"Vierte Liga war schön, Zeit für uns zu geh'n" sangen die Fans schon um die 80. Minute des Relegationsspiels in Lotte. Den Teil mit dem Gehen hatten die Profis auf dem Rasen aber wohl nicht mitgekriegt. Sie fanden die vierte Liga scheinbar so schön, dass sie erst einmal die 2:0-Führung aus dem Hinspiel verspielten und sich noch eine dreißigminütige Verlängerung gönnten. Dann aber dominierten die Leipziger, spielten ausgepumpte Westfalen doch noch an die Wand, das letzliche 2:2 bedeutete. Den erlösenden Aufstieg.

Der Unterschied zur regulären Spielzeit war so gravierend, es wirkte als hätte jemand in der Mannschaft von Alexander Zorniger eine Handbremse gelöst. Auch Timo Röttger gab nach gutem Spiel zu, dass es sich die Mannschaft selbst schwer gemacht habe. Die Frage, ob eine andere taktische Vorgabe schon nach 90 Minuten Erfolg gebracht hätte, dürfte den 2.500 Mitgereisten unter den 5.600 Zuschauern aber egal gewesen sein. Schließlich gilt die eingeführte Relegation zwischen den Meistern der Regionalligen nicht umsonst als Nadelöhr, das die Messestädter nun hinter sich lassen. Nicht wenige Fußballfans in ganz Deutschland hoffen noch immer auf baldige Abschaffung. In der Tat hätte auch Lotte nach diesem engagierten Rückspiel und der starken Saison in der Regionalliga West einen Aufstieg verdient gehabt.

Zwei Faktoren waren entscheidend, dass die Platzherren sich die Chance eröffneten. Zum einen ihr beherztes Offensivspiel, mit dem sie in der 27. Minute nach einem Freistoß in Führung gingen. Eine Rolle spielte aber auch Schiedsrichter Thorsten Schriever. Er ließ lange nachspielen, so dass nach 95 Minuten Lotte noch zum 2:0 durch Dennis Schmidt kam. Die Leipziger Hintermannschaft sah nicht gut aus, die Zuordnung fehlte, vielleicht kam der Freudentaumel eine Minute zu früh.
Doch den Schock schüttelten die Gäste schnell ab. Sichtlich wollten sie sich den Aufstieg in diesem hochspannenden Spiel nicht noch einmal nehmen lassen. Wie verwandelt gingen sie trotz vorheriger defensiver Wechsel viel aktiver auf das Lotter Tor zu. Belohnt wurde der Mut recht schnell, Matthias Morys eroberte den Ball und hatte Glück, dass sein eher als Hereingabe gedachter Ball den Kopf von Tobias Willers traf, von wo aus die Kugel unhaltbar ins Netz trudelte. Nichtsdestotrotz war es ein starker Einsatz des Stürmers, außerdem führte der Treffer schon die Entscheidung herbei, denn nun musste Lotte noch zweimal treffen und das obwohl die Sportfreunde schon über 90 Minuten lang angerannt waren.

Hierfür sollten die Kräfte letztlich nicht reichen, RB konterte gelassen, spielte sogar den ein oder anderen Angriff schwach aus. Das 2:2 besorgte Kutschke durch einen Foulelfmeter. Das Foul war unstrittig, den Elfmeter hätte Schriever nicht geben brauchen, da auch so schon der Ball durch Ausspielen des Vorteils im Netz gelandet wäre. Nach der Elfmeter-Entscheidung war die gelbe Karte gegen Lotte Torhüter David Buchholz sehr gnädig, da das Regelwerk nun einmal die Doppelbestrafung durch Elfmeter und den roten Karton bei Vereitelung einer klaren Torchance vorsieht. Kutschke verwandelte passgenau und scharf, so dass Buchholz keine Chance blieb. Der Aufstieg für die Leipziger war endgültig gesichert. Nach dem Abpfiff jubelten Spieler, der ganze Betreuerstab und Trainer Alexander Zorniger ausgelassen.

Sportdirektor Ralf Rangnick beschäftigte sich schon mit der kommenden Saison: “Es werden wohl schon 14 bis 15 Spieler bleiben, wer allerdings in der Regionalliga wenig spielte, wird es auch in der dritten Liga schwer haben.” Noch ist natürlich kein Saisonziel ausgegeben, doch soll der ehrgeizige Plan verwirklicht werden, kann dieses eigentlich nur heißen: Nach dem Aufstieg ist vor dem Aufstieg. Doch davor kommt erst einmal das Feiern, weshalb die Mannschaft auf dem Rückweg auch mit in den Sonderzug einstieg.
Sportfreunde Lotte vs. Rasenballsport Leipzig 2:2 n.V. (1:0/ 2:0)

SF Lotte: Buchholz – Kunert, Nauber, Willers, Hohnstedt, Gorschlüter (85. Wiwerink), Wingerter (76. Schmidt), Grieneisen (69. Chahed), Freiberger, Prokoph, Kotuljac.
RB Leipzig: Coltorti – Müller, Hoheneder, Franke, Heidinger, Röttger (76. Ernst), Kaiser, Schulz, Rockenbach (61. Morys), Kutschke, Kammlott (85. Sebastian).

Torfolge: 1:0 Willers (26.), 2:0 Schmidt (90.+5), 2:1 Willers (95./ Eigentor), 2:2 Kutschke (110./ Foulstrafstoß). Schiedsrichter: Thorsten Schriever. Zuschauer: 5.604 in Lotte.

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