Es ist Wahljahr. Und wer immer noch ein bisschen Geld in der Tasche hat, fragt ein paar Leute: Wen würden Sie wählen? Die Umfrageabstände verkürzen sich, je näher Europawahl (25. Mai) und sächsische Landtagswahl (31. August) rücken. Eigentlich war jetzt mal wieder die Sächsische Staatsregierung dran. Aber irgendwie hat der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) erst mal seine Umfrage gemacht. Am 30. April gab der Sender bekannt, was dimap erfragt hatte.

Befragt wurden von 24. bis 28. April rund 1.000 Sachsen. Nimmt man zumindest an. Denn seltsamerweise waren Osterferien. Da ist die Wahrscheinlichkeit, dass Familien mit Kindern daheim am Telefon angetroffen werden, recht gering. Ist so eine Umfrage belastbar? Oder spielt sie dem Wahlkampf der regierenden Parteien in die Hände? Immerhin bestätigt das Umfrageergebnis, wie starr das Meinungsbild in Sachsen mittlerweile ist. Und zwar seit Jahren.

Die CDU wird mit 43 Prozent der Stimmen gehandelt. Da liegt sie im Grunde konstant seit 2010. Bei der Landtagswahl 2009 war sie noch bei 40,2 Prozent gelandet. Die SPD könnte mit 16 Prozent der Stimmen rechnen, die Linke mit 18 Prozent. Die Grünen würden mit 6 Prozent wieder in den Landtag einziehen. Und seit Anfang 2014 sieht es auch so aus, dass es die Alternative für Deutschland (AfD) mit 6 Prozent schaffen könnte. Dafür würden FDP und NPD mit jeweils 4 Prozent an der 5-Prozent-Hürde scheitern.

“Die Ergebnisse der aktuellen Umfrage sind ein klares Zeichen dafür, dass die meisten Bürgerinnen und Bürger in Sachsen mit der Politik der CDU zufrieden sind und der Union auch bei der Bewältigung der Herausforderungen in der Zukunft vertrauen”, erklärte denn auch gleich Steffen Flath, Vorsitzender der CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages, nach Veröffentlichung der Ergebnisse. “Dennoch handelt es sich bei Umfragen immer nur um Momentaufnahmen. Deshalb sollten die Ergebnisse für uns kein Ruhekissen sein, sondern Ansporn und Motivation, in den nächsten Wochen und Monaten ordentlich weiterzuregieren. Das gilt für die gesamte Koalition. Die Menschen erwarten von einer Regierungskoalition völlig zu Recht, dass sie bis zum Ende der Legislatur kompetent, kooperativ und im Interesse des Landes arbeitet.”

Die mahnenden Worte haben ihren Grund, denn erstmals seit 2009 zeichnet sich ab, dass die Sachsen so langsam misstrauisch werden und das Vertrauen in die Tillich-Regierung einen Knacks bekommen hat. “Obwohl mit 61 Prozent die Mehrheit der sächsischen Wähler ‘zufrieden bis sehr zufrieden’ mit der Arbeit der Landesregierung sind, betrachtet nur eine Minderheit von 28 Prozent die Fortsetzung des schwarz-gelben Regierungsbündnisses als “gut bis sehr gut” für Sachsen. Die schwarz-gelbe Koalition ist in der Wählersympathie damit deutlich abgestürzt: Im Vergleich zur August-Umfrage verlor sie 24 Prozentpunkte. Knapp ein Drittel der Befragten – 30 Prozent – ist mit der schwarz-gelben Koalition ‘weniger zufrieden’, fünf Prozent ‘gar nicht zufrieden’, vier Prozent hingegen ‘sehr zufrieden’, schreibt der MDR dazu.
Wobei die Unzufriedenheit eher den kleineren Koalitionspartner FDP trifft. Was dann auch im Stimmungsbild zur gewünschten nächsten Koalition sichtbar wird. Die meisten Befragten wünschen sich tatsächlich eine Rückkehr der 2009 abgewählten CDU/SPD-Koalition.

Der MDR dazu: “Wünschen würden sich die Sachsen laut jüngster Umfrage aber eine Regierungskoalition aus CDU und SPD. Eine knappe Mehrheit (51 Prozent) hält ein solches Regierungsbündnis für ‘gut bis sehr gut’ fürs Land. Das sind zehn Prozent mehr als noch im August. Keine Bewegung gibt es hingegen bei der Zahl der Sachsen, die sich eine Alleinregierung der CDU im Land wünschen. 39 Prozent der Befragten halten sie für ‘gut bis sehr gut’. Für ein rot-rot-grünes Bündnis sprechen sich 33 Prozent aus – ein Zuwachs von vier Prozent.”

Wobei MDR und dimap es unterlassen haben, nach einer möglichen Koalition CDU/AfD zu fragen. Denn wenn die SPD es wirklich schafft, nicht wieder nur – wie 2004 und 2009 – bei 10 Prozent zu landen, könnte sie diesmal mit etwas mehr Rückgrat in die Koalition gehen und eine Korrektur der falschen Weichenstellungen der letzten fünf Jahre verlangen – Stichworte: Schulpolitik, Hochschulen, Polizei, Verkehrspolitik, Energiepolitik, Kommunalfinanzierung …

Die Frage nach Rot-Rot-Grün hat ein Problem: Alle drei Oppositionsparteien kommen zusammen nur auf 40 Prozent. Das reicht leider nicht zur Mehrheit.

Ein sehr sächsisches Problem ist die unübersehbare Wanderung des Protestwählerpotenzials, das sich zuweilen seltsame Parteien als Signal aussucht – 2004 war es die NPD, 2009 die FDP, 2014 scheint sich dieses Protestpotenzial bei der AfD zu sammeln. Es kommt keinem möglichen Parteienbündnis zugute, das nach 25 Jahren CDU-Regierung tatsächlich einen Regierungswechsel in Sachsen versuchen könnte.

Eine Option, die nun seit Wochen im Raum steht, scheint einer Partei eher zu schaden als zu nützen. Der MDR: “Eine Regierung mit den Grünen wäre in Sachsen hingegen ein Novum. Die sächsischen Grünen sind noch gespalten, ihre Forderung nach einem Ausstieg aus der Braunkohle gilt als Knackpunkt. Doch klar ist auch: Die Grünen schließen eine Koalition mit der CDU nicht ausdrücklich aus.”

Ganz will Rico Gebhardt, Vorsitzender der Partei Die Linke, die Chance auf einen Regierungswechsel in Sachsen freilich nicht abschreiben. “Die Ergebnisse ermutigen uns, weiter für einen Politikwechsel im Freistaat zu kämpfen. Wir unterbreiten den Wählerinnen und Wählern sowie SPD und Grünen dafür ein Angebot für einen Politikwechsel. Ganz konkret heißt das: Weg vom Niedriglohnland Sachsen, hin zu gutem Lohn für gute Arbeit”, benennt der Spitzenkandidat der Linken ein weiteres Politikfeld, bei dem Sachsen eine recht seltsame Politik fährt. “Einstellung von 500 PolizistInnen jährlich. Ein besserer Betreuungsschlüssel in der Kinderbetreuung. Längeres gemeinsames Lernen bis zur achten Klasse.”

Die Linke würde, wenn es zu einer rot-rot-grünen Mehrheit reicht, wohl den Ministerpräsidenten stellen. Und die Politikvorstellungen von SPD, Linken und Grünen sind wesentlich näher beieinander als etwa von SPD und sächsischer CDU.

“Unsere Vorstellungen für ein besseres Leben in Sachsen unterscheiden uns deutlich vom ideenlosen Verwalten der Zustände, das die CDU praktiziert”, sagt Gebhardt. “Im Mittelpunkt unserer Politik stehen nicht Personen, sondern Inhalte. Wir wollen verhindern, dass die CDU die absolute Mehrheit erringt, und den Weg für alternative Gestaltungsoptionen öffnen. Auch in dieser Umfrage von der Mehrheit gewünscht, kann eine schwarz-rote Koalition als Überlebensgarantie einer CDU in Regierungsverantwortung keine Lösung für Sachsen sein. Eine Alternative zur aktuellen Politik der CDU gibt es nur mit der Linken. Auch, wenn die Wählerinnen und Wähler uns den Auftrag erteilen sollten, erneut die Oppositionsführerschaft zu übernehmen, stünden wir bereit, diese Funktion mit Enthusiasmus und Schlagkraft zu übernehmen. Wir werden jedoch alles dafür tun, dass das Ergebnis am Wahltag noch besser ausfällt als die aktuelle Prognose. Der Wahlkampf rollt nun an – wir sind motiviert, die Menschen in Sachsen davon zu überzeugen, dass die CDU nach 25 Jahren auf die Oppositionsbank gehört.”

Eine Zukunft eher ohne CDU sieht zumindest Volkmar Zschocke, Landesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen. Er schreibt der sächsischen CDU so etwas wie ein gespaltenes Wesen zu: “Klar ist aber auch: Den Wahlkreisabgeordneten der CDU gelingt es offenbar immer noch gut, sich vor Ort als Kämpfer für die Bürgerinteressen, die gegen die Landesregierung in Dresden verteidigt werden müssen, zu verkaufen. Die CDU kürzt und streicht im Landtag und protestiert dann vor Ort gegen die eigenen Beschlüsse. Stanislaw Tillich hat Probleme wie den grassierenden Lehrermangel selbst mit verursacht. Jetzt wirbt er damit, vermeintliche Konzepte dagegen zu haben. Diese Strategie der CDU werden wir so oft wie möglich entlarven. Nur eines können wir nicht: Wahlgeschenke in den Wahlkreisen verteilen, wie die CDU-Kandidaten das derzeit machen.”

Es sieht ganz so aus, als würde sich die Frage, ob ein Bündnis aus SPD, Linken und Grünen im August eine Chance hat, die Mehrheit zu erringen, daran festzumachen ist, wie gut es die drei Parteien vermitteln können, dass sie den Wechsel auch wollen.

Die MDR-Mitteilung:
www.mdr.de/sachsen/dimap-umfrage-sachsentrend100_zc-f1f179a7_zs-9f2fcd56.html

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