Mir geht es gut. Das Wetter hier direkt an der Grenze zu Brasilien auf der kolumbianischen Seite ist viel besser als in Manaus, wo eine ungeheure Luftfeuchte herrscht. Der Dschungel ist um die Ecke und eben gab es die Papageien-Sinfonie in Leticia. Da stehen ein paar Bäume rum und etwa um 17 Uhr fallen tausende von Papageien ein und streiten um die besten Plätze. Ein schickes Konzert!

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Ich war mit Juan und seiner kleinen, fast 2-jährigen Tochter Maya unterwegs. Seifenblasen sind der Hit und Fussball ist nicht so richtig ihr Ding. Mit Juan habe ich einen Deal: Ich baue mit ihm zunächest einen Zaun, er schaut mit mir danach Fussball und zeigt mir die netten Ecken der Stadt. Für den Zaun hat er allerlei Spezialschrauben. Die unterscheiden sich von den anderen dadurch, dass sie rostig sind. Werkzeug wird sich geliehen, Dübel aus Baumrinde gebastelt und den Trick mit Wachs auf dem Nagel kennt ihr bestimmt auch nicht.

Die Häuser gleichen mehr einem Rohbau, aber auch Juan ist stolz Hauseigentuemer zu sein, auch wenn wir bei dem Zustand seines Hauses gerade erst Richtfest feiern würden. So ist das eben. Kurz schlucken und dann denken: Passt aber irgendwie trotzdem! Ich bin ja happy darüber, dass überhaupt jemand Englisch spricht. Juan ist Englisch- und Französisch-Lehrer. Der Durchschnittslohn liegt bei 300 US-Dollar, aber ich denke er und seine Frau haben etwas mehr. Etwas…

Belgiens Tor heute hab ich nur durch das langgezogene “Gooooool!” beim Zaun bauen mitbekommen und danach ging’s zum Mittagessen in den Hafen. Es gab Fisch, was sonst. Auf dem Weg dorthin gibt’s allerlei Bolzplätze. Es wird mehr gespielt als geguckt, wobei Falcaos Trikots mit Stolz getragen werden. Schließlich ist Kolumbien bereits qualifiziert. Auf das Mittagsessen folgt Kaffe trinken und mit Bier nachspülen.
Warum Algerien gegen Südkorea gewinnt kann auch ich Juan nicht erklären. Juan ist mittlerweie dick im WM-Fieber, seit dem Kolumbien mit 6 Punkten für das Achtelfinale qualifiziert ist. Die Südamerikaner halten grundsätzlich zusammen. Alle gegen Europa… – ich halte dagegen.

Juan geht davon aus, dass Brasilien weit kommt. Vielleicht finde ich morgen jemanden, der deren Spiel nicht schaut. Juan lacht und meint, dass es eine wirkich blöde Idee sei danach zu suchen. Dann will er mir aber doch eine Ecke Brasiliens zeigen, wo die Leute möglicherweise das Spiel nicht verfolgen. Denn über dem “Hintereingang” Kolumbiens gibt es eine Art Gemeinde direkt am Dschungel. Ich freue mich drauf und bin gespannt, was da morgen los ist – oder eben auch nicht.

Übrigens: Juan bat mich zu verbreiten, dass nicht alle Kolumbianer Drogendealer sind. Das war ihm wichtig – und ich habe es hiermit getan. Viele Grüße aus Leticia. Ich gehe jetzt kurz nach Brasilien und dann wieder zurück. Es macht Spaß, um den Grenzstein zu hüpfen…
Info zur Serie: Mit zwei Rucksäcken hat sich Markus Herwig auf den Weg nach Brasilien gemacht. Er will den Amazonas einmal komplett von West nach Ost durchqueren und dabei herausfinden, welchen Stellenwert für die Menschen abseits des großen WM-Trubels das Turnier im eigenen Land hat. Was er auf seiner Reise erlebt, gibt’s hier auf L-IZ.de zu lesen.

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