Wie spannend Hallenhockey sein kann, bewiesen die ATV-Frauen am vergangenen Wochenende eindrucksvoll. Erstmals in der Vereinsgeschichte gelang ihnen der Sprung in die Meisterschafts-Playoffs der 1. Bundesliga. Nachdem die Leipzigerinnen am Samstag bei TuS Lichterfelde noch mit 5:8 den Kürzeren gezogen hatten, vertagten sie die Entscheidung auf das Heimspiel gegen die Zehlendorfer Wespen am Sonntag. Und das war nichts für schwache Nerven...

Nur eines stand vor der Begegnung fest: Mit einem Sieg würden sich die Leipzigerinnen auf jeden Fall in die Playoffs schießen. Bei Remis oder Niederlage würde das Weiterkommen davon abhängen, ob Verfolger Lichterfelde in seinem Auswärtsspiel gegen Osternienburg ebenfalls Punkte lässt. Immerhin 300 Zuschauer wollten sich den Showdown im Rabet nicht entgehen lassen.

Allerdings klappte dem Publikum vor Schreck recht bald die Kinnlade herunter. Gleich nach dem ersten Angriff der Gäste lag der kleine Spielball im Tor des ATV – gerade einmal 15 Sekunden waren da gespielt. Und es sollte noch deftiger kommen. Mit einem Doppelpack erhöhte die Zehlendorferin Daniela Dallmann ruckzuck auf 0:3 (7.) – ein herber Rückschlag für das Projekt “Playoff-Einzug”.

Mehrmals hatte der ATV - hier Melina Göbel - am Boden gelegen, ist aber immer wieder aufgestanden. Foto: Jan Kaefer
Mehrmals hatte der ATV – hier Melina Göbel – am Boden gelegen, ist aber immer wieder aufgestanden. Foto: Jan Kaefer

“Wir sind eine recht junge Mannschaft, und es war ein großer Druck, der auf uns gelastet hat. Wir wollten unbedingt gewinnen, die Einstellung hat gestimmt, aber man ist sehr aufgeregt”, erklärte ATV-Kapitänin Nadine Schwarte den Fehlstart. Ihr war es vorbehalten, mit ihrem Treffer zum 1:3 (13.) das Lichtlein der Hoffnung wieder zum Glimmen zu bringen. Spätestens nach dem 2:3-Anschlusstreffer (26.) von Julia Kappler, der auch den Halbzeitstand markierte, war der Glaube endgültig zurück.

Auch die zweite Halbzeit hielt einige Berge bereit, die dieser Glaube zu versetzen hatte. In der 33. Minute schien zunächst alles gut werden zu wollen: Siebenmeter für Leipzig, die große Chance auf den Ausgleich! Nadine Schwarte übernahm die Verantwortung, doch konnte den Ball nicht im Tor unterbringen. “Beim Siebenmeter, habe ich richtig gemerkt, wie ich gezittert habe. Das hatte ich noch nie!”, gestand die 27-Jährige im L-IZ-Interview ihre Aufgeregtheit.

Der Ausgleich fiel trotzdem, Nancy Rudolph brachte mit ihrem 3:3 in der 39. Minute das Publikum zum Jubeln. Dieser Jubel fiel allerdings sehr kurz aus, denn schon nach dem Gegenzug lag Leipzig wieder hinten. Ein weiterer Rückschlag für den Traum vom Viertelfinale. Aber dieses ATV-Team war einfach nicht klein zu kriegen. Nach einer Strafecke zwirbelte Vanessa Wenzel die Kugel zum 4:4 (46.) ins Netz.

Je weniger Zeit auf der Uhr verblieb, umso druckvoller drängte Leipzig auf die Entscheidung. Sie sollte fallen, wenn auch sehr spät. In der 57. Minute hielten die ATV-Fans den Atem an. Zehlendorf hatte eine Strafecke zugesprochen bekommen, doch Karoline Amm parierte den Schuss. Erleichterung – und kurz darauf Riesenjubel. Zwei Minuten vor Ultimo war es wieder die Kapitänin, die ein Ausrufezeichen setzte: Nadine Schwarte gelang das 5:4 und damit die erstmalige ATV-Führung der Partie.

ATV-Keeperin Karoline Amm ließ sich von keiner der fünf Zehlendorfer Strafecken überlisten. Foto: Jan Kaefer
ATV-Keeperin Karoline Amm ließ sich von keiner der fünf Zehlendorfer Strafecken überlisten. Foto: Jan Kaefer

“Natürlich war es erst mal eine Erleichterung”, beschrieb sie diese Szene hinterher, “aber es waren ja immer noch ein paar Minuten zu spielen, da war die Messe noch nicht gesungen.” Ein kleiner Teil der Zuschauer jubelte vor dem Abpfiff trotzdem ausgelassen. Sie hatten die Kunde vernommen, dass Verfolger Lichterfelde in Osternienburg 2:3 verloren hatte. Damit waren die Playoffs für den ATV sicher, ganz egal, wie das Spiel auch enden würde.

Es endete im Jubelrausch. Vanessa Wenzel setzte mit dem 6:4 – wieder nach einer Strafecke – den richtigen Schlusspunkt. Danach war nur noch Emotion. Jubel-Knäule, Umarmungen, Freudentränen, das große Ziel war geschafft! “Das ist sensationell, das ist super, das ist historisch! Das gab es noch nie und wird es vielleicht so schnell nicht wieder geben.

Daher genießen wir jetzt den Moment”, strahlte Nadine Schwarte. “Es war wichtig, dass wir nach der Halbzeit den Schalter umlegen konnten und nochmal richtig gut Hockey gespielt und gezeigt haben, was wir können.”

Im Viertelfinale sind die Leipzigerinnen allerdings krasser Außenseiter, müssen tief in den Westen reisen, zum Düsseldorfer HC, dem Sieger der West-Gruppe. Aber wie sagt es die ATV-Kapitänin immer so schön: “Man hat es ja gesehen, es kann im Hallenhockey sehr schnell gehen.”

Freudensprünge: Vanessa Wenzel (li.), Nadja Ziane und Julia Kappler bejubeln den abschließenden Treffer zum 6:4. Foto: Jan Kaefer
Freudensprünge: Vanessa Wenzel (li.), Nadja Ziane und Julia Kappler bejubeln den abschließenden Treffer zum 6:4. Foto: Jan Kaefer

Die Statistik zum Spiel

ATV Leipzig vs. Zehlendorfer Wespen 6:4 (2:3) 1. Bundesliga, Gruppe Ost

ATV Leipzig: Amm – Benedix, Göbel, Kappler (1), Nägler, Rudolph (1), Schniewind, Schubert, Schwarte (2/ C), Wenzel (2), Ziane, Zschieschang. Trainer: Axel Thieme.
Zehlendorf: Slosarek – Devasahayam (C), Rothbart, Dallmann (3), Z.Boesser, Grieco, Klockgether, Kober, Paschke, J.Boesser (1), Schultze. Trainer: Bernd Rannoch.

Schiedsrichter: Heinlein/ Kasper. Tore: 0:1 J.Boesser (1.), 0:2 Dallmann (6.), 0:3 Dallmann (7.), 1:3 Schwarte (13.), 2:3 Kappler (26.), 3:3 Rudolph (39.), 3:4 Dallmann (39.), 4:4 Wenzel (46./ Strafecke), 5:4 Schwarte (58.), 6:4 Wenzel (60./ Strafecke). Strafecken: ATV 5/2, Zehlendorf 5/0. Zuschauer: 300 in der Sporthalle Rabet, Leipzig.

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