vogtland nach Cottbus. Hier wird der bereits in Bau befindliche Abschnitt weitergeführt sowie ein weiterer Abschnitt in Angriff genommen. Die Ortsumgehung Göltzschtal werde nach Fertigstellung aller Abschnitte eine bessere Anbindung an die Autobahn A 72 bringen.

Außerdem könnten der 1. Bauabschnitt des Ausbaus der B 87 in Markranstädt und der Ausbau der B 101 nördlich Großenhain begonnen werden.

Mit den zur Verfügung stehenden Mitteln könne auch der Ausbau der B 96 zwischen Cölln und Königswartha, 2. Bauabschnitt, der Ausbau der Siebeneichener Straße in Meißen und die bauvorbereitenden Maßnahmen für den Ausbau der B 6 westlich Cossebaude starten. Außerdem werde der Umbau des Knotenpunktes B 175 / K 8255 / Gemeindestraße Am Zeisig in Penig/OT Wernsdorf und der Knotenpunktausbau B 183a in Delitzsch, Nordplatz möglich.

Und als Sanierungsprojekt benennt das SMWA: Auf der A4 zwischen Dresden Nord bis Königshainer Berge wird in vier Abschnitten mit einer Gesamtlänge von rund 40 Kilometer die Fahrbahn erneuert.

Diese Art Meldungen aber wird in den nächsten Jahren dominieren. Die Gewichte verschieben sich. Die Meldung aus dem SMWA wird dementsprechend auch gleich von Stephan Kühn, sächsischer Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90 / Die Grünen und Sprecher für Verkehrspolitik der Bundestagsfraktion, kommentiert: “Herr Morlok erweckt in der heutigen Pressemitteilung seines Hauses den Anschein, als regne es in den nächsten Jahren für den Straßenbau Manna vom Himmel. Dabei hat er einfach die verfügbaren Mittel für Erhalt, Aus-, Neu- und Umbau des Bundesfernstraßennetzes für gleich zwei Jahre aufaddiert und versucht dies als seinen Erfolg zu verkaufen. Doch die Realitäten im Bundeshaushalt zwingen ihn schrittweise zu einer Neuausrichtung der sächsischen Straßenbaupolitik, in der künftig der Schwerpunkt eindeutig auf dem Erhalt der Substanz liegen wird. Lediglich laufende Vorhaben können über Jahre gestreckt noch fertiggestellt werden.”

Er sitzt im entsprechenden Ausschuss, wo die Weichenstellungen diskutiert werden. Die Mittel für den Neubau von Bundesfernstraßen in Sachsen werden weiter heruntergefahren. Im Gegenzug wird das Budget für den Erhalt des bestehenden Netzes erhöht.

Heißt im Klartext: Für Investitionen in den Neu- und Ausbau von Autobahnen und Bundesstraßen im Freistaat stehen 2013 noch 27 Millionen Euro zur Verfügung. Die mittelfristige Finanzplanung sieht in den nächsten Jahren ein weiteres Abschmelzen vor. 2014 sollen die Mittel für den Neubau noch einmal auf 14 Millionen reduziert werden, was fast einer Halbierung entspricht. Noch im Jahr 2010 sahen die entsprechenden Haushaltsansätze für 2013 rund 39 und für 2014 42 Millionen Euro vor.

“Zwischenzeitlich hat der Bund die Haushaltsansätze für den Erhalt des Straßennetzes auch in Sachsen heraufgesetzt, so dass die Investitionen für den Neubau auf ein Minimum reduziert werden müssen”, so Kühn. “Diese Realitäten lassen sich auch durch Zahlentricksereien nicht verschleiern. Wir begrüßen ausdrücklich die notwendige Neuausrichtung der Investitionspolitik bei den Bundesfernstraßen in Sachsen, die dem Erhalt des Bestandsnetzes den Vorrang einräumt.”

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