Auch wenn SPD, Grüne und Linke als Opposition im Sächsischen Landtag öfter mal an einem Strang ziehen, ist es eher selten, dass sie ihre Positionen auch in einer gemeinsamen Presseerklärung bündeln. Oft gibt es eben doch unterschiedliche Sichten auf ein Problem. Aber wenn es um Sachsens technologische Zukunft geht, sind sich die drei Fraktionen einig: Sie sieht, wenn es so weiter geht wie im "Technologiebericht" beschrieben, finster aus.

Am Mittwoch, 27. März, legte die vor zwei Jahren im Sächsischen Landtag gebildete Enquete-Kommission “Strategien für eine zukunftsorientierte Technologie- und Innovationspolitik im Freistaat Sachsen” in Dresden ihren Abschlussbericht vor. Nun ist technologischer Wettbewerb nichts, was man einfach politisch einfärben kann. Es gelten knallharte Parameter – die übrigens auch die stets so staatskritische und marktfreundliche Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) interessieren werden: Es geht um Abschlussquoten in Schulen und Hochschulen, ausbildungsfähigen Nachwuchs, Forschungsförderung und Förderung von Innovationen, um die Herstellung von Marktfähigkeit für neue Produkte, Wertschöpfung usw.

Aber der Bericht stellt am Ende nicht alles dar, was in den Anhörungen und Expertengesprächen zur Sprache kam. Die beiden Regierungsparteien lesen erst einmal nur das heraus, was im aktuellen Regierungshandeln keine neuen Weichenstellungen bedeutet.

Dr. Stephan Meyer, Obmann für Technologie- und Innovationspolitik der CDU-Fraktion: “Im Ergebnis haben wir eine Vielzahl von konkreten Handlungsempfehlungen erarbeitet. Der Wissenschaftsstandort Sachsen mit exzellenten Forschungsbereichen muss sich noch intensiver der Gründungskultur widmen und Forschungsergebnisse in die Umsetzung in Sachsen transferieren. Wir schlagen deshalb die Einrichtung von anwendungsorientierten Lehrstühlen für ?Technologietransfer und innovative Unternehmensgründungen? vor. Diese Lehrstühle sollten vorzugsweise an den ingenieur-, technik- und naturwissenschaftlichen Fakultäten angesiedelt werden, um Unternehmensgründungen in diesen Bereichen zum Beispiel mit Hilfe von Career Services, Mentoring-Netzwerken sowie Kompetenzschulen zu befördern.”

Wer in Sachsen schon einmal ein Unternehmen gegründet hat oder versucht, es zu gründen, weiß, wie hier um das eigentliche Thema gedrückt wird. Neue Lehrstühle für “Technologietransfer und innovative Unternehmensgründungen” nutzen im konkreten Gründungsprozess herzlich wenig.

Aber die CDU/FDP-Regierung geht einfach davon aus, dass nur der Informationsfluss zwischen Hochschulen und Unternehmen flüssiger gestaltet werden muss, dann kommt der Prozess schon in Gang. Meyer: “Um den Wissens- und Technologietransfer zu fördern und die Akteure noch enger aneinander zu binden, haben wir zudem eine Innovationsplattform bei der Sächsischen Staatsregierung angeregt, welche als Verbindung zwischen den verschiedensten Akteuren, insbesondere der Wissenschaft und Wirtschaft, im Bereich der technologischen Innovation dienen soll. Die Themen Finanzierung, Existenzgründung, Verwertung geistigen Eigentums, Cluster und Netzwerke sowie die Zusammenarbeit mit Körperschaften sollen durch die Innovationsplattform gebündelt, deren Nutzung koordiniert und beratend begleitet werden. Die Koalition hat dafür im laufenden Doppelhaushalt bereits Vorsorge getroffen.”Der technologiepolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Prof. Andreas Schmalfuß, sieht den Schwerpunkt ebenfalls im hochschulbasierten Knowhow: “Die kontinuierliche Weiterentwicklung der Fachhochschulen und der Berufsakademie sind notwendig, um den regionalen Bedarf an Fachkräften für die Unternehmen zu decken. Die mittelständische Wirtschaft ist der Motor für die zukünftige Innovationskraft Sachsens. Nur mit Wertschöpfung hier vor Ort können wir Fachkräfte in Sachsen halten und den Wohlstand sichern. Von besonderer Bedeutung ist für uns der stärkere Schutz von geistigem Eigentum durch die Schaffung einer “Sächsischen Allianz zur Verwertung geistigen Eigentums.”

Entsprechend sauer reagierten Linke, SPD und Grüne. Sie kritisierten auch, dass CDU und FDP diesmal von vornherein verhindert hatten, dass sich die Mehrheitsverhältnisse mit den Stimmen der von den Minderheitsfraktionen berufenen Fachleute und Praktiker verschieben könnten. Was auch in anderen Ausschüssen des Landtages immer wieder zu erleben war: Auch die von CDU und FDP berufenen Fachleute stimmten oft nicht mit den politischen Schwerpunktsetzungen der Regierungsparteien überein und kritisierten Regierungshandeln teilweise. In der Praxis stellt sich Vieles, was auf Dresdener Papier bestechend aussieht, als nicht praktikabel heraus. Deshalb wurde diesmal, so kritisiert die Opposition, oft nicht nach objektiven, sondern nach parteipolitischen Kriterien entschieden.

Thomas Jurk, Obmann der SPD-Fraktion, ärgert sich richtig: “Auf mehr als 120 Seiten Minderheitenvotum mussten wir geraderücken, was CDU und FDP entweder weichgespült oder ganz unterschlagen haben. Im ganzen Kapitel zur Fachkräftesicherung taucht z. B. die Frage nach angemessenen Löhnen nicht einmal auf. Um gute Leute zu bekommen, muss Sachsen aber dringend vom Image als Niedriglohnland wegkommen.”

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Dem pflichtet Frau Dr. Monika Runge, Obfrau der Linksfraktion, bei: “Die Koalition will Ingenieure, aber kosten dürfen sie nichts. Im Bundesdurchschnitt erhalten die Universitäten 8.500 Euro pro Student. In Sachsen sind es nicht einmal 6.200 Euro. Aber wer heute nicht in kluge Köpfe investiert, dem werden sie morgen fehlen.”

Der Obmann der Grünen, Michael Weichert, sorgt sich um das sächsische Handwerk: “CDU und FDP bedenken das Handwerk nur in ihren Sonntagsreden, aber nicht im Enquete-Bericht. Dabei gäbe es viel zu tun: Sächsische Förderprogramme sind einseitig technologielastig und vernachlässigen innovative Dienstleistungen, die im Handwerk eine große Rolle spielen. Wir wollen spezielle Förderung bzw. die Öffnung bereits vorhandener Programme für innovative Handwerker. Die Kommission hat über Innovationen diskutiert, ohne selbst innovativ zu sein.”

Der Bericht ist also zu jedem einzelnen Thema gespickt mit Minderheitenvoten. Und die am Schluss aufgeführten “Handlungsfelder” lesen sich eher wie die üblichen Wunschbausteine der sächsischen Staatsregierung, ohne dass wirklich irgendwo ein konkreter Handlungsansatz sichtbar wird. Alles soll besser, qualitätvoller, dienstleistungsorienter werden. Und gleich an mehrere Stellen wird betont, das Bild des Unternehmers müsse besser vermittelt werden. Am Ende bleibt das Gefühl: Wieder zwei Jahre und nichts als aufgewärmter Tee.

Die Zusammenfassung der Kritik von Linken, SPD und Grünen zu den Ergebnissen der Enquetekommission des Sächsischen Landtages “Technologie- und Innovationspolitik in Sachsen” findet man hier: www.gruene-fraktion-sachsen.de/fileadmin/user_upload/ua/Handout_Vorstellung_Enquete_2.pdf

Den Bericht der Enquete-Kommission findet man hier: http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=11300&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=1

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