Es war ein recht normales Ligaspiel gegen den ESV Delitzsch, doch am 50. Jahrestag der zweiten und legendären DDR-Meisterschaft musste natürlich ein besonderer Rahmen her. Den stellte der Verein mit einem Familienfest, die Ultras entwarfen eine starke Choreographie und alle Zuschauer ließen die Ehrung der damaligen Meistermannschaft zu einer emotionalen Angelegenheit werden. Der verdiente 1:0-Sieg geriet dabei fast zur Randnotiz.

Es war schon vor Anpfiff der Partie zu ahnen, dass es auf dem Norddamm etwas zu sehen geben würde. Eine Traube grüner und weißer Luftballons und eine aufwändig gespannte Seilkonstruktion waren untrügliche Hinweise auf eine ausgefallenere Choreographie der Ultras. Darunter auch die überdimensionalen Ziffern “64”. Dass später auch die Zuschauerzahl von “1.964” ausgerufen wurde, ist mit einem Augenzwinkern zu sehen, der Eintritt war frei, eine exakte Zählung somit nicht möglich. Doch um die 2.000er-Marke dürfte sich die Besucherzahl bewegt haben.

Zu Beginn der ersten Halbzeit zeigten die Leutzscher sogleich, dass sie an dem für ihren Verein historischen Tag ihren Vorgängern nicht nachstehen und ebenfalls einen Sieg erreichen wollten. Einen fast schon brasilianischen Spielzug inklusive Körperdrehung mit Ball und Weiterleitung mit der Hacke konnte Delitzsch’ Torhüter Sven Gedigk noch entschärfen. Doch als mit einsetzendem Regen Rasen und Kugel rutschig wurden, musste er einen Fernschuss abprallen lassen. Sven Schlüchtermann war zur Stelle und drückte den Ball über die Linie.
Der einzige Treffer des Tages sollte verdient bleiben, in der kompletten ersten Hälfte blieben die Gäste blass und traten lediglich nach Freistößen einmal in Erscheinung. Die zweite Halbzeit begannen beide Teams sehr verhalten, nun waren es allerdings die Delitzscher, die ihre größte Chance der Partie hatten. Ein Kopfball an die Latte prallte von dort an Christian Kotzbaus Arme zurück und nur mit viel Glück nicht in das Tor, so dass der Schlussmann schließlich den Ball kontrollierte. Trainer André Schönitz beschwor seine Spieler nun lautstark, sich nicht hängen zu lassen.

Ein Aufruf, dem die Elf nachkam und so wackelte der Sieg abgesehen von dieser Szene nicht. Hohe Bälle in den Strafraum pflückte sich Kotzbau so gut wie jedesmal und spielerisch fehlte Delitzsch die Idee, um durch die Verteidigung zu dringen. Im Gegenteil – nach dem Weckruf spielten die Platzherren noch einmal auf und konnten gegen Ende der Partie eine dreifache Chance nicht nutzen. Nach einem Lattenschutss wehrte Sven Gedigk den Nachschuss ab, sein Abpraller landete wieder vor einem Paar Leutzscher Füße, ein nochmaliger Lattenschuss war das Ergebnis, diesmal allerdings sprang der Ball ins Aus.
So blieb der nächste wirkliche Höhepunkt dem Rahmenprogramm vorbehalten. Auf Bitte des Stadionsprechers pilgerten die Zuschauer vom Norddamm auf den Dammsitz, während die Spieler ein Spalier auf dem Feld bildeten. Durch dieses betraten dann die Spieler des “Rests von Leipzig” oder besser die Meisterhelden den Rasen unter ohrenbetäubenden Rufen der Fans. Für diesen Moment hatten sich die Ultras auch Dutzende Bengalos aufgehoben, die sie nun auf dem Zaun sitzend abbrannten. Die Auffassung von Verbänden, Pyrotechnik käme schon Gewalt gleich wurde in diesem Fall durch kontrolliertes Abbrennen und die Disziplin während des Spiels klar widerlegt.

Selbst als Zugezogener – ohne wirklichen Bezug zum Leutzscher Fußball – war es schwer, sich dem Gänsehautmoment zu entziehen. Die geballte Begeisterung schwappte über den Zaun und steckte an. Die Helden von einst genossen es sichtlich, noch einmal gefeiert zu werden und erhielten neben Blumen auch eine gerahmte Fotocollage und das Buch “Leutzscher Legenden”. Nach dem Ende der Zeremonie ließ noch so mancher den Abend bei den Konzerten von “Eisenheinrich” und “City” ausklingen.

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