Seit Montag, 29. April, ist es jetzt ganz offiziell: Die beiden Landeshauptstädte Dresden und Magdeburg treten zum Jahresende aus der Metropolregion Mitteldeutschland aus. Die verbliebenen Oberbürgermeister haben es traurig zur Kenntnis genommen, lassen sie mitteilen. Gleichzeitig kündigten sie an, die inhaltliche Arbeit weiter intensivieren zu wollen und neue Kooperationen zu prüfen.

“Wir bedauern den Austritt von Magdeburg und Dresden und können die Gründe dafür nicht nachvollziehen. Natürlich steht beiden Kommunen weiter die Tür zur Zusammenarbeit in gemeinsamen Projekten innerhalb der Arbeitsgruppen der Metropolregion Mitteldeutschland offen”, sagt Dr. Albrecht Schröter, Vorsitzender des Gemeinsamen Ausschusses der Metropolregion Mitteldeutschland und Oberbürgermeister der Stadt Jena, dazu.

Dresden gehört mit zu den Gründungsmitgliedern dessen, was anfangs mal “Sachsendreieck” hieß und dann auf Forderung der Wirtschaft hin zur Metropolregion Mitteldeutschland wurde und in Leipzig 2012 auch räumlich mit der Wirtschaftsinitiative Mitteldeutschland verschmolz. Zumindest einige Unternehmer hatten frühzeitig begriffen, dass das Metropolthema ein Wirtschaftsthema ist. Und für die verbandelten Städte wäre es eine Chance gewesen, ihre Kräfte zu bündeln.

Marketing-Sprech ersetzt die Hausaufgaben nicht. Die Metropolregion Mitteldeutschland biete als länderübergreifendes Netzwerk einzigartige Möglichkeiten der Kooperation insbesondere in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Familienfreundlichkeit sowie Kultur und Tourismus, lässt Schröter mitteilen. Diese gelte es noch stärker als bisher zu realisieren. Daher werde die Metropolregion Mitteldeutschland zukünftig verstärkt die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren in der Region suchen.

“Dazu gehört auch die Öffnung gegenüber Netzwerken aus der privaten Wirtschaft, etwa der Wirtschaftsinitiative für Mitteldeutschland sowie das Gespräch mit weiteren politischen Akteuren im Bereich der Metropolregion”, so Schröter. Über die weiteren Details wollen die Oberbürgermeister auf einem Strategieworkshop am 13. September beraten. Strategieworkshop. Das erinnert an den Spaßspruch aus der christlichen Jugendarbeit: Wenn du nicht mehr weiter weißt, dann gründe einen Arbeitskreis.

Als wichtiges und positives Signal bezeichnete Jenas Oberbürgermeister auch die Bereitschaft der drei mitteldeutschen Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, die Arbeit der Metropolregion Mitteldeutschland weiter beratend und finanziell unterstützen zu wollen. “Die Länder sind für uns wichtige Partner bei der Arbeit an unserem gemeinsamen Ziel der Stärkung der gesamten Region”, sagt Schröter. Und benennt damit eigentlich indirekt, woran es hakt. Denn das, was es von den drei Bundesländern an Unterstützung gibt, reicht geradeso fürs Marketing. Für mehr nicht.

Unter anderem, weil jedes der drei Bundesländer Wirtschaftspolitik als hoheitliche Aufgabe betrachtet. Wer die Wirtschaftsvisionen der drei Bundesländer durchblättert, findet nichts, was irgendwo auf eine Metropolregion hinzielt. Jahrelang hat man bei Standortentscheidungen auch fröhlich gegeneinander konkurriert.

Und natürlich war die Frage nie geklärt: Wo ist das Zentrum des Gebildes? Wo konzentriert man seine Kräfte? – Mit der Etablierung des Büros in Leipzig 2012 war die Frage eigentlich entschieden. Auch wenn daraus noch keine Handlungskonsequenzen erfolgen. Es ist wie bei einer Wanderung, bei der die Langsamsten und Zögerlichsten das Tempo vorgeben. Wer der Metropolregion in den letzten acht Jahren zugeschaut hat, sah sie ständig beim Warten. Unter anderem auf Magdeburg und Dresden, die natürlich eigene Interessen haben. Dafür weniger gemeinsame Interessen. Und das ist der Prüfstein: Haben alle dieselben Ziele oder zerrt der ganze Haufen in unterschiedliche Richtungen und keiner gibt die Richtung an?Das Letztere traf wohl zu. Darunter litt auch der Kern. So sehen es auch die Linken, die sich durchaus ernsthaft mit Wirtschaftspolitik in diesem Flickenteppich von Region beschäftigen, wo andere noch immer den Provinzkapitän mimen. Sören Pellmann und Dr. Bodo Meerheim, die beiden Fraktionsvorsitzenden aus Leipzig und Halle, schlagen jetzt einen radikalen Kurswechsel für das Konstrukt vor. Sie sehen “es als dringend erforderlich an, in eine länderübergreifende kritischkonstruktive öffentliche Meinungsbildung über die zukünftige Zusammenarbeit von Bürgerinnen und Bürgern, Vereinen und Verbänden, Kammern und Berufsständen, Kommunen und deren Zusammenschlüssen sowie staatlichen Institutionen und politischen Gremien aller Ebenen im Länderdreieck Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt einzutreten.” Nach ihrer Auffassung “sollte die zukünftige Metropolregion neben den Städten Leipzig, Halle und Merseburg als kompaktem Kern und die durch intensive Pendlerbeziehungen mit diesem verbundenen Gemeinden des Umlandes sowie die Landkreise umfassen. Der Stadt Leipzig fällt dabei eine führende Rolle zu. Diese ist verantwortungsbewusst auszugestalten.”

Womit man bei den Pendlerverflechtungen wäre, die man als guten Indikator für die Existenz oder Nichtexistenz einer Metropolbeziehung nehmen kann. Sie sind zwischen dem Kern Halle / Leipzig und den anderen mitteldeutschen Großstädten kaum bis gar nicht ausgeprägt. Was nicht nur an der fehlenden Wirtschaft liegt, sondern auch an der miserablen Verkehrspolitik der letzten 20 Jahre – die Verkehrsbeziehungen zwischen Leipzig und Chemnitz sind ein Dauerkritikpunkt der Wirtschaft. Die mit Halle sind etwas besser. Aber schon nach Jena und Magdeburg wird es kompliziert.

Dass die Wirtschaftsinitiative für Mitteldeutschland und die Metropolregion seit letztem Jahr etwas enger zusammenarbeiten, finden die Linken gut. Geraten aber gleich wieder ins Träumen: “Neben dem Mitteldeutschen Verkehrsverbund könnten die verschiedenen Wirtschaftscluster wesentlich zum Zusammenhalt beitragen.”

Umgekehrt wird ein Schuh draus: Wenn alle Beteiligten sich zusammentun, können sie die aussichtsreichen Wirtschaftscluster stärken. Was auch heißt: Gemeinsame Ansiedlungspolitik, grundlegende gemeinsame Entwicklungslinien. Denn das steckt eigentlich in dieser Hoffnung auf “Metropole”: alles aus einer Hand, alles aus einem Guss, alles einer Vision zugeordnet. Wenn man erst einmal anfängt, darüber nachzudenken, merkt man schnell, warum drei Landesregierung daran kein Interesse haben: Es würde die Landschaft gründlich verändern und ein wirtschaftliches Zentrum schaffen, zu dem alle drei Landeshauptstädte nicht gehören.

Aber, so Pellmann und Meerheim: “Die Linke sieht die Landesregierungen und Landtage in der Pflicht, für politische Rahmenbedingungen zu sorgen, die eine über die Landesgrenzen hinweg abgestimmte Regionalentwicklung möglich machen.”

Womit sie dann in aller Trockenheit aussprechen, was jetzt acht Jahre lang nicht passiert ist. Und nicht passieren wird. Dazu haben es sich die drei Landesregierungen viel zu sehr in ihrem provinziellen Kleinklein gemütlich gemacht.

Die Metropolregion Mitteldeutschland umfasst ab dem 1. Januar 2014 mit Leipzig, Chemnitz, Zwickau, Halle, Jena, Dessau-Roßlau und Gera sieben Städte aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. “Sie versteht sich als länderübergreifender Impulsgeber und Wachstumsmotor für die Entwicklung von Wirtschaft, Wissenschaft, Bildung, Kultur und Tourismus in der Region”, lässt sie noch mitteilen. Aber schon die hübsche Floskel “versteht sich als” verrät, dass man eigentlich in tiefstem Inneren weiß, dass man es nicht ist. Und auch nicht wird, wenn man so weiter macht.

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