Die diesjährige Europa-Reise ist für den HCL zu Ende. Am Samstag schieden die Leipziger Handballerinnen im Viertelfinale des Cupwinners Cups gegen Rostow-Don aus. Wegen der 18:22-Niederlage im Hinspiel war der 24:22-Sieg im Rückspiel zu wenig. Vor allem in der ersten Halbzeit unterliefen der Mannschaft von Stefan Madsen zu viele Fehler. "Ich bin traurig, fassungslos und ohne Worte", kommentierte Karolina Kudlacz das Ausscheiden.

Einen Vier-Tore-Rucksack hatte der HC Leipzig beim Hinspiel im fernen Russland aufgebürdet bekommen. Dieser sollte nun am Samstag in der rappelvollen heimischen Arena Tor für Tor ausgepackt werden. “Das wird ein heißer Pokalfight!”, wusste Kapitänin Katja Schülke um die Schwere der bevorstehenden Aufgabe. “Wir wollen ab der ersten Minute mit viel Feuer und Aggressivität spielen, werden aber auch die Geduld haben und wir wollen die sich bietenden Chancen nutzen”, kündigte die Handballerin des Jahres den starken Russinnen einen heißen Tanz an.

Vor allem das Nutzen der sich bietenden Chancen erwies sich in der Anfangsphase jedoch als Achillesferse. Konnte Maura Visser wenige Sekunden nach dem Anpfiff einen Siebenmeter gerade noch so im Nachsetzen zur 1:0-Führung verwandeln, gelang in den folgenden Minuten nach vorn wenig. Da auch der Abwehrbeton noch seine Zeit zum Aushärten benötigte, gaben die Gäste mit einer Vierer-Serie einen Einstand nach Maß. Das 1:4 nach bereits sieben Minuten war ein schwerer Schlag ins Leipziger Kontor. Diese drei Tore Minus schob der HCL während der gesamten ersten Halbzeit wie einen Felsbrocken vor sich her: 3:6 (11.), 5:8 (18), 7:10 (23.), 9:12 (29.). Dass dann zur Halbzeitpause mit 10:12 auch noch exakt das selbe Resultat von der Anzeigetafel leuchtete wie im Hinspiel, taugte als Hoffnung bringendes Omen eher wenig.
Auch der Beginn der zweiten Hälfte ließ wenig Zuversicht keimen. “Die Drei muss stehen!”, schien aus Rostower Sicht weiterhin das Motto. 10:13 (33.), 11:14 (39.), 12:15 (42.), 13:16 (43.) – die Serie hielt. Besonders bedenklich dabei war die Tatsache, dass der HCL ganze neun Minuten dafür benötigte, um nach dem Wechsel ein Tor zu erzielen. Ein klitzekleines Lichtlein entflammte trotzdem. In der 35. Minute hexte Katja Schülke zwei Hundertprozenter in Folge weg und meldete sich endlich in zuletzt schon gewohnter Weltklasse-Manier zurück. Mit ihren Paraden hielt sie Leipzig im Rennen, das ab Mitte der zweiten Halbzeit im Angriff immer mal wieder mit einem siebenten Feldspieler agierte. Diese Variante hatte der HCL vor anderthalb Wochen beim Pokalspiel in Bensheim ausführlich getestet.

Und endlich gelang mehr. Mit einer bis dahin noch nicht gesehenen HCL-Dreier-Serie (2x Kudlacz, 1x Augsburg), warf sich die Madsen-Truppe erstmals wieder auf Augenhöhe (16:16/ 47.). Das belebte Mannschaft und Publikum. Jeder spürte: Da geht noch was! 4.363 Menschen flippten aus, als Visser wenig später sogar zur 18:17-Führung traf (52.). Es war die erste Leipziger Führung seit dem 1:0 – Kudlacz bauten den Vorsprung auf 19:17 aus. Der Leipziger Aufschwung ging am Nervenkostüm der russischen Gäste nicht spurlos vorüber. Renate Shymkute – im Hinspiel mit 16 (!) Toren Rekordschützin – fabrizierte in dieser Phase drei Zeitstrafen in weniger als einer Viertelstunde und musste somit dauerhaft auf der Bank Platz nehmen. Dennoch fanden ihre Kolleginnen in den wichtigen Momenten immer wieder den Weg zum Tor.

In den letzten drei Minuten überschlugen sich die Ereignisse. Visser (per Siebenmeter) und Kudlacz hatten ein 22:22 in ein 24:22 verwandelt (59.). Drei Treffer mussten her, um das Wunder noch zu schaffen. In der Schlussminute trat erneut Kudlacz zum Strafwurf an, doch ließ – ein wenig zu lässig – die große Chance liegen. Auch Bont traf freistehend nur den Pfosten und Visser scheiterte ebenfalls vom Siebenmeterpunkt. Es blieb beim 24:22 – zu wenig für den HCL. Die verschlafene Anfangsphase und vier vergebene Siebenmeter hatten sich unbarmherzig gerächt.

“Ich habe viel mehr von uns erwartet”, sagte eine schwer enttäuschte Karolina Kudlacz, die sich insgesamt eine höhere Motivation ihres Team gewünscht hätte. “Ich weiß nicht, woran es lag”, zeigte sie sich ratlos. Mit Tränen in den Augen schickte sie hinterher: “Ich bin traurig, fassungslos und ohne Worte”. Dann vergrub sie sich unter ihrem Handtuch und wollte nur noch allein sein.
HC Leipzig: Schülke, Plöger – Visser (4/1), Augsburg (3), Müller (1), Reiche, Kramer (4), Bont (2), Schulze, Kudlacz (9/3), Lang (1), Hubinger, Windisch, Möschter.
Rostow-Don: Barjaktarovic, Gabisova – Artamonova (3/1), Slivinskaya (2), Petrova (2), Lavrenyuk, Zhitlova, Svitanko (3), Shybanova, Yartseva (2), Bobrovnikova (4), Sen, Shymkute (5/2), Tsvirinko, Garbuz (1).

Schiedsrichter: Malgorzata Gutowska/ Urszula Gutowska (Polen), Siebenmeter: HCL 8/4 (Kudlacz 5/3, Visser 3/1), Rostow 4/3 (Shymkute 3/2, Artamonova 1/1), Zwei-Minuten-Strafen: HCL 2x (Augsburg, Bont), Rostow 5x (Artamonova, Slivinskaya, 3x Shymkute), Zuschauer: 4.363 in der Arena Leipzig.
Balonmano Bera Bera (ESP) – Thüringer HC (GER) 15:33/ heute
Vaci NKSE (HUN) – Issy Paris Hand (FRA) 24:23/ 23:27
Dinamo Wolgograd (RUS) – Hypo NÖ (AUT) 22:31/ 31:25
Rostow-Don (RUS) – HC Leipzig (GER) 22:18/ 22:24

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