Die sächsische NPD steht vor einem Umbruch. Ende Oktober legten der Parteivize Maik Scheffler und JN-Chef Paul Rzehaczek ihre Vorstandsposten nieder. Am Dienstag, 18. November erklärte die umtriebige NPD-Aktivistin Antje Hiekisch ihren Austritt. Der Görlitzer Stadträtin folgen fünf weitere Mandatsträger, außerdem der gesamte Kreisvorstand und Mitglieder der Jungen Nationaldemokraten (JN). Leipziger Aktivisten um Alexander Kurth planen derweil den Neuaufbau eines Landesverbandes der von Christian Worch gegründeten Kleinstpartei "Die Rechte".

Am 31. August flogen die Nationaldemokraten knapp aus dem Sächsischen Landtag. Seither ist der Landesverband mit sich selbst beschäftigt. Auf der Straße setzte sich vornehmlich der Parteinachwuchs in Szene. Am 4. Oktober marschierten die “Jungen Nationaldemokraten” in Döbeln auf. An der Demonstration beteiligten sich nach Polizeiangaben 250 Rechtsextremisten.

Einige Teilnehmer hatten eine besonders weite Anreise hinter sich. Mit dem Düsseldorfer Sven S. sprach ein Redner, der sich in dem noch nicht abgeschlossenen Mammutverfahren gegen das “Aktionsbüro Mittelrhein” vor dem Koblenzer Landgericht wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung verantworten muss. Sächsische JN-Aktivisten hatten einzelne Prozesstage beobachtet. Bemerkenswert war der Auftritt von Christopher D., ein NPD-Mitglied, das sich früher im Umfeld des verbotenen “Nationalen Widerstands Dortmund” aufhielt. Bei der Dortmunder Kommunalwahl im Mai stand sein Name für die NPD-Konkurrenz “Die Rechte” auf dem Stimmzettel.

Die Splitterpartei hat schon länger ein Auge auf Sachsen geworfen. So organisierte sie am 8. November ein Rechtsrock-Konzert in Zobes (Vogtland). 500 Neonazis feierten in der kleinen Gemeinde zu den Klängen der “Lunikoff-Verschwörung”, die Nachfolgeband von Landser-Sänger Michael Regener. Zu den angekündigten Rednern gehörten neben Dortmunder Aktivisten der Rechtspartei auch Nils L., ein in Leipzig bekannter Alt-Hooligan, der bis zum Sommer für die sächsische NPD-Fraktion gejobbt hatte.

Sächsische Neonazis aus dem Umfeld des vormaligen Bündnisses “Freies Netz” um den Delitzscher Maik Scheffler, das später in Strukturen der “Jungen Nationaldemokraten” aufging, pflegen seit Jahren Kontakte ins Ruhrgebiet. Künftig sollen die Bande offensichtlich auch politisch intensiviert werden.

So kündigte der Leipziger Alexander Kurth, vor kurzem noch für NPD und JN unterwegs, auf seiner Facebook-Seite an, an der “Neustrukturierung” des Landesverbandes der “Rechten” beteiligt zu sein. “Eine andere Politik ist möglich, gemeinsam für unser Sachsen”, so der Neonazi. Ziel sei es, “all jenen eine politische Heimat zu geben, die in der NPD nicht mehr erwünscht sind oder die lieber ihrem Gewissen folgen, anstatt der Geldbörse und einem bezahlten Posten.”
Ob der Parteiaustritt von Antje Hiekisch samt Entourage vor diesem Hintergrund erfolgt ist, ist noch unklar. Als sicher gilt, dass die Kommunalpolitikerin nicht mit der rechtsextremen Ideologie gebrochen hat. Hiekisch gibt an, 17 Jahre der NPD angehört zu haben. Über “Facebook” teilt sie mit, dass der Austritt für sie “der einzig gangbare Weg” sei, um “gesichtslosen Personen die rote Karte zu zeigen.” Gemeint sind offenbar NPD-Landeschef Holger Szymanski sowie dessen verbliebenen Stellvertreter Jens Baur und Mario Löffler. Szymanski steht seit Jahresbeginn unter dem Verdacht, in der Vergangenheit für den sächsischen Verfassungsschutz gespitzelt zu haben. Der Wahlausgang zur sächsischen Landtagswahl hatte seine Position überdies eher destabilisiert, als gefestigt.

Szymanski äußerte sich nun am Mittwoch, 19. November zu den Vorwürfen. Natürlich mittels “Facebook” und öffentlich. “Drei Landesvorstandsmitglieder (Maik Scheffler, Torsten Hiekisch, Paul Rzehaczek) sind von ihren Ämtern im Landesvorstand zurückgetreten, weil sie der Auffassung sind, daß der Geschäftsführende Landesvorstand die Parteibasis nicht achten würde und eine Clique postengeiler Funktionäre darstelle”, erklärt der Parteichef. Die Genannten sollen beim Landeslistenparteitag am 1. März durch “unkameradschaftliches Verhalten und teilweise rechtswidrige Vorschläge” aufgefallen sein.

Nach ausbleibenden Gehaltszahlungen der Landtagsfraktion hätten die Funktionäre versucht, “ihre unsinnigen und politisch geradezu gefährlichen Vorstellungen, wie z.B. der weitgehenden Aufgabe des Asyl- und Ausländer-Themas in der politischen Propaganda der NPD, unter dem Deckmantel der Kritik am GLV/LV durchzusetzen.” Nach Szymanskis Lesart würde das Grüppchen nun den Rückzug antreten, weil dessen Mitglieder einsehen mussten, dass der offen propagierte Rassismus in der Sachsen-NPD nicht verhandelbar sei.

Auslöser des Zwists soll zudem Szymanskis Ablehnung der Wiederherstellung von Kurths NPD-Mitgliedschaft gewesen sein. Der Leipziger habe der Partei als Kandidat zur Leipziger Stadtratswahl durch seine Vorstrafen Szymanski zufolge “einen schweren Ansehensverlust” beschert, der mit zu dem Ausscheiden aus dem Landtag geführt haben könnte. Offensichtlich dient der Landschaftsgärtner den Spitzen seiner Ex-Partei als Sündenbock für den Rauswurf aus dem Landtag.

Kurth konterte geübt, denn Schlammschlachten gehören innerhalb der NPD seit Jahren zum guten Ton. “Selbst nach dem Nachwahlskandal konnte die NPD in meinem Wohngebiet und somit in meinem hauptsächlichen politischen Betätigungsgebiet ein gutes Ergebnis erzielen.” Die Annahme, das Landtagsaus sei auf seinem Fauxpas gewachsen, sei “geradezu lächerlich”. Vielmehr seien die Ursachen im Verhalten der Abgeordneten zu suchen – zu denen zuletzt auch Szymanski und sein Amtsvorgänger und Stellvertreter Löffler zählten.

Die Fronten scheinen verhärtet, eine weitere Zersplitterung der sächsischen Neonazi-Szene unvermeidlich. Die NPD könnte der Aderlass durchaus schwächen.

Immerhin ist die Partei mit Blick auf die Landtagswahl 2019 auf eine funktionierende Basis in den Kommunen und Landkreisen angewiesen, sollte sie ernsthaft den neuerlichen Sprung ins Parlament anstreben. Davon scheinen die Nationaldemokraten derzeit jedoch weit entfernt zu sein.

Dass Scheffler, Kurth und Co. den Landesverband der “Rechten” wiederbeleben möchten, könnte allerdings zu einer weiteren Radikalisierung des Milieus beitragen. In Nordrhein-Westfalen und Hannover diente die Kleinstpartei des Hamburger Funktionärs Christian Worch vor allem als Auffangbecken für verbotene Kameradschaften, etwa dem “Nationalen Widerstand Dortmund”. Dessen Aktivisten führen ihre bisweilen kriminellen Aktivitäten jetzt unter dem Schutz des Parteienprivilegs fort. In der jüngsten Vergangenheit war “Die Rechte” vor allem wegen der Mobilisierung zur Hannoveraner “HoGeSa” – Demonstration am 15. November aufgefallen.

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