Für Torsten Herbst, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Sächsischen Landtag, ist die Sache ganz einfach: "EEG kostet Sachsen 271 Millionen Euro - Zwangsumlage sorgt für Umverteilung zu Lasten des Freistaats", lässt er seine Meldung betiteln, die er am Freitag, 28. Februar, in die Welt pustete. Für die ostsächsische FDP ist immer alles ganz einfach.

Und so erzählt Torsten Herbst denn den Empfängern seiner Meldung: “Die sächsischen Stromkunden haben auch im vergangenen Jahr bei der deutschlandweiten Umverteilung der Gelder nach dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) kräftig draufgezahlt. Insgesamt hat Sachsen im Saldo 271 Millionen Euro an andere Bundesländer verloren. Das ist die Differenz aus den EEG-Mittelzu- und -abflüssen für den Freistaat, wie sie aus jetzt veröffentlichten Zahlen des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hervorgeht. Im Jahr 2012 betrug der Verlust noch 116 Milliarden Euro. Größter “Profiteur” des EEG war auch 2013 Bayern, dorthin flossen unterm Strich 770 Millionen Euro aus dem EEG.”

Dass die ostsächsische FDP Windräder überhaupt nicht mag, hat sie ja nun oft genug vermeldet. Sie mag eigentlich diese ganzen erneuerbaren Energien nicht, das unter Rot/Grün beschlossene EEG-Gesetz sowieso nicht. Das sei ja sowieso an den steigenden Strompreisen schuld. Rettung biete nur die sächsische Braunkohle. Ansonsten würden die Sachsen ja nur ausgeplündert – diesmal von den Bayern, mit denen man sich sonst so gut versteht.

“Die Umverteilungsmaschinerie des EEG läuft immer weiter aus dem Ruder. Das deutschlandweit über Strompreise auf der einen Seite und EEG-Subventionen auf der anderen Seite gewälzte Finanzvolumen beträgt inzwischen rund das Zweieinhalbfache des Länderfinanzausgleichs”, erklärt Torsten Herbst. “Die privaten und gewerblichen Stromkunden in Ländern, die sich nicht so gut für die Nutzung erneuerbarer Energien eignen wie andere, zahlen immer weiter drauf. 271 Millionen Euro aus den Kassen der sächsischen Familien und Unternehmen sind vergangenes Jahr an Betreiber von Ökostrom-Anlagen in andere Bundesländer gewandert. Zur Verdeutlichung der Größenordnung: Das sind die jährlichen Gelder für vergleichsweise rund 6.600 Vollzeit-Erzieher an sächsischen Kitas.”

Und dann wird der Marketing-Fachmann ganz spitz: “Dass die sächsische Kita-Erzieherin über ihre Stromrechnung das Solardach einer Villa am Starnberger See mit abbezahlt, ist eine sehr spezielle Form von rot-grüner ‘Gerechtigkeit’, wie sie nur der volkswirtschaftliche Irrsinn des EEG hervorbringen kann. Für uns bleibt daher klar: Die EEG-Zwangssubventionsspirale muss schnellstmöglich beendet werden!”

Man hätte es ja fast vergessen: Es ist wieder Wahlkampf.
Die Zahlen hat Herbst aus der neuesten Studie des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) zu den Erneuerbaren Energien und der EEG-Umlage in Deutschland. Die ist etwas umfangreicher und erläutert auch, wie sich der Strompreis in Deutschland zusammensetzt, welchen Anteil daran die EEG-Umlage hat. Und sie erklärt vor allem auch, warum das so ist. Denn ursprünglich sah das Gesetz ja vor, dass die EEG-Umlage rein über die Erlöse an der Strombörse finanziert werden sollte.

Im Text der BDEW-Auswertung liest sich das so: “Da die EEG-Differenzkosten und damit die Höhe der EEG-Umlage – wie in Kap. 8 erläutert – durch die Differenz der erzielten Vermarktungserlöse an der Strombörse und der EEG-Vergütungssumme bestimmt wird, besteht indirekt auch eine Wechselwirkung zwischen dem Preisbestandteil Strombeschaffung/ Stromerzeugung und der Höhe der EEG-Umlage. Ein geringes Preisniveau an der Strombörse bedeutet höhere EEG-Differenzkosten und somit eine höhere EEG-Umlage. Dieser Effekt wird aber teilweise dadurch kompensiert, dass bei einem geringen Preisniveau mit einer zeitlichen Verzögerung auch die Beschaffungskosten der Vertriebe geringer werden.”

Ist also die Frage: Was sorgt dafür, dass die Strompreise vor allem in den sonnen- und windreichen Sommermonaten in den Keller purzeln? Die Sonnenkollektoren und Windräder, die man doch extra gebaut hat, damit sie diese Energie nutzen? Oder doch die Kohlekraftwerke, die man einfach nicht ausschalten kann und die auf Grundlast weiterlaufen, auch in Sachsen? – Natürlich sind es Letztere, die in den Sommertagen nicht nur das Netz mit billigem Strom verstopfen, die Betreiber von Gaskraft- und Windanlagen zum Ausschalten ihrer Anlagen zwingen und die Gefahr einer Überlast erzeugen. Der Strom wird dann an manchen Tagen sogar verschenkt. Und natürlich sind es die großen Energieerzeuger, die damit versuchen, ihre alte Marktposition zu behaupten. Wenn ein Kohlekraftwerk erst einmal abgeschaltet ist, kommt es nur noch mit großer Mühe zurück ans Netz.

Den Ausbau der erneuerbaren Energien aber kann die ostsächsische FDP nicht bremsen. Mittlerweile werden 25 Prozent des deutschen Stroms aus erneuerbaren Energien gewonnen. Und es sind eben nicht nur bayerische Solaranlagenbetreiber, die profitieren. Wenn man das so nennen kann. Denn neben Solaranlagen wurden in den vergangenen Jahren auch verstärkt Windkraft- und Biomasseanlagen gebaut. Bayern gehört zu den Bundesländern, die mittlerweile besonders viel Energie aus regenerativen Anlagen liefern – ähnlich wie Niedersachsen und NRW.Der BDEW berechnet die Differenz dann durch die produzierte Energiemenge aus erneuerbaren Energien und dem Anteil erneuerbarer Energien an der Stromabnahme in den einzelnen Bundesländern.

“Für die zeitliche Entwicklung der saldierten Netto-Zahlungsströme sind vor allem zwei Faktoren entscheidend: Erstens der Ausbau der Erneuerbaren Energien in den einzelnen Bundesländern und zweitens die Höhe der EEG-Umlage. Allerdings wirken beide Faktoren unterschiedlich stark auf die Zahlungsströme. Während der Ausbau der Erneuerbaren eher zu moderaten Anstiegen und leichten regionalen Verschiebungen der Mittelzuflüsse führt, wirkt die Höhe der EEG-Umlage über den Stromverbrauch deutlich stärker auf die Mittelabflüsse”, heißt es im Papier der BDEW. Heißt im Klartext: Wenn Sachsen beim Ausbau der Erneuerbaren bremst, nutzt das gar nix. Denn der Stromverbrauch sinkt ja nicht. Und da fast alle Haushalte auch anteilig Strom aus Erneuerbaren beziehen, steigt die Abgabelast auch dann, wenn der Stromverbrauch nicht steigt.

Bevor die Tabelle mit den EEG-Salden kommt, gibt es noch die Grafik, die zeigt, wie die Bundesländer vom EEG-Zufluss profitieren – genauer: die Anlagenbetreiber in diesen Bundesländern. Und sie zeigt, wieviel EEG-Umlage aus diesen Bundesländern abfließt. Und diese Grafik zeigt eben auch, dass selbst Bundesländer wie Sachsen-Anhalt und Brandenburg von der EEG-Umlage “profitieren”. Sie haben ihre erneuerbaren Energieanlagen in den vergangenen Jahren systematisch ausgebaut. Während nach Sachsen-Anhalt zum Beispiel 926 Millionen Euro EEG-Umlage fließen und nur 631 Millionen über den Stromverbrauch abließen (ein Plus von 295 Millionen Euro) und nach Brandenburg sogar 1,3 Milliarden Euro fließen und nur 631 über den Stromverbrauch wieder abfließen (ein Plus von 671 Millionen), sind es in Sachsen, wo nun seit vier Jahren gemauert, gebremst und verhindert wird, nur 610 Millionen Euro, die über die EEG-Umlage ins Land fließen. Da es aber das bevölkerungsreichste Bundesland im Osten ist, wird entsprechend viel Strom verbraucht. Es fließen also 881 Millionen Euro ab. Macht ein Minus von 271 Millionen Euro.

Womit sich Sachsen übrigens in trauter Gesellschaft mit dem Saarland (- 246 Millionen) und Rheinland-Pfalz (- 418 Millionen) befindet. Nordrhein-Westfalen, das eigentlich zu den vier größten Produzenten alternativer Energien gehört (nach Bayern, Niedersachsen und Baden-Württemberg), zahlt trotzdem heftig drauf, weil es als bevölkerungsreichstes Bundesland natürlich auch den meisten Strom verbraucht.

Das heißt aber auch: Eine ausgeglichene Bilanz bekommen die Bundesländer erst, wenn sie ihre alternativen Energiekapazitäten ausbauen und damit genausoviel EEG-Umlage einheimsen, wie sie über den Stromverbrauch abgeben. Denn natürlich ist das Bild, das Torsten Herbst gemalt hat, falsch. Warum sollte das, was Sachsens Stromkunden “draufzahlen” nicht bei den Anlagenbetreibern in Sachsen-Anhalt landen? Oder in Schleswig-Holstein, wo jetzt so langsam die Offshore-Windanlagen in Betrieb gehen? Oder bei den Biogas-Anlagen-Betreibern in Mecklenburg-Vorpommern? Auch diese beiden Bundesländer haben einen positiven EEG-Saldo.

Es ist die sächsische Politik selbst, die die Schieflage herbeigeführt hat. Und die ostsächsische FDP hat in den vergangenen vier Jahren einen gehörigen Anteil daran.

Die Pressemitteilung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW): www.bdew.de/internet.nsf/id/20140224-pi-mehr-als-134-millionen-anlagen-erzeugen-oekostrom-de?open&ccm=900010020010

Die EEG-Auswertung 2014 des BDEW: www.bdew.de/internet.nsf/id/83C963F43062D3B9C1257C89003153BF/$file/Energie-Info_Erneuerbare%20Energien%20und%20das%20EEG%20%282014%29_24.02.2014_final_Journalisten.pdf

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