Ein Aufschrei geht durch's Land: Im Angesicht der Eurokrise formiert sich eine neue Partei. Die eurofeindliche "Alternative für Deutschland" (AfD) geht mit D-Mark im Geldsäckel auf Stimmenfang. Ein vielleicht bald prominentes Gesicht könnte aus Sachsen kommen.

Am 7. März stellten die erklärten EU-Gegner ihre Homepage ins Netz. Seitdem freut sich die Partei in spe über Resonanzen, von denen die großen Volksparteien nur träumen dürfen. Laut AfD-Angaben übersprang die Mitgliederzahl schon nach 18 Tagen die 5.000er Marke.

“Dass wir auf dem richtigen Weg sind, zeigt die enorme bundesweite Resonanz”, jubelte Initiator Bernd Lucke. “An der stetig steigenden Mitgliederzahl erkennt man ganz deutlich, dass viele politisch interessierte Bürger nach einer vertretbaren Alternative zu den verkrusteten und ratlos erscheinenden Altparteien suchen.” Der smarte Fünfziger mit nussbrauner Kurzhaarfrisur ist nicht irgendwer. Lucke studierte von 1982 bis 1987 Volkswirtschaftslehre in Bonn und Berkeley (USA). Im Jahr 1990 begleitete der Ökonom den “Sachverständigenrat zur Einführung der Sozialen Marktwirtschaft in der DDR”. 1991 promovierte er in Berlin, 1997 folgte die Habilitation. Seit 1998 lehrt Lucke an der Universität Hamburg.

Der Professor gehörte über drei Jahrzehnte der CDU an. Anfang 2011 legte er das Parteibuch nieder. Aus Protest gegen die Merkel’sche Euro-Rettungspolitik. Der Vater von fünf Kindern berief sodann ein “Plenum der Ökonomen” ein. Rund 300 Kollegen folgten seinem Ruf und sprachen sich im Februar 2011 mit überwältigender Mehrheit gegen eine Verlängerung des EU-Rettungsschirms aus. Die Gründung einer “Lucke-Partei” scheint die logische Konsequenz des Wegs zu sein, den der Volkswirtschaftler eingeschlagen hat. Kommenden Sonntag trifft sich in Berlin der Gründungsparteitag. Dass der Ökonom einen Vorstandsposten ergattern wird, scheint so sicher wie das Amen in der Kirche. Dabei sind die Ehrenämter so begehrt wie warme Semmeln. Rund 200 Interessierte haben sich bisher beworben.

Kernforderung der Bewegung, die irgendwo zwischen Neoliberalismus und Neuer Rechter verortet werden darf, ist der Austritt aus dem Euro. Die Wiedereinführung der D-Mark dürfe kein Tabu sein. Mit welchem Geld die neuerliche Währungsreform finanziert werden soll, verrät das Parteiprogramm freilich nicht. Darüber hinaus fordert die AfD weiterhin, dass die Kosten der sogenannten Rettungspolitik nicht vom Steuerzahler getragen werden.

Die Europäische Union ist der Partei ein Gräuel. Sie fordert ein “Europa souveräner Staaten mit einem gemeinsamen Binnenmarkt.” Weiterhin tritt sie für eine “Stärkung der Demokratie und der demokratischen Bürgerrechte” ein. Diese sollen allerdings nur beschränkt für Ausländer gelten. Neben verpflichtenden Deutsch- und Staatsbürgerschaftskursen wünscht sich die AfD nämlich eine “Neuordnung” des ohnehin schon rigorosen Einwanderungsrechts. Denn: “Eine ungeordnete Zuwanderung in unsere Sozialsysteme muss unbedingt unterbunden werden.”
Dass die Wortwahl bei “neuer” und “alter” Rechter für manch AfD-Sympathisant ähnlich ist, zeigen einige Vorstandsbewerbungen. “Genauso wie die Menschen verschieden sind, genauso ungleich sind die über Jahrhunderte gewachsenen Kulturen der Ethnien, Völker und schließlich aus ihnen hervorgegangenen Nationen mit ihren jeweiligen Eigenheiten und Vorlieben”, schreibt etwa Wolfgang Pauckert. Zwar distanziert sich der Journalist von “Extremisten jeglicher Coleur”. Doch seine Worte finden sich in ähnlicher Formulierung im NPD-Parteiprogramm. Übrigens genauso wie der Ruf nach der D-Mark. Eine weitere Gemeinsamkeit: Auch die NPD präsentierte bislang kein tragfähiges Konzept zur Finanzierung ihrer gewagten Vorschläge zur Lösung der Euro-Krise.

Aus Sachsen bewirbt sich Frauke Petry (37) um das Amt der Parteisprecherin. Die Gründerin der Leipziger “PURinvent GmbH” befürchtet, demokratische Ideale würden “auf einem ideologisierten EU-Altar geopfert, der zunehmend diktatorische Züge” annehme. Die Chemikerin könnte das sächsische Gesicht der neuen Anti-Euro-Bewegung werden. Seit Februar agiert die Tautenhainerin als stellvertretende Sprecherin der Gesamtpartei. Die vierfache Mutter baut derzeit die Abteilung “Öffentlichkeitsarbeit, Medien und Kommunikation” auf. Außerdem arbeitet die Trägerin des Bundesverdienstordens an der Gründung des sächsischen Landesverbandes.

Dass die AfD den Sprung in den Bundestag schafft, halten nicht wenige Beobachter für pure Illusion. Allerdings darf sich neben manchem in der CDU die FDP Sorgen machen. Die selbsternannte “Alternative” könnte den Liberalen Stimmen streitig machen, ja womöglich sogar deren Wiedereinzug in den Bundestag gefährden.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar