Noch im Sommer sorgten Gerüchte und darauf folgende Medienberichte für Unruhe im Leipziger Südraum. Der Energiekonzern Vattenfall wolle sein Engagement in Deutschland beenden und auch sein Kraftwerk in Lippendorf verkaufen. Dort dürfte inzwischen ein wenig Durchatmen angesagt sein. Denn Vattenfall will an Lippendorf festhalten. Und nicht nur das ...

Vattenfall ist Grundversorger in Hamburg und Berlin. Als Betreiber großer Braunkohlekraftwerke und Tagebaue unter anderem in der Lausitz und im Leipziger Südraum ist das Unternehmen der viertgrößte deutsche Energieversorger. Die Geschäftsführung in Deutschland, dem wichtigsten und größten Markt für Vattenfall, hat der Finne Tuomo Hatakka. Seit dem 1. Januar ist der Heimatmarkt in Skandinavien organisatorisch vom schwierigen kontinentaleuropäischen Geschäft getrennt.

Seitdem spekulierten Marktbeobachter über einen Rückzug des fünfgrößten europäischen Stromerzeugers aus Deutschland. Das soll laut Unternehmenskreise jetzt vom Tisch sein. Zuvor hatte der Landtagsabgeordnete der Grünen, Johannes Lichdi, kräftig in der Gerüchteküche gewerkelt, indem er wiederholt behauptete, dass ein Rückzug der Schweden aus Ostdeutschland feststehe. Gemäß Presseverlautbarung des Vattenfall-Konzerns sei dies nicht der Fall und auch Lippendorf stehe nicht zum Verkauf.

Noch im Sommer schien festzustehen, dass Vattenfall sein Braunkohlekraftwerk in Lippendorf verkaufen würde. Das war auch zunächst Teil der Strategie des schwedischen Energiekonzerns. Nach internen Planungen des Unternehmens sollten Kraftwerke, bei denen Vattenfall nur Miteigentümer ist, veräußert werden. Vor einigen Jahren hatten die Schweden bereits Anteile an einem Kraftwerk in Rostock verkauft. Tatsache ist jedoch, dass Vattenfall sich im letzten Jahr intensiv mit dem Verkauf planerisch auseinandergesetzt hatte und sogar ein Projektteam extra dafür abgestellt hatte. Die sollten sich nach möglichen Investoren umsehen. Grund waren augenscheinliche Probleme auf dem Markt. Die niedrigen Großhandelspreise für Strom in Kontinentaleuropa hatten das Ergebnis des Konzerns im abgelaufenen Quartal belastet.
Der operative Gewinn ging um 10,6 Prozent auf knapp vier Milliarden Schwedische Kronen (rund 456 Millionen Euro) zurück. Der Umsatz war dagegen um knapp zehn Prozent auf umgerechnet 4,2 Milliarden Euro gestiegen. Für den vergangenen Neunmonats-Zeitraum verbuchte Vattenfall wegen großer Abschreibungen auf Vermögenswerte im zweiten Quartal einen Verlust von 10,3 Milliarden Kronen (1,4 Milliarden Euro). Abgesehen von diesen Wertberichtigungen sei das operative Ergebnis jedoch zufriedenstellend. Dabei profitierte das Unternehmen von vergleichsweise hohen Strompreisen in Skandinavien.

Was nun Lippendorf betrifft, ist erst mal ein ruhiger Start ins neue Jahr gewiss. Ein neues Projektteam ist gemäß Konzernangaben jedenfalls nicht geplant. Vorerst. Vattenfall beschäftigt 33.000 Mitarbeiter von denen 15.000 in Deutschland arbeiten. Im Kraftwerk Lippendorf selbst sind 300 Menschen angestellt. Bei Vattenfall handelt es sich um einen klassischen Mischkonzern, der sich mit vielen verschiedenen Formen der Energiegewinnung befasst. Dazu gehören Wind, Wasserkraft, Biomasse, Kohle, Gas und nicht zuletzt Kernenergie. Das Kraftwerk war im Sommer 2000 in Betrieb genommen worden und gehörte zu dem Zeitpunkt zum modernsten, was auf dem Markt für Braunkohlekraftwerke zu haben war. Von den rund 2,4 Milliarden Euro Baukosten stammten 1 Milliarde aus EU-Fördertöpfen. Tatsächlich ist der Lippendorfer Braunkohleriese angesichts seiner Leistung relativ umweltfreundlich. Die beiden 175 m hohen Kühltürme sowie die 154 Meter hohen Kesselhäuser bestimmen die Silhouette. Fährt man an dem Gelände vorbei, fällt auf, dass im Gegensatz zu früher tatsächlich alles sauber ist wie am ersten Tag. Auch die Blöcke und Türme haben nicht dieses hässliche Graubraun früherer Kraftwerke. So soll es auch bleiben.

Die Braunkohle bekommt niemand zu Gesicht. Bänder, Silos und auch die acht Mühlen sind hermetisch abgeschlossen, kein Körnchen soll nach außen gelangen. So ist es auch mit dem Kohletransport. Sie kommt über Förderbänder direkt aus dem unmittelbar benachbarten Tagebau Vereinigtes Schleenhain, der der Mibrag gehört. Dorthin gelangt auch die Asche, sie wird zum Verfestigen bereits entkohlter Bereiche genutzt. Kolosse sind auch die Kessel. Einer allein hat eine Masse von 46.000 Tonnen. Aufgrund der thermisch bedingten Ausdehnung, jeder Kessel legt im Betrieb etwa 75 Zentimeter zu, werden Kessel und Rohrleitungen aufgehängt. Vier 80-Tonnen-Stützen mit jeweils etwa 5 Quadratmeter Grundfläche tragen je einen Kessel. Pro Stunde werden rund 2.400 Kubikmeter Wasser in die Dampfphase überführt.

Mit 450 Tonnen (!) ist auch der Generator kein Leichtgewicht. Nicht weniger materialaufwendig ist die gesamte, vorwiegend unterirdische Verkabelung mit etwa 1.800 Kilometern, die letztlich mit dem Leitstand des Kraftwerks verbunden ist. Im Leitstand fließen alle Informationen zusammen, daran sind etwa 42.500 Messstellen beteiligt, und von hier aus wird alles gelenkt. Mehr als 20 große Flachbildschirme und fast 30 Monitore stehen dem Bedien- und Überwachungspersonal zur Verfügung. Der ganze Betrieb läuft computergesteuert vollautomatisch ab. Kaum eine Handvoll an Experten passt auf die Computer auf.

Nicht weniger aufwendig ist die gesamte Rauchgasreinigung. Schornsteine wie in DDR-Zeiten sind out. Elektrofilter und die Anlagen zur Nasswäsche mit einer Kalkstein-Emulsionslösung sollen laut Kraftwerksangaben nahezu alle Staub-, Schwefeldioxyd- und Stickoxydbestandteile herausholen. Die Parameter liegen allerdings deutlich unter den gesetzlichen Grenzwerten. So nebenbei werden pro Jahr rund 900.000 Tonnen Gips als Abfallprodukt anfallen. Dieser Gips fließt über ein Zwischenlager direkt per Band zu einem in Kraftwerksnähe angesiedelten Verarbeitungswerk. Dort wird das Abfallprodukt der Stromerzeugung zu Gipsplatten und Fließestrich verarbeitet werden.

Immer noch wird oft fälschlicherweise angenommen, dass aus den beiden 175 Meter hohen Kühltürmen Rauch entweicht. Tatsächlich handelt es dabei um Wasserdampf des Kühlwassers. Die Anlage hat einen Nettowirkungsgrad von rund 43 Prozent, was auch nach heutigen Maßstäben immer noch zum Besten gehört. Hört sich alles prima an, wenn da nicht der CO²-Ausstoß wäre. Umweltschützer haben errechnet, dass Lippendorf auf einen jährlichen Ausstoß von rund 14.000000 Tonnen CO² pro Jahr kommt. Berechnungen zufolge entstehen bei der Verbrennung einer Tonne Schleenhainer Braunkohle 1,173 Tonnen CO².

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