Am Mittwoch, 19. Juni, debattierte der Sächsische Landtag zu den Hochwasserfolgen im Freistaat. Eigentlich hat die Flut kein Umdenken bewirkt. Die regierende Koalition von CDU und FDP findet die Errungenschaften bei Deichen und Technischen Anlagen vorbildlich. Dass der rein auf technische Bauten fixierte Aufwand Kritik findet, hat nicht nur in Leipzig zu einigen irrationalen Reaktionen geführt.

In ihrer Rede zur Debatte zur Regierungserklärung des Ministerpräsidenten “Hochwasser 2013: Helfen – wiederaufbauen – schützen. Gemeinsam für Sachsen!” wurde die Leipziger Landtagsabgeordnete der Grünen, Gisela Kallenbach, recht deutlich. “Während im Norden noch viele Menschen bangen müssen, geht es bei uns um das Aufräumen und eine gründliche Analyse. Einige haben vorschnelle Schlüsse gezogen und unzulässig ‘Sündenböcke’ identifiziert.

Naturschützer würden Gefahren für Menschenleben billigend in Kauf nehmen”, stellte sie fest. “Trauriger Höhepunkt waren Gewalt- bzw. Morddrohungen im Zuge dieser Anwürfe. Wenn ein CDU-Stadtrat in Flöha in öffentlicher Ausschusssitzung über einen Vertreter eines Naturschutzverbands sagt ‘Normalerweise müsste man ihn erschlagen.’, dann erwarte ich, dass die CDU hier Konsequenzen zieht und auch der Ministerpräsident darüber nachdenkt, welche Folgen vorschnelle Analysen haben können.”

Ein besserer Hochwasserschutz sei nicht an einzelnen Bürgerinnen und Bürgern oder Verbänden gescheitert. Darum würden die vom Ministerpräsidenten vorgeschlagenen Verfahrensverkürzungen überhaupt nicht weiter helfen. Zu befürchten sei eher, dass mit dem abfließenden Wasser wieder “business as usual” gilt.

In schöner Regelmäßigkeit werde der altbekannte Slogan “Den Flüssen mehr Raum geben” von Wissenschaftlern und auch von Politikern strapaziert – und schnell wieder vergessen.

“Das kennen wir seit der Oderflut von 1997”, stellt Kallenbach fest. “Wie sind aber die Fakten? Die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz bringt es auf den Punkt, wenn sie resümiert: ‘Wir haben uns unsere Hochwasser zum großen Teil selbst gemacht. In Deutschland wurden zwei Drittel der ursprünglich vorhandenen Auen durch Deiche von den Flüssen getrennt. In 15 Jahren ist nur ein Prozent natürlicher Retentionsraum geschaffen worden.’ – Das hat auch die Internationale Kommission zum Schutz der Elbe bereits 2008 bestätigt.”

Solche Empfehlungen aber wären bisher in Sachsen nahezu ungehört verhallt. “Natürlich bringen technische Deichanlagen und Schutzmauern örtliche Entlastungen; aber sie verschieben das Problem an die Unterlieger. Das ist Kleinstaaterei und zudem unsolidarisch. Seit Jahren fordern wir: nur eine flussgebietsübergreifende Betrachtung unter Einbeziehung der Gewässer 2. Ordnung kann die nötige nachhaltige Lösung schaffen – wir brauchen einen Masterplan Hochwasserschutz und eine zeitnahe Vorlage der von der EU geforderten Hochwasserrisiko-Managementpläne”, so Kallenbach. Die es in Sachsen nicht gibt. Obwohl man sich nach der Flut 2002 selbstverpflichtet hatte, solche aufzustellen.

Das Ergebnis ist das beobachtete Klein-Klein auch in Sachsen. Die zentrale Koordination fehlte. Helfer und Hilfsgüter wurden teilweise recht chaotisch durch die Lande geschickt und landeten nicht immer da, wo sie tatsächlich gebraucht wurden – während an anderer Stelle medienwirksam agiert wurde, obwohl überhaupt keine Gefahr im Verzug war.

“In einer von uns beauftragten Studie hat Prof. Diester vom WWF-Auen-Institut bereits 2012 nachgewiesen, dass in Sachsen ein Potential von etwa 20.000 Hektar überflutbare Aue vorhanden ist. Ich verspreche, da werden Sie noch konkret von uns Grünen hören und den Willen zur Umsetzung haben, selbst wenn es gegenläufige Interessen gibt”, so Kallenbach in ihrer Rede. Und welche sonderbaren Verlautbarungen in Leipzig zu lesen waren, benennt sie extra: “Der LTV-Chef, Bereich Leipzig erklärte öffentlich, dass ihm 2004 ein Konzept auf den Tisch gelegt wurde (von wem auch immer), das vorsah, 2.500 Hektar landwirtschaftliche Fläche sollen als Auen- und Flutungsflächen dienen. Er schlussfolgert: ‘Können Sie sich vorstellen, wie viele Agrarbetriebe dadurch kaputt gegangen wären?'”

Um Ausreden sind sich die Entscheider im sächsischen Hochwasserschutz nicht wirklich zu schade. Kallenbach: “Herr Bobbe hat dabei wohl nicht bedacht, dass eine solche Fläche in Sachsen innerhalb von zehn Monaten neu versiegelt wird. – Er spricht von ‘Grünen Fundamentalisten’, die den Flüssen mehr Raum geben wollen. Wahrscheinlich gehören jetzt auch Bundesumweltminister Altmaier oder Thüringens Umweltminister Reinholz dazu, die Deichrückverlegungen bzw. temporäre Flutungen auch auf landwirtschaftlichen Flächen fordern. Solche Worte fehlen mir aus Sachsen.”

Und an hat sie da noch ein paar Fragen:

– Wie steht es mit der Umsetzung des nach beispielgebender Bürgerbeteiligung erarbeiteten, nunmehr durch die LTV gestoppten Konzeptes für Dresden Laubegast?

– Was passierte mit den 38 Mio. Euro für das von Minister Kupfer 2010 eingeweihte, bis heute wegen unzulässigem Baugrund sowie Baumängeln nicht funktionstüchtige Rückhaltebecken Rennersdorf?

– Warum bekennt sich der Freistaat nicht zu einem strikten Bauverbot in Überschwemmungsgebieten?

– Wie nimmt der Freistaat Einfluss auf Kommunen, die – wie in Grimma – Bebauung in einem Vorranggebiet zum Vorbeugenden Hochwasserschutz planen oder wie in Zschorlau im Erzgebirge, wo ein Gewerbegebiet in einem Offenlandbiotop entstehen soll?

“Fragen über Fragen, die einer gründlichen Analyse bedürfen und ein entschlossenes Handeln im Sinne einer hoffentlich ernst gemeinten Nachhaltigkeitsstrategie erfordern”, so Kallenbach.

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