Tabatinga ist toll. Das Wetter bestimmt den Tagesablauf. Es regnet 2-3 Mal am Tag recht heftig und dann wird eben gegessen und die übrige Zeit gearbeitet. Wobei sich dabei alles ums Motorrad dreht. Ich nehme an, 80 Prozent der Einwohner hier sind Motorradtaxifahrer. Aber anstatt auf Kundschaft zu warten, wird ständig die Hauptstraße hoch- und runtergefahren. Das hat irgendwie etwas von Kirmes, ist aber ganz witzig.

Wer sein Motorrad nicht fährt, der repariert es – und wer es nicht fährt und nicht repariert, der putzt es. Die kleinen Zweiräder entpuppen sich zudem als echtes Raumwunder. Leider habe ich es bislang nicht geschafft zu fotografieren, aber fünf Leute auf einem Moped ist aktuell der Bestwert, drei sind normal…

Ansonsten haben sich die Leute hier auf die WM eingeschossen und hoffen schwer darauf, dass Brasilien gewinnt. Zum einen weil es sich so gehört, zum anderen weil sonst das Geschäft mit den Trikots und sonstigen WM-Artikeln im Eimer wäre.

Geguckt wird überall. Fernseher gibt es in jeder Garage, nur die Bauarbeiter auf der Straße haben Pech, aber versicherten mir, dass sobald ihre Mannschaft spielt die Arbeit warten muss.

“Ihre Mannschaft” ist hier entweder Brasilien oder Kolumbien. Man kann zu Fuß über die Grenze und auf “der anderen Seite” steht Brasilien längst nicht so hoch im Kurs. Argentinien macht das Rennen angeblich – oder Deutschland, wobei ich nicht sicher bin, ob sie das nur sagen, da sie nett zu mir sein wollen.

Nett sind übrigens – bis auf die Grachteln vom Hotelempfang – alle. Egal ob Brasilianer oder Kolumbianer, ob Bauarbeiter oder Polizisten. Alle freundlich und sobald es um Fußball geht, hat jeder Zeit, kurz über Favoriten und das Scheitern Spaniens zu sprechen. Auch dass England gegen Uruguay verloren hat und Italien gegen Costa Rica verloren hat, finden alle super. Ich auch!

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Gestern habe ich mit David geguckt. Der stand auf einmal neben mir. Mutter Kolumbianerin, Vater Brasilianer – da geht’s zu Hause gut zur Sache. Seine Eltern “bringen Strom in den Dschungel”. Er selbst hat sich etwas englisch übers Internet beigebracht, damit er irgendwann rauskommt aus Tabatinga.

Er träumt von Europa. Am liebsten Deutschland. Da sei alles organisiert und es klappt immer alles. Deswegen spielt Deutschland auch so gut bei der WM. Die haben sich vernünftig vorbereitet sagt er.

Italiener und Spanier denken: “Zu Hause ist es warm, dann ist es ja hier genauso”. Aber europäisches “warm” und südamerikanisches “warm” ist nicht das gleiche.

“Deutschland kann zudem froh sein, nicht in Manaus, Brasilia oder Cuiaba zu spielen. Da dauert die Regeneration länger, aber selbst das hätten die Deutschen hinbekommen”, ist sich David sicher. Mal gucken ob er Recht hat und wie sich die Jungs schlagen.

Also dann. Ich muss los – sehe aber gerade, dass mir offenbar irgendwer meine Stadtkarte von Manaus geklaut hat… Bis bald!

Info zur Serie: Mit zwei Rucksäcken hat sich Markus Herwig auf den Weg nach Brasilien gemacht. Er will den Amazonas einmal komplett von West nach Ost durchqueren und dabei herausfinden, welchen Stellenwert für die Menschen abseits des großen WM-Trubels das Turnier im eigenen Land hat. Was er auf seiner Reise erlebt, gibt’s hier auf L-IZ.de zu lesen.

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