Es war ein kleiner Spaß, den sich der Dresdner Landtagsabgeordnete André Schollbach (Die Linke) gemacht hat, als er mittels Kleiner Anfrage von der Staatsregierung wissen wollte, wie viele Orden zwischen 2012 und 2014 im Freistaat Sachsen verliehen wurden. Aus der Antwort ergab sich dann, dass Ministerpräsident Stanislaw Tillich in diesem Zeitraum insgesamt 37.404 Orden verlieh. Alle Achtung.

2012 heftete Tillich 22 Personen einen Orden an die Brust, im Jahr 2013 wurden 9.598 Orden verliehen, 2014 waren es sogar satte 27.784 Orden.

Was André Schollbach dann zu der Bemerkung ermunterte: “Die massenhafte Verleihung von Orden durch CDU-Ministerpräsident Stanislaw Tillich erinnert an das Verhalten Erich Honeckers (SED) in der Endphase der DDR. Honecker warf damals auch mit Orden und Auszeichnungen um sich. Wer zu lange an der Macht ist, verliert offenbar den Bezug dazu, was in welchem Umfang angemessen ist. Ein Orden stellt eine besondere Auszeichnung dar, die für außergewöhnliche Leistungen einzelner Menschen verliehen wird. Orden sollten deshalb nicht nach dem Motto ‘Alles muss raus!’ wie im Sommerschlussverkauf verramscht werden.”

Dass es 2013 und 2014 so viele wurden, hat natürlich mit der Medaillenflut nach der so medial großartig inszenierten Hochwasserkatastrophe von 2013 zu tun. Im Grunde hatte das Juni-Hochwasser damals mit aller Macht gezeigt, dass Sachsen seine Versprechungen nach dem Hochwasser von 2002 fast alle nicht eingehalten hatte. Statt die Flüsse wieder zu befreien und ihnen entsprechende Überflutungsflächen zu schaffen, hatte man die verfügbaren Milliarden fast komplett in die Erhöhung und Verstärkung der Deiche gesteckt, was dann zum beobachtbaren dramatischen Szenarium führte und zu den heftigen Dammbrüchen vor allem flussabwärts.

Statt die Flüsse zu entschleunigen, hat man sie weiter verengt und auf Tempo gebracht. Und weil das dazu führte, dass wieder Städte überschwemmt waren und tausende Ehrenamtliche über Tage an den brisantesten Stellen zum Einsatz kamen, war dann eigentlich eine öffentliche Auswertung der über zehn Jahre verfolgten falschen Politik fällig. Aber die ist dann gründlich ausgeblieben. Stattdessen wurde dann kurzerhand ein Fluthelferorden gestiftet, den nicht mal die Landesregierung selbst als Orden begreift. Er wird unter den hohen Auszeichnungen des Landes gar nicht aufgeführt.

Insofern stimmt auch der Vergleich mit der einstigen Ordensflut der DDR nicht ganz. Zumindest, was die 37.367 Fluthelferorden betrifft, die im Grunde nur ein glitzerndes Dankeschön für die Hilfe in Juni 2013 waren.

Etwas anders ist es mit dem Sächsischen Verdienstorden, der 1997 gestiftet wurde und für “hervorragende Verdienste um den Freistaat Sachsen und seine Bevölkerung” verliehen wird. Da die Gesamtzahl der Träger auf 500 begrenzt ist, sind die sächsischen Ministerpräsidenten sogar angehalten, sich hier lieber etwas zurückzuhalten. Denn wenn das Kontingent aufgebraucht ist, gibt’s erst mal keinen weiter. Bislang haben schon 274 Personen den Orden überreicht bekommen. Zu den 37 Orden, die Ministerpräsident Stanislaw Tillich 2012 bis 2014 verliehen hat, kamen am 24. Juni weitere zwölf hinzu – unter ihnen der verdienstvolle Leipziger Pfarrer Christoph Wonneberger und Panorama-Künstler Yadegar Asisi.

Man kann zumindest ein wenig nachvollziehen, wie der Freistaat hier Menschen, die in diesem Bundesland etwas auf die Beine stellen, mit diesem Orden sozusagen eine Anerkennung in Grün-Weiß ausspricht. Dass auch ein bisschen Regierungspolitik mit drin steckt und die staatstragenden Persönlichkeiten verstärkt auftauchen, liegt in der Natur der Sache.

Es gibt nun einmal einen Menschenschlag, der diese Pflege des Egos mag und alles dafür tut, sich mit Orden aller Farben und Größen zu behängen. Natürlich findet man auch den eifrigsten Ordensammler aus Leipzig in der illustren Runde: Der jüngst verstorbene Kurt Masur bekam den Sächsischen Verdienstorden im Mai 2014 verliehen. Wahrscheinlich wusste der Mann damals schon nicht mehr, wohin mit dem Blech. Mit Ehrenkreuzen und Medaillen wurde der einstige Gewandhauskapellmeister nach 1990 geradezu überschüttet. Die Hälfte bekam er für seine musikalische Arbeit, die andere Hälfte quasi stellvertretend als der bekannteste Leipziger aus dem Herbst 1989. Das Bundesverdienstkreuz bekam er zum Beispiel 1995 überreicht und reihte sich damit ein in eine Schar von vielen hundert Sachsen, die mittlerweile auch das Bundesverdienstkreuz in verschiedenen Stufen tragen.

Die Liste dieser Personen übrigens findet man auf der Website der Staatsregierung gleich neben der des Sächsischen Verdienstordens.

Während man einen Orden dort vergeblich sucht: den St. Georgs Orden, der bis 2010 Sächsischer Dankesorden des Semper Opernball e. V. hieß. Grund für die Umbenennung war 2009 der Skandal um die Verleihung an Wladimir Putin. Damit befindet sich Putin in illustrer Runde mit Leuten wie Franz Beckenbauer, Lothar de Maizière, Kurt Biedenkopf (der natürlich auch das Bundesverdienstkreuz und den Sächsischen Verdienstorden bekam) oder (hätten wir jetzt wirklich nicht gedacht) Kurt Masur.

Dass man das ganze Blech auch ablehnen kann, haben zumindest beim Bundesverdienstkreuz Leute wie Helmut Schmidt, Jan Philipp Reemtsma, Günter Grass oder Siegfried Lenz schon mal gezeigt. Aber das ist eine winzige Minderheit. Die meisten Leute, die für so ein Funkelstückchen am Revers vorgeschlagen werden, sind nur allzu stolz darauf, sich derart zu schmücken. Tatsächlich sind es längst so viele, dass der “Spiegel” 2011 einfach mal von einer Blechlawine sprach.

Die Kleine Anfrage von André Schollbach.

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