Mit 8,4 Prozent haben die Grünen bei der Bundestagswahl 2013 abgeschlossen, das bedeutet 2,3 Prozent Verluste. Der Wahlkampf schien für die Grünen eine Aneinanderreihung schlechter Nachrichten zu sein: von Steuererhöhungen und Gemüse-Tagen bis zu den Pädophilie-Schlagzeilen um Jürgen Trittin. Die Grünen hatten keinen Tritt fassen können.

Nun ist die Führungsregie der Partei zurückgetreten. Ein schwarz-grünes Bündnis ist zwar möglich, doch beide Parteien sind skeptisch.

Was das Wahlergebnis für Sachsens Grüne bedeutet, womit sie wieder auf die Beine kommen könnten und ob gemeinsame Kandidaten von Rot-Rot-Grün möglich wären, dazu spricht Claudia Maicher im Interview. Maicher ist Sprecherin des Landesvorstands der sächsischen Grünen und richtet den Fokus auf die bevorstehenden Landtagswahlen im kommenden Jahr.

Frau Maicher, was würden Sie dazu sagen, wenn es zu einer schwarz-grünen Koalition im Bundestag käme?

Mit unserem Wahlergebnis haben wir sicher keinen Regierungsauftrag bekommen. Deswegen liegt es jetzt nicht an uns über Koalitionen zu sprechen. Viele unserer Grünen-Ziele stehen den Vorstellungen, insbesondere der CSU diametral gegenüber. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich das in den nächsten Wochen ändert. Deswegen kann es aus meiner Sicht über Sondierungsgespräche hinaus, die grundsätzlich mit jeder demokratischen Partei möglich sein sollten, kein schwarz-grünes Zusammengehen nach dieser Bundestagswahl geben.

Wie bewerten Sie aus Grünen-Sicht das Ergebnis der Bundestagswahl?

Das Ergebnis der Bundestagswahl ist nicht nur enttäuschend für uns, sondern auch für unsere Wähler, die einen Politikwechsel hin zu mehr Klimaschutz, einer Energiewende ohne Braunkohle und zu gesunder Ernährung ohne Massentierhaltung wollen. Wir haben im Wahlkampf in Sachsen großes Interesse an grünen Inhalten erlebt, konnten dies aber nicht in Stimmen für uns umwandeln. Das Ergebnis kann uns deshalb nicht zufriedenstellen, aber es ist uns Ansporn für die anstehenden Wahlen 2014 in Sachsen. Wir haben deutlich mehr Luft nach oben.

Woran lag es, dass die Grünen Verluste eingefahren haben?

Im Gegensatz zu unseren politischen Gegnern sind wir vor der Wahl ehrlich und damit auch angreifbar. Und wir versprechen nicht das Blaue vom Himmel. Aber offenbar haben wir viele Wählerinnen und Wähler mit unseren Konzepten verschreckt statt gewonnen. Viele haben gedacht sie wären von Steuererhöhungen betroffen. Offenbar sind wir als Verbotspartei und Besserwisser wahrgenommen worden, obwohl Freiheit und Selbstbestimmung entscheidende grüne Werte sind. In Sachsen haben wir überall dort, wo wir für einen verbindlichen, funktionierenden Braunkohleausstieg geworben haben, viel Zustimmung erhalten. Es fehlte uns aber tatsächlich der Rückenwind aus Berlin.
Was hat dem Wahlkampf mehr geschadet – die Forderung nach Steuererhöhungen, der Veggietag oder die Pädophilie-Debatte um Jürgen Trittin?

Sicherlich ist einiges zusammengekommen, was für viele Grünenwähler am Ende weniger attraktiv schien. Der Veggietag, einen Vorschlag, den wir seit Jahren im Programm haben, wurde als Bevormundung verstanden. Bei unseren Steuerplänen wurde nicht deutlich, wer belastet und wer entlastet wird und vor allem, dass wir damit für bessere Kitas, Schulen und Infrastruktur sorgen wollen. Viele unserer Vorschläge wurden als Bedrohung und nicht als Werben für das ökologische Projekt und mehr Gerechtigkeit gesehen.

Auch die Pädophilie-Debatte hat uns sicher geschadet. Ich bin selbst erschüttert, dass diesen Strömungen erst vor über 20 Jahren und nicht frühzeitig in der Gründungsphase der Westgrünen energischer Einhalt geboten wurde. Wir werden in dieser Frage weiterhin auf Aufarbeitung und Transparenz setzen, auch wenn wir uns dadurch selbst sehr angreifbar machen.

In Sachsen lag das Ergebnis der Grünen mit 4,9 % unter der 5-Prozent-Hürde, die Hochburgen der Grünen-Wähler sind Leipzig und Dresden. Warum haben die Themen Ihrer Partei im ländlichen Sachsen so wenig Gewicht?

Bei der Landtagswahl in Hessen haben am gleichen Tag wesentlich mehr Menschen Grün gewählt, als bei der Bundestagswahl. Und auch bei uns habe ich den Eindruck, dass wir sächsischen Grünen hier positiver wahrgenommen werden, als der Bund. Umfragen bestätigen das übrigens. Die Zustimmung zu unseren Zielen und das Interesse an unseren Themen ist auch in der Bevölkerung im ländlichen Raum vorhanden, aber wir werden immer noch stark als Großstadtpartei wahrgenommen.

Unsere Themen in Sachsen sind aber nicht nur Großstadtthemen. Wir wollen eine echte Energiewende, die die Lausitz und den Südraum Leipzig von der wirtschaftlichen Abhängigkeit der Braunkohle befreit. Wir wollen mehr regionales, gesundes Essen statt Agrarkonzerne, die kaum Arbeitsplätze in den Regionen schaffen. Wir finden, dass auch Schüler im ländlichen Raum ein Recht auf gute Schulen in ihrer Nähe haben. Für diese Themen werden wir im kommenden Jahr werben, damit wir hier einen Politikwechsel hinbekommen.

In Markranstädt unterstützten zur Bürgermeisterwahl die SPD, Grüne und Linke gemeinsam einen Kandidaten. Könnten Sie sich vorstellen, bei größeren Wahlen gemeinsame Direktkandidaten aufzustellen und so an die Ergebnisse der CDU-Kandidaten heranzureichen?

In Markranstädt haben Grüne, SPD und Linke erst im zweiten Wahlgang einen Bewerber gemeinsam unterstützt. Das ist zu begrüßen, wenn gemeinsame Ziele für die Kommune dadurch umgesetzt werden können. Zu einer demokratischen Wahl gehört aber auch ein vielfältiges Angebot für die Wählerinnen und Wähler. Wir Grünen haben den Anspruch mit unseren Kandidaten für unsere grünen Ziele zu werben. Wir wollen den Menschen, die in erster Linie grüne Politik stärken wollen, auch die Möglichkeit dazu geben. Unterstützungen und Zusammenarbeit zwischen politischen Partnern sollten aber nach gemeinsamen Absprachen auch möglich sein.

Womit können die Grünen die Wählergunst zurückerobern?

Wir Grünen sind jetzt gemeinsam in einem intensiven und ehrlichen Prozess der Aufarbeitung. Ziel muss sein, wieder als Umwelt- und Klimaschutzpartei, als Partei der Bürgerrechte und Selbstbestimmung wahrgenommen zu werden, ohne die wichtigen Fragen der Gerechtigkeit zu vernachlässigen. Bündnis 90/Die Grünen müssen die Stimme einer ökologischen Transformation sein und zusammen mit den Menschen, zusammen mit der Wirtschaft und nicht gegen sie die entscheidenden Zukunftsfragen bearbeiten.

Die Erfahrungen und der Sachverstand der Bürger spielt dafür eine Schlüsselrolle. Diese wollen wir nutzen, um einen Politikstilwechsel hin zu mehr Bürgernähe durchzusetzen. Die CDU verteilt in Sachsen seit 20 Jahren politische Beruhigungspillen, löst aber wichtige Zukunftsfragen nicht: Nämlich gute Lebensverhältnisse in Stadt und Land wirklich auf Dauer zu sichern. Dass das nur mit uns Grünen geht, müssen wir deutlicher im Austausch mit den Menschen machen.

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