Die Buchmesse naht. Mit dem üblichen Tamtam. Berühmten Nasen, Selbstdarstellern, Weihrauchwolken. Dabei knirscht es im Getriebe. Alle wissen das. Die Akteure sind besorgt über die schöne neue Medienwelt. Die gesamte Buchbranche. Muss das Buch - mal wieder - gerettet werden? - "Vorsicht Buch!" heißt es ab dem 13. März auf der Leipziger Buchmesse.

“Die gesamte Buchbranche initiiert ab März 2013 unter Federführung des Börsenvereins des deutschen Buchhandels eine bundesweite Kampagne, die Lust auf Lesen und Lust auf Bücher macht. Erstmalig wird sie auf der Leipziger Buchmesse 2013 vorgestellt”, lautet die Einladung an die Journalisten, die am 13. März als erste erfahren sollen, was dahinter steckt. Wenn sie wollen. Wollen sie?

Am Folgetag, dem 14. März, startet die Kampagnen-Promotion “Fesselnde Bücher”, unter anderem mit dem Literaturkritiker Hellmuth Karasek, der Autorin Dora Heldt (“Urlaub mit Papa”, “Tante Inge haut ab” …) und dem Sportmoderator und Kinderbuchautor Uli Potofski (“Locke greift an”, “Locke und der Voodoo-Zauber” …). In der Glashalle neben der ZDF-Bühne.

Das klingt nicht so, als müsste man hingehen. Das klingt nach dem, was man beim Fernsehen unter Bücherretten versteht.

Und: Was hat das mit der mitteldeutschen Buchlandschaft zu tun? Um die geht es doch eigentlich? – Jedenfalls uns bei der L-IZ. Wir lassen uns nicht von Karasek und Co. erzählen, was wichtig ist und lesenswert. Wir durchstöbern die Angebote der hiesigen Verlage, die es schwer genug haben. Die Lage hat sich nicht gebessert in den letzten Jahren, nicht wirklich. Sie sind die Exoten in den Distributionsketten, dürfen da und dort mal im Regionalia-Regal Platz nehmen, schaffen es da und dort auch mal in Spezialbuchhandlungen. Manchmal bekommen sie auch eine richtige Pressekampagne.

Nicht immer für die Bücher, für die sie sich das wünschen. Aber die Presse ist bei so etwas unberechenbar.Was dann den Verlag, dem es passiert, trotzdem freut. Denn so ist der Bücherkäufer: Skandale heizen die Neugier an. Im Februar dem Erfurter Sutton Verlag passiert mit Kerstin Apels “Der Kreuzworträtselmord. Die wahre Geschichte”, der Geschichte eines wirklich in Halle passierten Mordes, über den die involvierte Freundin des Mörders nun erzählt. Ein Sturm der Entrüstung entlud sich. Der Verlag musste die Lesungen absagen.

Das kann jedem Verlag passieren, der ein unbewältigtes Thema aus vergangenen Tagen in ein Buch packt. Auch wenn das, was die 28 Verlage vorstellten, die am Dienstag, 26. Februar, den Weg ins Haus des Buches in Leipzig fanden, nur da und dort mit solchen heißen Eisen gespickt war. Wagner gibt’s natürlich in allerlei Zubereitung – vom Mini-Buch, das sich mit Wagners Musen beschäftigt, aus dem Buchverlag für die Frau bis zur Wagner-Werk-Ausgabe aus dem Projekte-Verlag in Halle. Und in Sachen Völkerschlacht gibt es ein kleines Plänkelfeuer: Wer hat das richtige Buch auf dem Markt?

Eins hat ja der Plöttner Verlag vorgelegt mit “Schusterjunge Karl” von Susan Hastings. Und Jonas Plöttner, der als Verleger 2012 eine Rütteltour hinter sich hatte, kann mit Stolz sagen, dass er diesen Roman aus den Wirren der Völkerschlacht noch vor Weihnachten vorgelegt hat. “Vor Sabine Eberts ‘1813’”, stellt er fest. Nicht zu vergessen das im Jenaer Verlag Bussert & Stadeler erschienene Fakten-Buch zur Völkerschlacht: “1813 – Die Völkerschlacht bei Leipzig” von Gerd Fesser.

Und auch ein anderer Verleger stellt fest, dass Sabine Ebert mit ihrem Völkerschlacht-Roman nicht so ganz die Erste war, wie derzeit so gern erzählt.

Schon 1864 erschien der Roman “Histoire d’un conscrit de 1813” von Emile Erckmann und Alexandre Chatrian in Frankreich, in Deutschland veröffentlicht als “Ein Soldat von 1813”. Und der Vorteil von Erckmann und Chatrian war: Sie konnten tatsächlich noch mit Veteranen der Napoleonischen Kriege sprechen. Dem Roman liegen authentische Schilderungen eines Fußsoldaten der französischen Streitkräfte aus dem Jahr 1813 zugrunde.

Was hat aber nun ein junger Hörbuch-Verlag wie der Zeitbrücke Verlag aus Aue damit zu tun? – Er hat den Roman von Erckmann/Chatrian als Hörbuch vorgelegt. Wer also keine Lust hat, sich durch den Matsch der Schlechtwettertage zur Völkerschlacht zu lesen (obwohl das Buch spannend ist), der kann sich hörend in das Leben eines jungen französischen Soldaten vertiefen. Und wer dann die Bücher von Hastings und Ebert dazu liest, der bekommt so eine Ahnung, wie ausgeliefert die Soldaten einer solchen Schlacht sind – und wie sehr sich ihre Schicksale ähneln.Das, was an Büchern zur Völkerschlacht erscheint, zeigt in farbiger Bandbreite das ganze Drama dieser Ereignisse – bis hin zu den dramatischen Folgen. Die kann man mit einem Buch aus dem Sax-Verlag nachvollziehen. Es ist die Wiederauflage eines Buches aus der Zeit kurz nach der Völkerschlacht: “Wanderungen über das Schlachtfeld”.

Zuwachs hat die Leipziger Verlagslandschaft auch bekommen. Im September wechselte der Open House Verlag von Freiburg im Breisgau in die Leipziger Beethovenstraße. Schön dicht dran ans Leipziger Literaturinstitut, aus dem eine der Autorinnen kommt, mit denen der Verlag zur Buchmesse Premiere feiert – Babet Mader mit ihrem Buch “Hungrig”. Und mit dem Buch “Westschrippe” von Nicola Nürnberger betrete der Verlag auch thematisches Neuland, meint Dr. Rainer Höltschl. Denn über die Endzeit der DDR gibt es mittlerweile eine ganze Reihe bekannter Romane. Über die Endzeit der (alten) BRD kein einziges. “Damit hat sich keiner beschäftigt”, sagt er. “Das hat augenscheinlich auch keinen interessiert.”

Das Buch aber zeigt – kleiner Lesetipp für unsere Brüder und Schwestern – dass auch ihre wohlvertraute Heimatstube 1990 von der Bildfläche verschwand. Die Ostschrippe ist Geschichte, das merkt jeder, der irgendwo in Leipzig versucht, ein vernünftiges Brötchen zu bekommen. Und die Westschrippe?

Wer die Verlegerinnen und Verleger aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen jedes Jahr im Februar so beieinander sitzen sieht, der fragt sich wirklich: Wo ist eigentlich der Fehler? Warum funktionieren einige Teile des deutschen Buchmarktes immer schlechter? Liegt es wirklich an den neuen Medien?

Und damit an Leuten wie Johannes M. Ackner, die mit preiswürdigen Hörbüchern ein Feld neben der gewachsenen Buchlandschaft beackern. Für “Der heilige Pillendreher” bekam ja der Buchfunk Hörbuchverlag im Januar den Deutschen Hörbuchpreis 2013. Künftig will sich Buchfunk auch mal in eBooks ausprobieren.

Ist es das?

Oder hat der Buchmarkt nicht mittlerweile dieselben Probleme wie der deutsche Lebensmittelhandel: Ein paar große Konzernkonglomerate und Kaufhausketten beherrschen die Distribution. Der Online-Händler Amazon hat sich nicht als die versprochene Lösung erwiesen. Im Gegenteil. Gerade die kleineren Verlage fühlen sich hier erst recht untergebuttert.

Da braucht es etwas Neues. Ob es eine neue PR-Kampagne fürs Lesen ist – wir sind gespannt. Aber wir glauben nicht daran.

Denn es wird die Distributionsprobleme der kleinen agilen Verlage nicht lösen. Sie brauchen allesamt andere Ansätze. Und ihr Marketing müssen sie alle selbst irgendwie neu erfinden. Manchmal gehört ein Preis dazu. Der Sutton Verlag ist ja stolz darauf, dass der von ihm betreute Thüringer Krimi-Preis mittlerweile Tradition hat. In Leipzig hat der fhl Verlag 2012 den ersten Leipziger Krimi-Preis ins Leben gerufen. Das Ergebnis gibt es zur Buchmesse. Da feiert der Krimi, mit dem Cornelia Lotter aus Tübingen den 1. Krimi-Preis gewonnen hat, Premiere: “Gottesgericht”. Aber auch ihre Spur führt nach Mitteldeutschland: Sie wurde in Weimar geboren und siedelte 1984 in das über, was auch damals schon der Westen hieß.

Der fhl Verlag gehört jetzt schon zu den gestandenen Verlagen in Leipzig. Man merkt erst, wie die Jahre ticken, wenn die eben noch Jungen auf einmal zum Kern der Verlegerschaft gehören. Da werden zwei Neugründungen von 2003 längst als etabliert empfunden. Es sind der Lehmstedt Verlag, der zu dieser Buchmesse genauso sein 10jähriges feiert wie die Verlagsgruppe Seemann Henschel GmbH & Co. KG.

Und die Völkerschlacht?

Hat die bei Seemann Henschel beheimatete Edition Leipzig auch noch kurzfristig ins Programm genommen: Steffen Poser “Die Völkerschlacht bei Leipzig”. Da hat der Mann zur Tastatur gegriffen, der als Leiter der Gedenkstätte Völkerschlachtdenkmal am besten darüber Bescheid wissen sollte.

Natürlich haben wir jetzt zwei Dutzend Verlage und mindestens 60 empfehlenswerte Titel unterschlagen. Aber einen Teil davon werden wir in der Rubrik “Leipziger Bücher” wieder bis zum Sommer abarbeiten. Bis der nächste Schwung Bücher kommt.

Die Neuen: www.zeitbruecke.com

www.openhouse-verlag.de

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