Mit einer Dashcam für das Fahrrad will eine junge Firma aus Leipzig den Radverkehr stärken. Die Spezialkamera soll zum Beispiel enge Überholmanöver aufzeichnen und schnelle digitale Anzeigen bei der Polizei ermöglichen. Außerdem sollen die Geräte Daten über den Radverkehr in einer Stadt insgesamt liefern, um das Verkehrsnetz besser zu planen. Die Stadt Leipzig ist bereits Kooperationspartner.

„Unser Hauptziel ist, dass Radfahren sicherer wird“, sagt Lelia König, die das Start-up Dashfactory 2018 gemeinsam mit ihrem Lebenspartner Sandro Beck gründete. Die Idee für eine Dashcam für das Rad entstand aus persönlicher Betroffenheit: „Wir sind beide mehr oder weniger professionelle Radfahrer. Auf der Straße hatten wir regelmäßig viele gefährliche Situationen, wo wir sehr eng überholt wurden.Hinzu kam dann, dass auch meine beste Freundin angefahren wurde“, erzählt die 26-Jährige. Das sei der Punkt gewesen, an dem sie etwas unternehmen und sich eine Kamera anbauen wollten. Das Problem: Für Radfahrer habe es gar keine passenden Aufnahmegeräte gegeben.

Gerichtlich verwertbare Aufzeichnungen

Dashcam bedeutet übersetzt so viel wie „Armaturenbrettkamera“. Per Definition sind sie also bislang vor allem in Autos im Einsatz. Mit den Kameras zeichnen Fahrerinnen und Fahrer das Verkehrsgeschehen auf, um im Falle eines Unfalls ihre Unschuld beweisen zu können oder das Fehlverhalten anderer zu dokumentieren.

Rechtlich war der Einsatz solcher Kameras jahrelang umstritten. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied aber 2018, dass die Aufzeichnungen unter bestimmten Bedingungen erlaubt und als Beweismittel zugelassen werden können.

Dieses Urteil lasen auch Lilia König und ihr Partner Sandro Beck mit Interesse. Sie wollten eine Kamera für ihre Räder, mit der sie sich nicht strafbar machten. „Wir haben dann angefangen selbst zu basteln und zu testen“, erinnert sich König. Schnell hätten andere Radfahrende ihnen dazu ein gutes Feedback gegeben und auch Interesse angemeldet. „Da haben wird dann gedacht, okay, vielleicht brauchen das noch mehr Menschen“.

Das Projekt Dashbike kam ins Rollen.

Verkaufsstart im Juni

Herausgekommen ist nun ein schätzungsweise zehn bis 15 Zentimeter kleines Gerät, das direkt unterhalb des Sattels in eine Vorrichtung geklickt werden kann. Nach hinten filmt die Kamera. Wie es das BGH-Urteil vorsieht, zeichnet sie in einer Schleife auf, überschreibt die Aufnahmen immer wieder.

Die Firma verspricht gerichtlich verwertbare Aufzeichnungen. Nur bei abrupten Bewegungen oder wenn etwas zu nah an die seitlichen Sensoren kommt, wird Bildmaterial gespeichert. Zusätzlich ist das Gerät mit einem Tages- und Nachtlicht ausgestattet, um die Sichtbarkeit zu erhöhen.

Die Anbringung der Kamera am Sattel. Quelle: Dashfactory GmbH
Die Anbringung der Kamera am Sattel. Quelle: Dashfactory GmbH

Ende März erreichte die Dashbike serienreife. „Unser Problem ist momentan Corona. Im Prinzip könnten wir anfangen zu produzieren. Uns fehlen aber noch drei bis vier Teile. Die Lieferzeiten sind leider unberechenbar“, erzählt Gründerin Lilia König.

Aufgrund der schwierigen Materialbeschaffung produziert das Start-Up die Geräte auch nicht in Leipzig oder anderswo in Deutschland, sondern mit einem Partner in Wien, der gute Kontakte zu Lieferanten in Asien habe. Bis Juni sollen die ersten 5.000 Geräte hergestellt sein.

Massenhaft Anzeigen?

Mit dem Verkaufsstart im Sommer soll dann auch eine App zur Kamera verfügbar sein, mit der die Besitzerinnen und Besitzer im Handumdrehen digitale Anzeigen plus Beweismittel an die Polizei senden können. Ist dann nicht mit massenweisen Eingaben zu rechnen angesichts des Dauerkonflikts zwischen Radelnden und Autofahrenden?

König beschwichtigt: „Das ist überhaupt nicht unser Ziel.“ Man müsse sehen, dass bei einer Anzeige der bürokratische Aufwand trotzdem anfalle. „Bei den meisten in unserer Community überwiegt der Absicherungsgedanke für den Fall, dass wirklich etwas passiert.“

Mit der Polizei strebe man ein kooperatives Verhältnis an und habe etwa in Dresden bereits Gespräche geführt, um die App vorzustellen und die Übertragung sicherzustellen.

Verkauf von Nutzerdaten an Städte

Mehr Sicherheit im Straßenverkehr will das Unternehmen überdies auf einem anderen Weg erreichen: durch das Sammeln und Auswerten der Daten der Nutzerschaft – nach vorheriger Zustimmung, wie Geschäftsfrau König betont. „Leipzig kam als allererste Stadt mit dieser Idee auf uns zu. Die haben gesagt, es gibt viele Fördermittel für den Radverkehr und sie wollen auch was machen, aber es gibt nicht viele Daten“, erzählt König.

Mit dem Wissen über die genutzten Radrouten und die gefährlichen Verkehrsstellen könnten die Geldmittel effizienter eingesetzt werden.

Die Datengeschäfte mit Städten könnten künftig einen großen Teil des Geschäfts der Firma ausmachen, die 2019 von Jena aus ins Start-Up-Zentrum SpinLab in Plagwitz einzog. Andere Kommunen wie eben Jena oder Graz in Österreich meldeten laut Unternehmen bereits Interesse an.

Risikokapital-Anleger sind offenbar hoffnungsfroh. Etwa 1,2 Millionen Euro Kapital flossen bislang ins Unternehmen. Engagiert sind unter anderem die Beteiligungsmanagement Thüringen und die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Sachsen.

Privatleute können wie gesagt ab Juni in ihre eigene Fahrrad-Dashcam investieren. Zum Start soll das Gerät 229 Euro kosten.

Die Dashfactory aus Leipzig im Netz

Hinweis der Redaktion in eigener Sache

Seit der „Coronakrise“ haben wir unser Archiv für alle Leser geöffnet. Es gibt also seither auch für Nichtabonnenten alle Artikel der letzten Jahre auf L-IZ.de zu entdecken. Über die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall.

Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tägliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.

Vielen Dank dafür.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar