Wäre da nicht dieser Zensus 2011 gewesen, man könnte die beiden sächsischen Wahljahre ja durchaus vergleichen, 2009 und 2014. Nach fünf Jahren wählen die Sachsen am 31. August ein neues Parlament. 120 Plätze sind zu vergeben. Wahrscheinlich - wie 2009 - wieder ein paar mehr, weil es ganz danach aussieht, als würde die CDU wieder mehr Direktmandate gewinnen, als ihr nach Zweitstimmen zustehen werden.

2009 gab es durch den fast flächendeckenden Gewinn von Direktmandaten durch die CDU einen Mandatüberhang von immerhin zwölf Plätzen. Denn da man den Gewinnern der Direktmandate (60 Stück an der Zahl) ihr Mandat nicht wegnehmen kann, wird der Proporz nach dem Zweitstimmenergebnis so hergestellt, dass die kleineren Parteien zusätzliche Mandate bekommen, bis sich das Wahlergebnis auch in der Besetzung des Landtages widerspiegelt.

In offiziellen Statistiken taucht der Freistaat Sachsen 2009 mit 4.168.732 Einwohnern auf. Schon damals wuchs die Hoffnung in der sächsischen Politik, dass die Abwanderung aus dem Freistaat sich deutlich verringern werde. In den 1990er Jahren verschwanden jedes Jahr Zehn- und Hunderttausende Sachsen aus dem Freistaat. Junge Sachsen vor allem. Denn der Hauptabwanderungsgrund war immer die Suche nach einer einträglichen Arbeit und einem erfolgversprechenden Berufseinstieg.

Letzteres blieb auch nach 2000 die Haupttriebkraft. Vor allem junge Frauen wanderten ab. Das große Thema Demografie war und ist ein weiblich geprägtes Thema: Es sind die jungen Frauen, die Kinder kriegen. Und wenn sie weggehen, sinken Geburtenraten, beginnen Landschaften auszubluten.

Das ist noch heute so. Nur hat sich der Trend vor ungefähr zehn Jahren gedreht. Die Abwanderung aus Sachsen heraus wurde durch eine Binnenwanderung abgelöst: Die jungen Leute wandern aus den ländlichen Regionen in die drei Großstädte.

Den sächsischen Bevölkerungsverlust hat das noch nicht ganz beendet. Denn den Verlust junger Frauen aus den 1990er Jahren hat Sachsen bis heute nicht ausgeglichen. Im Ergebnis ist die Sterberate dauerhaft höher als die Geburtenrate.
2010 verlor Sachsen noch 19.255 Einwohner. 2011 waren es ja bekanntlich noch mehr – da verschwanden rund 80.000 Sachsen im Ergebnis der Hochrechnung des “Zensus 2011”. Kein Mensch weiß, ob sie vorher gar nicht da waren oder tatsächlich noch da sind. Allein in Leipzig lösten sich so rund 20.000 Einwohner in Luft auf.

Ein Problem dabei ist: Mit dem “Zensus” sind fast alle Hochrechnungen der Zeit davor Makulatur. So auch die 5. Bevölkerungsprognose des Statistischen Landesamtes. Die war noch von den 4.137.100 Bewohnern von 2011 ausgegangen, auch wenn Sachsen dann offiziell nach “Zensus” nur noch 4.054.182 Einwohner hatte.

Es macht einen gewaltigen Unterschied, ob eine Prognose dann für das Jahr 2015 nur noch 4.025.100 vorhersagt – in der höheren Variante übrigens. Die niedrigere ging sogar von nur noch 3.982.300 Sachsen im Jahr 2015 aus. Beide Werte wird Sachsen so nicht erreichen, denn der Bevölkerungsverlust hat sich weiter abgeschwächt – auf ungefähr 6.000 im Jahr 2013. Der Grund dafür sind vor allem die Studierenden, die nach Sachsen strömen und oft genug da bleiben. Sie schließen die so genannte “demografische Lücke”. Sie sorgen auch dafür, dass die Studierendenzahlen hoch bleiben und es eigentlich keinen Grund gibt, beim Lehrpersonal irgendwas zu streichen.

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Die Schülerzahlen steigen wieder, wenn auch nicht wieder auf das Niveau der frühen 1990er Jahre, als Sachsen über 5 Millionen Einwohner hatte. Tatsächlich stabilisiert sich der Freistaat gerade. Die drei Großstädte wachsen mit hohem Tempo, die Landkreise verlieren Einwohner. Die Regionen driften auseinander. Hatten die drei Großstädte 2009 noch einen Einwohneranteil von 30,9 Prozent, waren es Ende 2013 schon 32,1 Prozent. Das spiegelt sich auch im Altersdurchschnitt: Die Großstädte sind deutlich jünger.

Aber wie setzt man solche gegensätzlichen Prozesse in Politik um? Das schien in den vergangenen fünf Jahren eine kaum beantwortbare Frage. Immer wieder stellte sich heraus, dass gerade die Großstadt Leipzig bei wichtigen Fördergeldern zu kurz kam. Mit fast allen “demografischen” Projekten hängt die Stadt heillos hinterher – um Jahre: Bei Kindertagesstätten und Schulen ist es fast Jedem mittlerweile ein Begriff.

Ist natürlich die Frage: Wie sind die Landtagsabgeordneten aus Leipzig mit den Problemen umgegangen? Worum haben sie gekämpft? Wo sind sie gescheitert?

Die L-IZ hat sie mal gefragt und veröffentlicht ihre Antworten in den nächsten Tagen in lockerer Folge.

Den Auftakt macht heute noch Robert Clemen, Landtagsabgeordneter der CDU und gleichzeitig Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes.

Zum ersten Teil der Interviewreihe vom 23. Juli 2014 auf L-IZ.de
Fünf Jahre sind rum: Sieben Fragen an Robert Clemen, Landtagsabgeordneter der CDU

Der “Demografiemonitor” des Statistischen Landesamtes:
www.demografie.sachsen.de/monitor/flash/atlas.html

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